Kandidaten haben viele Ideen, aber keinen fertigen Plan
Auf den neuen Bürgermeister warten an der Jagst große Herausforderungen und angefangene Projekte. Trotzdem wollen drei Männer Chef im Rathaus werden. Beim Stimme-Forum haben sie über die Zukunft Möckmühls diskutiert - eine Analyse.

Vieles läuft nicht rund in Möckmühl: Nichtöffentliche Entscheidungen werden getroffen, Projekte liegen auf Eis, von Haushalts-, geschweige denn Investitionsplan keine Spur. Trotzdem wollen drei Kandidaten am kommenden Sonntag Rathauschef werden. Am Dienstagabend haben sie beim Stimme Forum in der Stadthalle mit den Redakteuren Frank Wittmer und Simon Gajer über die Herausforderungen diskutiert, die das Amt in der 8000-Einwohner-Stadt an der Jagst mit sich bringen wird. Deutlich wurden dabei vor allem zwei Dinge: Die Bürger haben eine echte Wahl, denn die Kandidaten könnten unterschiedlicher nicht sein. Gleichzeitig hat keiner von ihnen einen fertigen Plan in der Tasche. Zu unklar ist die Gemengelage bei vielen Projekten.
Der einstige Möckmühler Hauptamtsleiter Simon Michler wirbt nach eigenen Worten vor allem mit seiner Verwaltungserfahrung. Damit hofft er auf einen Sieg im ersten Wahlgang, "51 Prozent plus x" sind sein Ziel. Der 39-Jährige trägt erneut als einziger Krawatte und zeigt sich sattelfest in kommunalen Zuständigkeiten. Bei den anstehenden Aufgaben von der Sanierung der Alten Kelter über Innenstadtbelebung bis zum Straßenbau will er Expertenrat einholen, "strukturiert bei der Haushaltsplanung vorgehen" und darüber hinaus Transparenz schaffen. "Prioritäten setzen" und kreativ in der Lösungsfindung sein, das sei sein Anspruch, so Michler, der sich als Bürgermeister "ein Stück weit als Manager" versteht. Erfahrungen im Amt bringt er mit, mehrfach ist er ganz diplomatisch darauf bedacht, dem scheidenden Bürgermeister Ulrich Stammer keine Fehler zuzuschreiben. Den Möckmühlern verspricht er, im Falle seiner Wahl direkt auf Wohnungssuche zu gehen. Schließlich würde ein Bürgermeister Michler am liebsten jeden Morgen zu Fuß ins Rathaus gehen.
Mit und ohne Verwaltungserfahrung
Das könnte Kay Boschmann schon jetzt. Mitten in der Innenstadt wohnt der 25-Jährige. Verwaltungserfahrung hat er keine, dafür kennt er seine Heimatstadt. Und er spricht immer wieder entwaffnend ehrlich aus, was vermutlich viele Bürger denken. "Irgendwo sitzt da ein Problem im Rathaus", sagt der Softwareentwickler, der sich in der Partei Volt engagiert. Das, fügt er an, solle bitte keiner persönlich nehmen, aber man müsse es lösen. Boschmann weiß, dass er im Falle einer Wahl "viel lernen" muss, seine kaufmännische Ausbildung sei dafür aber eine gute Grundlage. Sich selbst beschreibt er als zurückhaltend: "Ich denke erst, bevor ich etwas sage." In der Diskussionsrunde bleibt er dennoch schlagfertig und geht davon aus, dass es am Sonntag besser für ihn laufen wird, "als ich erwarte". Seine Direktheit bringt ihm zumindest am Dienstagabend schon mal den meisten Szenenapplaus ein.
Dritter in der Runde ist Roland Schwinger, der mit "unternehmerischem Denken frischen Wind in die Gemeinde" bringen will. Dabei setzt er voll auf das Team im Rathaus. "Der Bürgermeister kann sich nicht jedes Problems annehmen", sagt der 52-Jährige in Bezug auf Bürgeranliegen. Mit ihm als Bürgermeister wird es vermutlich neue Stellen in Möckmühl geben, denn sowohl im Ordnungsamt als auch im Bauhof fehle es an Manpower, sagt Schwinger: "Da ist durchaus Bedarf." Gleichzeitig argumentiert er kostenbewusst, zum Beispiel in der Frage Kelter-Sanierung oder Kindergartenneubau. Die 100.000 Euro, die allein die Machbarkeitsstudie für die Alte Kelter verschlingen würde, "kann man sinnvoller einsetzen". "Kosten, Aufwand und Ertrag" müssten auch im Baugebiet Haag in einem gesunden Verhältnis stehen.
Wohnungen im Risikogebiet
Die Debatte um den Kindergarten Ruchsener Straße zeigt die unterschiedlichen Herangehensweisen der Kandidaten deutlich. Während Michler sich eher nach dem Stimmungsbild richtet, das er nach eigenen Worten in der Stadt eingefangen hat, die Sanierung "für sinnvoll hält" und "keine neue Lösung suchen" will, sagt Boschmann klar, er könne die Frage Sanierung oder Neubau "aus dem Stegreif nicht beantworten". Das sei ohnehin eine Frage, die der Bürgermeister nicht allein entscheide. Die Pläne für die Bebauung im Haag kennen weder die Kandidaten noch die Öffentlichkeit. Alle drei Bewerber sind sich aber einig, dass die Stadt hier nicht als Investor auftreten sollte. Michler findet das Projekt "hochspannend", auch hier kommt ihm kein negatives Wort über die Lippen, während seine Kontrahenten deutlicher Stellung beziehen. Es sei nicht sinnvoll, in einem Risikogebiet zu bauen, sagt Schwinger. Das Gelände stehe bei Extremwetter regelmäßig unter Wasser. Ähnlich äußert sich Boschmann: "Ich kann nicht nachvollziehen, wie man auf die Idee kommt, dort Wohnungen zu bauen." Er würde lieber Bäume pflanzen, Parkbänke aufstellen, eine Festbühne bauen, weiß aber auch, dass es unsinnig wäre, das Projekt jetzt noch abzublasen. "Wenn sich ein privater Investor engagiert, ist das zu begrüßen", sagt auch Schwinger.
Wo sich alle als Bürgermeister einbringen wollen, ist hingegen die Innenstadt. Michler hat dazu ganz konkrete Pläne, für ihn hat die Belebung Priorität. Einen "Innenstadtgipfel mit allen Akteuren" will er noch in diesem Jahr einberufen. Es soll eine seiner ersten Amtshandlungen werden. Schwinger will hier erstmal ein Konzept erarbeiten, Boschmann über die Wirtschaftsförderung Unternehmer "mit einem kleinen Betrag" unterstützen.
Konzepte sollen Lösungen bringen
Alle drei Kandidaten sind sich bewusst, dass große Aufgaben zu stemmen sind. Die Glasfaseranbindung, da müsse man vor allem in den Teilorten endlich rangehen, sagt Boschmann. Mehr Parkplätze und ein Verkehrskonzept fordert Michler. Konzeptionell möchte Schwinger den Sanierungsstau im Straßenbau angehen. Und das alles bei unklarer Haushaltslage. Diese sei nicht so schlecht, sagt Michler, bezieht sich aber auf den Haushalt des vergangenen Jahres. Am liebsten schon im Dezember will er als Bürgermeister endlich einen aktuellen Kassensturz vorlegen. "Das ist aber keine Kritik am Bestand", betont er. Doch die schwang trotzdem am Abend durchgehend mit.
Am kommenden Sonntag wird in Möckmühl allerdings ein neues Kapitel aufgeschlagen. Strukturiert, organisiert, konzeptionell. Darauf setzt jeder der Bewerber auf seine ganz eigene Art.