Betreutes Wohnen in Pfaffenhofen: Noch will niemand einziehen
Der ASB Heilbronn-Franken möchte ein innovatives, soziales Projekte im ländlichen Raum etablieren. Doch trotz intensiver Bewerbung wird das Betreute Wohnen nicht angenommen. Mit der Gemeinde sucht man nun neue Wege.

„Nichts ist schlimmer als Leerstand“, sagt Kalterina Delija, Regionalleiterin des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) Heilbronn-Franken. Doch genau das trifft auf das Projekt einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft zu, das der ASB in Pfaffenhofen realisieren will. Das Gebäude mitten im Ort wurde im Juni 2023 eingeweiht. Es bietet helle, moderne Räume auf 350 Quadratmetern, die Wohnen und gemeinschaftliches Leben für Seniorinnen und Senioren verbinden sollen. Eine Gemeinschaftsküche mit Essbereich sowie zwölf Einzelzimmer – jeweils mit Bad, Flur und teilweise Balkon oder Terrasse – gehören zur Ausstattung.
Beste Voraussetzungen also, um das Haus mit Leben zu füllen. Doch seit über einem Jahr konnte das Angebot nicht vermittelt werden. „Es hat keinerlei Anfragen gegeben“, berichtet Delija bei der jüngsten Gemeinderatssitzung. Nachdem das ursprüngliche Konzept auf geringes Interesse stieß, wurde es überarbeitet und im September 2024 unter dem neuen Titel Betreutes Wohnen Plus mit viel Hoffnung vorgestellt. Der ASB betreibt dieses Modell bereits erfolgreich in Ulm, bislang als einzige Einrichtung dieser Art im Land. In Pfaffenhofen soll es erstmals im ländlichen Raum umgesetzt werden.
Senioren-WG in Pfaffenhofen: Preissenkungen sollen Anreiz geben
Das neue Konzept sieht anstelle einer 24-Stunden-Betreuung eine Präsenzkraft vor, die beispielsweise gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern das Mittagessen zubereitet. So konnten, wie Delija einräumt, die zuvor hohen Kosten gesenkt werden. Die ursprünglichen Gesamtkosten lagen mit rund 4200 Euro monatlich etwa auf dem Niveau eines Pflegeheims. Jetzt liegen sie bei rund 1700 Euro „all inclusive“.
Doch trotz der Neuausrichtung fehlt weiterhin das Interesse. Als Gründe nennen potenzielle Interessenten unter anderem die aus ihrer Sicht unzureichende Infrastruktur: mangelnde Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, große Entfernung zu Städten und medizinischen Einrichtungen, die ländliche Lage sowie ein begrenztes kulturelles Angebot. In vielen Gesprächen, berichtet Kalterina Delija, habe sich zudem gezeigt, dass viele Pfaffenhofener lieber in ihrem eigenen Haus wohnen bleiben, als in eine betreute Wohngemeinschaft umzuziehen.
Projekt bedeutet finanzielle Belastung für ASB
In der Gemeinderatssitzung diskutieren Verwaltung und Ratsmitglieder gemeinsam mit Kalterina Delija und Hermann Paul, stellvertretender Vorsitzender der ASB-Region, mögliche Perspektiven für das Projekt. Beim ASB erhofft man sich von der Gemeinde auch neue Impulse und Vorschläge zur Nutzung oder Vermarktung. „Wir wünschen uns nichts sehnlicher, als das Gebäude mit Leben zu füllen, und denken in alle Richtungen“, sagt Hermann Paul. „Wir schließen nichts mehr aus.“ Ob jedoch bauliche oder preisliche Anpassungen vom ASB-Landesvorstand genehmigt werden, sei ungewiss, angesichts des bisherigen Investments in das Projekt in Pfaffenhofen. Auch beim ASB wachse der Druck, das Gebäude endlich zu nutzen. „Für uns ist es ebenfalls eine finanzielle Belastung“, so Paul.
Mehr als drei Millionen Euro hat der ASB bislang in das Vorhaben investiert. Rund 21.000 Euro flossen in Printanzeigen und Flyer, um das Angebot im weiteren Umkreis bekannt zu machen. Die Zielgruppe wurde persönlich angesprochen, Werbung über soziale Netzwerke geschaltet. Auch in den Nachbargemeinden wurde geworben. Doch selbst ein eigens organisierter Informationsabend blieb ohne Besucher. „Die Resonanz war enttäuschend“, sagt Delija, obwohl sich die Angehörigen potenzieller Bewohner durchaus interessiert zeigten.
Gemeinde Pfaffenhofen fordert konkrete Ideen für Senioren-WG
Inzwischen, so betonen die ASB-Vertreter, greife man nach jedem Strohhalm und sei für alle Optionen offen – sogar eine Rückkehr zum klassischen Modell des Betreuten Wohnens werde nicht mehr ausgeschlossen. Dennoch habe sich deutlich gezeigt: Viele Pfaffenhofener wollen in ihren eigenen vier Wänden bleiben. „Die Angehörigen sind offen, aber sie können ihre Eltern nicht zwingen“, so Delija.
Auch die Gemeinde wünscht sich, dass das Projekt angenommen wird. Sie hat das Vorhaben mit 200.000 Euro unterstützt. „Alle haben sich Hoffnungen gemacht“, sagt Bürgermeisterin Carmen Kieninger, die aber auch konkrete Antworten vom ASB fordert. Hermann Paul verspricht: „Die Gemeinde wird als Erste informiert, sobald es spruchreife Änderungen oder neue Optionen gibt.“
Vorschlag aus Gemeinderat: Probewohnen und Gruppenangebote
Gemeinderat Ingmar Schiedel begrüßt die preisliche Neuausrichtung des Betreuten Wohnens Plus. Die bisherige Öffentlichkeitsarbeit habe er so wahrgenommen, dass sie das Grundversprechen transportiere: „Pfaffenhofener können in Pfaffenhofen bleiben.“ Um das Wohnprojekt gezielter bekannt zu machen, schlägt er vor, Gruppenangebote im Rahmen von Seniorennachmittagen zu platzieren. Im besten Fall könne man so Interessierte erreichen, die gemeinsam einziehen möchten: „Wenn es mehrere sind, die vielleicht schon befreundet sind, ist die Bereitschaft eine ganz andere.“
Sabine Martin regt an, das Angebot noch gezielter in der Region zu bewerben. Viele Menschen hätten vermutlich auch gar nicht mitbekommen, dass das Konzept im Herbst 2024 zum Betreuten Wohnen Plus weiterentwickelt wurde. Auch die unkonventionelle Idee von Andreas Harsch findet Anklang: Er schlägt vor, ein „Probewohnen“ zu ermöglichen, um erste Bewohnerinnen und Bewohner für die Wohngemeinschaft zu gewinnen. Der ASB nimmt diesen Vorschlag dankbar auf.