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Netzwerktreffen in Weinsberg
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Darum müssen Bürgermeisterinnen 150 Prozent geben

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Braucht es das heutzutage noch? Ein Treffen ganz gezielt für die Bürgermeisterinnen im Land? Ja, unbedingt, finden diese. Zum informativen, fachlichen Austausch. Aber auch, um sich gegenseitig zu stärken. Denn noch immer müssen sie sich mehr unter Beweis stellen als ihr männlichen Kollegen, sagt zum Beispiel Weinsbergs Rathauschefin Birgit Hannemann. Sie hat das Treffen dieses Mal ausgerichtet.    

Die amtierende Bürgermeisterin Birgit Hannemann (links) und ihre frühere Amtskollegin Monika Chef mit mutigen Frauen aus dem 12. Jahrhundert: den treuen Weibern von Weinsberg, die ihre Männer huckepack von der Burg trugen.
Die amtierende Bürgermeisterin Birgit Hannemann (links) und ihre frühere Amtskollegin Monika Chef mit mutigen Frauen aus dem 12. Jahrhundert: den treuen Weibern von Weinsberg, die ihre Männer huckepack von der Burg trugen.  Foto: Anja Krezer

Birgit Hannemann ist eine von sieben Frauen, die eine Kommune im Landkreis Heilbronn leiten. Sieben von 46 Orten – damit ist die Frauenquote im Landkreis etwas höher als baden-württembergweit: In 116 der 1101 Städten und Gemeinden im Land sitzt eine Frau auf dem Chefsessel. Gerade mal zehn Prozent. Aber ein unglaublich hoher Wert, verglichen mit der Anfangszeit von Monika Chef (67). Als sie 1994 ihr Amt in Gemmrigheim im Nachbarlandkreis Ludwigsburg antrat, war sie  nach eigenen Angaben eine von vier Bürgermeisterinnen zwischen Odenwald und Bodensee. Die damalige Rathauschefin von Löwenstein, Birgit Kriegel, hatte das erste Netzwerktreffen organisiert, damals sogar mit internationalen Teilnehmerinnen.

Bürgermeisterinnen zwischen Amt und Familie

Monika Chef ist einer der Ehemaligen, die heute noch an den alljährlichen Bürgermeisterinnentreffen teilnimmt. Sie erinnert sich: „Ich weiß noch, als ich zwei Jahre im Amt war, wurde ich schwanger. Da hatte ich Spaß!“ Es gab Bürger, die es ihr übelnahmen, dass sie ein Kind bekam. Und manchen habe sie es nicht recht machen können: „Die einen sagten, ich sei eine Rabenmutter, wenn ich weiterarbeite.“ Die anderen sagten, sie würde ihr Amt vernachlässigen, wenn sie eine Babypause einlegt. Nach acht Wochen war sie wieder im Rathaus – und habe dann in der Bürgerfragestunde einer Gemeinderatssitzung öffentlich erklären müssen, wie sie die Betreuung ihres Sohnes regelt. „Einen Mann hätte man das nicht gefragt.“

Sicher habe sich heute gegenüber dieser Zeit in manchen Kommunen manches geändert, sagt die frühere Rathauschefin von Gemmrigheim, die sich 2018 nach drei Amtszeiten in den Ruhestand verabschiedete. „Aber nicht in allen.“ Birgit Hannemann, seit Januar 2024 Bürgermeisterin in Weinsberg und zuvor acht Jahre in Erdmannhausen im Landkreis Ludwigsburg, hat überhaupt nicht den Eindruck, dass man sie – anders als manche Bürgermeisterin anderswo – im Gemeinderat, im Kollegenkreis oder in Teilen der Bevölkerung nicht ernst nimmt. Doch grundsätzlich sei es schon so,  „dass man als Frau 150 Prozent geben muss, um als gleichwertig wahrgenommen zu werden“. 

Bei Bürgermeisterinnen wird mehr aufs Äußere geachtet

Auch Birgit Hannemann (45) ist das Interesse an der Frage, wie es eine Bürgermeisterin mit der Betreuung ihres Nachwuchses hält, nicht fremd. Im Weinsberger Wahlkampf war es ein Thema, wie sie als geschiedene Mutter von drei Jungs Privat- und Berufsleben vereinbart. Ob sich ein Mann in derselben Situation auch hätte erklären müssen? Ein Bürgermeister hätte vermutlich auch nicht, wenn er zu einem Netzwerktreffen einlädt, welches über mehrere Tage in den Sommerferien geht, für eine Betreuung der Kinder gesorgt. Die Bürgermeisterinnen tun es. Immer. 

Mitunter traue man Frauen im Amt weniger zu als Männern, hat Monika Chef in ihrer langen Zeit als Bürgermeisterin beobachtet. Oft zeige sich das bei Kleinigkeiten. „Zum Beispiel bei technischen Sachen. Oder bei Bauangelegenheiten.“ Daran habe sich nicht viel geändert, auch nicht in der großen Politik: „Wohin gehen denn die Frauen? Meistens in den Sozialbereich.“ Ein anderer Aspekt: Bei Bürgermeisterinnen werde sehr viel mehr aufs Äußere geachtet als bei männlichen Kollegen: „Wo endet der Rock? Trägt sie high heels? Wie oft hat sie dasselbe an?“ 

Was würden die Rathauschefinnen dazu sagen, wenn ihre Kollegen im Umkehrschluss zu einem spezifisch männlichen Treffen laden, die Frauen also bewusst außen vor lassen? Es gebe bereits reine Männerrunden, sagen Chef und Hannemann. Männer seien oft anders vernetzt als Frauen. Männer würden sich zum Beispiel zum Fußballspielen treffen.   

Unterm Strich, ist die frühere Bürgermeisterin Chef sicher, haben es Kolleginnen es heute einfacher als früher. Das sieht auch Weinsbergs Rathauschefin Hannemann so – und ergänzt: „Das haben wir auch dem Netzwerk zu verdanken.“

Bei den alljährlichen Bürgermeisterinnentreffen geht es es nicht nur um den Austausch unter Frauen und um gegenseitige Unterstützung, sondern auch um allgemeine Themen. Regierungspräsidentin Susanne Bay referierte über kommunal Relevantes aus ihrem Haus, etwa über Denkmalschutz. Da die Teilnehmerinnen aus ganz Baden-Württemberg kommen, seien die Treffen auch eine gute Gelegenheit, sich darüber zu informieren, wie die Dinge in den anderen drei Regierungsbezirken gehandhabt werden, sagt Weinsbergs Bürgermeisterin Birgit Hannemann. 

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