KVBW erntet scharfe Kritik für Schließung von Bereitschaftspraxen
Die geplante Schließung von 18 Bereitschaftspraxen in Baden-Württemberg sorgt für massiven Unmut – besonders in Brackenheim. Bei einer Bürgerveranstaltung sah sich KVBW-Vizechefin Doris Reinhardt heftigen Vorwürfen und großem Frust gegenüber. Trotzdem verteidigt sie die umstrittene Reform des hausärztlichen Bereitschaftsdiensts.

Doris Reinhardt ist Gegenwind gewöhnt. Seit Anfang des Jahres spricht die stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) bei Bürgerveranstaltungen über die Neuausrichtung des hausärztlichen Bereitschaftsdiensts. Dazu muss sie sich für die Schließung von 18 Bereitschaftspraxen im Land verantworten. In Brackenheim, wo Reinhardt zwei Wochen vor Schließung der dortigen Praxis zum 30. November sprach, steckte die KVBW-Vertreterin massive Kritik ein.
KVBW unter Druck: Massive Kritik an Praxisschließungen
Den eigenen Reformkurs, mit dem der Bereitschaftsdienst künftig gebündelt und attraktiver für Hausärzte werden soll, verteidigte sie. Die KVBW komme ihrem Auftrag nach, die ambulante medizinische Versorgung sicherzustellen, so Reinhardt, die auf alle Zuschauerfragen einging, bestehende Probleme jedoch ausblendete.
„Ich verstehe, dass wir eine unpopuläre Entscheidung treffen“, sagte Reinhardt. Sie könne den Ärger der Bürger nachvollziehen, aber das „ändert nichts an der Entscheidung“. Der KVBW gehe es nicht darum, der Bevölkerung etwas wegzunehmen. Doch der demografische Wandel bei Hausärzten mache eine Neuorganisation nötig.
Umstrittene Reform: Bevölkerung fürchtet Verschlechterung der Versorgung
Rund 70 Arztsitze seien im Stadt- und Landkreis Heilbronn unbesetzt, mehr als ein Drittel der Hausärzte ist über 60 Jahre alt. Der Trend geht zur Festanstellung, junge Ärzte wünschten sich eine bessere Work-Life-Balance. Die KVBW will deshalb die Kräfte an den Standorten mit Klinikanschluss bündeln, um den Bereitschaftsdienst „nicht als Belastung hochzuhalten“.
Doris Reinhardt stellte eingangs vor, wie der Bereitschaftsdienst ab 1. Dezember organisiert ist. Patienten sollen verstärkt über die Notrufnummer 116 117 gesteuert werden. Rund um die Uhr sei eine medizinische Fachkraft erreichbar – in „hoffentlich nicht mehr als zehn Minuten“. Nicht länger als drei Minuten würde es dauern, bis Patienten mit einem „Arzt am Ohr“ verbunden würden – und das unter der Nummer, bei der sich zu Spitzenzeiten 500 Menschen pro Stunde melden.
Neue Struktur im Bereitschaftsdienst: Zweifel an Telefon- und Telemedizin-Konzept
Eine neue Telefonanlage und mehr Personal würden die Telemedizin aber verbessern, so Reinhardt. „Stundenlanges Warten gibt es nicht mehr.“ Bei akuten Beschwerden – „Wir reden nicht über Notfälle!“ –, etwa bei starkem Schwindel „oder wenn eine Autofahrt zu gefährlich ist“, könnten Patienten, die nicht in eine Bereitschaftspraxis kommen können, auch Hausbesuche in Anspruch nehmen. Die Fahrdienste sollen als Arzt-Fahrer-Tandems verbessert werden. „Wir sind hinterher, wenn diese Dienste nicht angetreten werden.“
Die Bereitschaftspraxis in Brackenheim war Anlaufstelle für 8000 Patienten im Jahr. Laut Rolf Kieser vom Gesundheitsförderverein war sie organisatorisch und personell bestens aufgestellt. Dass dies zerschlagen wird, sei „nach wie vor nicht nachvollziehbar“. Die Wahl der zu schließenden Praxen sei jedoch nicht auf Basis der Fallzahlen getroffen worden, entgegnete die KVBW-Vertreterin. Alle Praxen, die schließen, „haben funktioniert“.
Praxisschließungen trotz funktionierender Strukturen sorgen für Empörung
Kriterium sei stattdessen gewesen, dass 95 Prozent der Bevölkerung bei akuten Beschwerden eine Praxis in 30, maximal 45 Fahrminuten aufsuchen können. „Sie entscheiden, wohin Sie fahren“, so Reinhardt. Vorzugsweise seien das die Standorte in Heilbronn oder Bietigheim-Bissingen, wo Arztstunden bei Bedarf weiter aufgestockt werden und es schon ausreichend Kapazitäten gebe. „Wenn wir Ihnen das zumuten, dann weil es dort keine langen Wartezeiten gibt“, so Reinhardt, die spontanes Gelächter erntete und sich selbst widersprach: Weil Fachärzte den Bereitschaftsdienst ableisten, könne es auch mal länger dauern. „Sie sind in dieser Wartezeit nicht gefährdet“, betonte Reinhardt.
Bei allem Verständnis für die Veränderungen sei die Schließung der 18 Praxen ein Tiefschlag, sagte Brackenheims Bürgermeister Thomas Csaszar, der die KVBW aufforderte, die medizinische Versorgung auf dem Land nicht zu vergessen. „Die Ersatzmodelle funktionieren nicht“, sagte Jürgen Sauer. Er bemängelte auch die Kommunikation seitens der KVBW: „Es wurde bis heute kein Gespräch vor Ort gesucht. Das hat zu übler Verbitterung geführt.“
Fehlende Kommunikation verschärft Frust
Kritik von Besuchern – etwa, dass die Rufnummer 116 117 schlecht erreichbar sei, es im Heilbronner SLK-Klinikum keinen „gemeinsamen Tresen“ zur Patientensteuerung gibt, Fahrdienste noch nicht aufgestockt seien und die Entfernungen zu den Bereitschaftspraxen nicht stimmten – wehrte KVWB-Vertreterin Doris Reinhardt ab. Dass mit der Schließung der 18 Bereitschaftspraxen im Land die Patientenzahlen in Notaufnahmen wie Karlsruhe oder Göppingen zugenommen hätten, seien Gerüchte. Der Druck auf die Notaufnahmen entstehe durch auflaufende Patienten, die keine Notfälle sind.
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