Nach Ausgrabungen auf Ipai-Gelände: Römischer Gott kehrt nach Heilbronn zurück
Die archäologischen Grabungen auf den Heilbronner Steinäckern förderten Anfang 2025 Unerwartetes zutage. Die Römer huldigten hier dem Gott des Handels. Mehrere Exponate werden 2026 im Museum im Deutschhof gezeigt.

„Heilbronn ist eine der fundreichsten archäologischen Regionen in Deutschland“, sagt Judith Wötzel. Weil sich hier seit der Jungsteinzeit jede Menge Leben abgespielt habe, so die Kuratorin für Archäologie im Heilbronner Museum im Deutschhof. Und doch haben die Ausgrabungen auf den Steinäckern in Neckargartach Unerwartetes zutage gefördert. Dort, wo künftig mit dem Innovationspark für Künstliche Intelligenz (Ipai) das Herz der europäischen KI-Forschung schlagen soll, haben einst die Römer gewohnt und dem Gott des Handels gehuldigt.
Das Landesamt für Denkmalschutz hat jetzt eine neue Schrift über die Ausgrabungen 2024 in Baden-Württemberg herausgegeben. Gemeinsam mit Sybil Harding und Klaus Kortüm hat die Historikerin und Archäologin Andrea Neth zusammengetragen, was auf rund 30 Hektar im Boden Neckargartachs schlummerte.
Für die frühere für den Raum Heilbronn zuständige Wissenschaftlerin im Regierungspräsidium Stuttgart wohl eindrücklichste Befund sei der „Nachweis der römischen Fernstraße, die von Süden kommend das Kastell in Heilbronn-Böckingen mit dem circa zehn Kilometer nördlich liegenden in Wimpfen verband“, so Neth.
Wissenschaftler: Funde in Heilbronn sind eine außergewöhnliche Neuentdeckung
Die Funde ließen nicht nur wegen der auf rund 500 Metern nachgewiesenen Fernstraße aufhorchen. Denn die Archäologen stießen auch auf Spuren einer unbekannten Siedlung, die ungewöhnlichen Charakter hatte. Die Historiker sprechen dabei von einem Vicus, also einer kleinen römischen Ansiedlung ohne Stadtrechte. Für Andreas Thiel, Fachbereichsleiter für die Römerzeit in Baden-Württemberg im Landesamt für Denkmalschutz „ist das eine außergewöhnliche Neuentdeckung“.

Denn bisher kannte man auf dem flachen Land nur vereinzelt sogenannte Gutshöfe (Villa). Der Fund in Heilbronn sei umso bedeutender, so der Historiker, als er nachweist, dass sich in geringer Nähe zu den römischen Kastellen Böckingen und Wimpfen eine weitere Ansiedlung befunden hat.
Zu den Besonderheiten in Neckargartach gehört darüber hinaus ein 2,90 Meter auf 3,20 Meter kleiner Tempel, der Merkur, dem Gott des Handels, gewidmet war. Das lasse vermuten, dass die Ansiedlung eine Art Raststation mit Handelsmöglichkeiten entlang der Straße oder eine Anlaufstelle für Landwirte war, die dort auf einem Markt ihre Waren verkauft haben, so Thiel. Die Archäologen fanden auf den Steinäckern einen gut erhaltenen Kopf des Merkur aus Sandstein sowie dessen Hand, die einen vollen Geldbeutel hält.
Archäologen fanden in Neckargartach ungewöhnliche Gräber
Neben Resten von Holzbebauung und Brunnen fand das Grabungsteam auch ungewöhnliche Gräber. „Eine römische Brandbestattung lag nahe dem Merkurtempel an der Straße“, schreibt Andrea Neth. Hinweise auf ein Gräberfeld gebe es aber nicht. „Vielleicht darf man die Bestattung daher eher mit dem Tempel in Verbindungbringen, wie gelegentlich auch andernorts beobachtet“, so die Historikerin.
Als sehr ungewöhnlich bezeichnet Andrea Neth zwei Körpergräber am Straßenrand. Dabei könnte es sich um irreguläre Bestattungen gehandelt haben. In beiden Gräbern fanden sich noch Schuhnägel. „Die Toten hat man offenbar beigabenlos, aber bekleidet in die Gruben gelegt“, schreibt das Autorenteam.
Derweil sind die Umbauarbeiten im Museum im Deutschhof in vollem Gange. Denn laut Judith Wötzel eröffnet die städtische Einrichtung Mitte Januar 2026 im ersten Obergeschoss auf rund 250 Quadratmetern eine neue Dauerausstellung. Mit von der Partie sollen auch die Funde sein, die das Grabungsteam in filigraner Kleinarbeit aus dem Erdreich der Steinäcker herausgearbeitet hat.
Von der Steinzeit bis ins Mittelalter: Dauerausstellung im Museum im Deutschhof
Die Dauerausstellung wird Exponate aus der Region von Jungsteinzeit bis ins Mittelalter zeigen. Wann die neuen Funde aus Neckargartach zu sehen sein werden, steht noch nicht fest. Denn noch arbeiten die Wissenschaftler an der Restaurierung und Inventarisierung der Fundstücke.
Judith Wötzel geht aber davon aus, dass die Exponate nach Absprache mit dem Landesamt für Denkmalschutz sowie dem zentralen Fundarchiv des archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg spätestens im kommenden Frühjahr im Heilbronner Deutschhof bestaunt werden können. Fachbereichsleiter Tiehl hat jedenfalls schon mal grünes Licht gegeben. „Wir werden die Exponate sehr gerne ausleihen.“

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