Über die Wintermonate können Wohnungs- und Obdachlose wieder in den Mitarbeiterräumen des Freibads Neckarhalde schlafen. In der vergangenen Saison gab es 1742 Übernachtungen. Um diese zu finanzieren, verkauft die Aufbaugilde erneut Oberteile, Schals und Handschuhe unter dem Motto „spendet Wärme“. 2024 fanden 1328 Menschen Hilfe und Beratung in der Wohnungsnotfall- und Suchtkrankenhilfe. amo
Aufbaugilde: Warum das Fahrwasser nach dem Sturm ruhiger geworden ist
Künftig wird es mit Gerald Bürkert nur noch einen Geschäftsführer geben. Die Aufgaben wachsen, doch die Gelder werden weniger. Spenden bleiben weiterhin essenziell.

„Das Überleben ist gesichert. Wir sind wirtschaftlich konsolidiert.“ Dagmar Lägler, Vorsitzende des Vereins Aufbaugilde Heilbronn, bringt die aktuelle Lage auf den Punkt. Gleichzeitig gilt: „Ohne Spenden und ohne Ehrenamtliche geht es nicht.“
Der Gürtel wird enger geschnallt. So muss es statt zweier Geschäftsführer künftig mit einem gehen. Frank Hanser hat den Betrieb auf eigenen Wunsch verlassen, Gerald Bürkert lenkt nun die Geschicke des diakonischen Sozialunternehmens allein. Die Stärkung der zweiten Führungsebene sei deshalb wichtig, sagt Joachim Drauz vom Vorstand des Vereins. 2024 hatte es Stimmen gegeben, die daran zweifelten, dass zwei Geschäftsführer nötig seien. Jahrelang war die Aufbaugilde mit einer Doppelspitze gefahren, in der Vergangenheit hatte es allerdings auch mehr Aufgabenfelder gegeben.
400 Mitarbeiter sind derzeit dort beschäftigt. „Unser vorrangiges Ziel ist, dass wir aktionsfähig bleiben“, so Drauz. „Wenn Maßnahmen nicht mehr tragbar sind, müssen wir sie beenden, selbst, wenn wir Mitarbeiter verlieren. Wir sind getrieben von Entscheidungen der Politik.“
Warum manche Schließungen auch Chancen bieten
Einsparungen, Schließungen ganzer Bereiche: Der Weg zur Konsolidierung war steinig. Schulungszentren, die Schreinerei und der Lager- und Logistikbereich sind und bleiben zu. Das birgt aber teilweise auch Chancen.
Der Leerstand des Lagerbereichs etwa bietet der Susanne-Finkbeiner-Schule (SUS) mehr Platz, die sie für Klassenräume nutzen kann. Vor elf Jahren gegründet, ist sie auf derzeit 600 Schüler gewachsen. Ihr Ziel ist es, Jugendliche zum Abschluss zu bringen, die an anderen Schulen durch alle Raster gefallen sind. Manche haben aber auch sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) besucht, an denen Abschlüsse gar nicht vorgesehen sind.
Um den Umbau und die Renovierung der SUS zu planen, wurde jetzt eine Projektstelle eingerichtet. 2027, so das Ziel, könnten die Arbeiten starten. Vorausgesetzt, gezieltes Fundraising und Spenden ermöglichen dies. „Als Träger können wir das nicht alleine schaffen. Wir werden auf Spenden angewiesen sein“, sagt Gerald Bürkert. Zudem solle es Gespräche mit dem Land geben.
Aufbaugilde fürchtet bis zu 80.000 Euro Entsorgungskosten für Müll-Spenden
Spenden braucht die Aufbaugilde auch weiterhin im Secondhand-Kaufhaus. Nur: die Qualität muss stimmen. Viele soziale Träger haben ihre Containerstandorte aufgegeben, so dass Menschen nach wie vor Unbrauchbares in die Austraße bringen. Im Kaufhaus stapelt sich die Ware. Bis zu 80.000 Euro Entsorgungskosten könnten nun den Betrieb belasten, doppelt soviel wie im Jahr zuvor. Eine enorm hohe Summe, besonders, weil sich die Produkte, die verkauft werden, im Centbereich bewegen. Menschen mit wenig Geld nutzen das Kaufhaus gern, wie Untersuchungen belegen. „Damit bleiben wir in der Gemeinnützigkeit“, so Bürkert.
Gleichzeitig ist die maximale Abnahmemenge für Kleiderspenden derzeit auf zwei Säcke beschränkt. Trotzdem „sollen sich die Leute auf keinen Fall abgeschreckt fühlen, uns Spenden zu bringen“, sagt Bürkert. „Wir sind auf gute Ware angewiesen.“
Weiterhin rückläufig sind die Zuweisungen Langzeitarbeitsloser, weil weniger Geld vom Bund kommt, „obwohl die Bedarfe stetig steigen“. Mit Arbeitsgelegenheiten, Menschen, die Sozialstunden leisten, Ehrenamtlichen oder Klienten der Wohnungsnotfallhilfe überbrückt die Gilde die Lücke. Sehr angespannt ist die Situation in der Aufbaugilde-Zeitarbeitsfirma Optimumm wegen konjunktureller Einbrüche in der Autobranche. Gab es Mitte des Jahres noch 30 Mitarbeiter, ist ihre Zahl aktuell auf 15 geschrumpft.
Dass immer mehr Menschen Hilfe brauchen, wird auch in der Schuldnerberatung deutlich. „Die Anzahl der Verfahren steigt immer weiter, und sie werden komplexer“, so Bürkert. Dank der positiven Stadtentwicklung Heilbronns verteuere sich der Wohnraum. „Das schlägt sich in steigender Wohnungsnot nieder.“ Die Nachfrage nach Eingliederungsheim, Aufnahmehaus und beim ambulant betreuten Wohnen ist hoch. Acht Tiny Houses der Aufbaugilde, vier im Land- und vier im Stadtkreis, sind belegt.

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