AOK-Diskussion in Heilbronn: Was hilft, um die Arbeit als Arzt attraktiver zu machen
Beim AOK-Gesundheitscheck in Heilbronn diskutierten Experten über die Zukunft der ambulanten Versorgung und Wege aus der Arztkrise. Themen wie Fachkräftemangel, Digitalisierung und neue Praxisstrukturen standen im Mittelpunkt der Debatte.
Woran krankt das Gesundheitssystem? Was würde die ambulante Versorgung verbessern? Darüber diskutierte Moderatorin Tanja Ochs, stellvertretende Chefredakteurin der Heilbronner Stimme, beim AOK Gesundheitscheck mit Experten aus der Region. Als Arzt mehr Aufgaben an Mitarbeiter delegieren, stärker auf Digitalisierung setzen, in Gemeinschaftspraxen zusammenarbeiten und einen Fokus auf die Expertise des Hausarztes legen: Dr. Susanne Bublitz, Allgemein- und Notfallmedizinerin aus Pfedelbach und Vorsitzende des Hausärzteverbands Baden-Württemberg, präsentierte viele Ansätze, die die Situation aus ihrer Sicht verbessern würden.
Podiumsdiskussion in Heilbronn: Als angestellter Arzt zu arbeiten, ist inzwischen sehr beliebt
Wie es in den Praxen, den Kommunen oder bei der AOK aussieht, davon zeichneten auch Erwin Köhler als Landtagsabgeordneter des Wahlkreises Eppingen, Obersulms Bürgermeister Björn Steinbach und Jürgen Graf, Bereichsleiter Versorgungsgestaltung der AOK Baden-Württemberg, während der Podiumsdiskussion ein anschauliches Bild. Das Gesundheitssystem unter Druck und zu viele Menschen, die im Wartezimmer sitzen: „Gehen die Deutschen zu oft zum Arzt?“, wollte Tanja Ochs von Susanne Bublitz wissen. Dass die Frequenz im internationalen Vergleich tatsächlich hoch ist, bestätigte die Medizinerin. Neun bis elf Kontakte habe jeder Deutsche im Jahr.

Noch nie habe es so viele Mediziner gegeben, das Bild Hausarztes, der von früh bis spät im Einsatz sei, gern unterstützt von seiner mitarbeitenden Ehefrau, sei allerdings Geschichte. „Viele arbeiten als Angestellte, vor allem Frauen.“ 5000 Hausärzte fehlten, so Tanja Ochs, 1100 kassenärztliche Sitze in Baden-Württemberg seien unbesetzt. „Wir haben 20 Jahre Fehlverteilung hinter uns“, sagte AOK-Bereichsleiter Jürgen Graf. Auch eine Effizienzsteigerung in den Praxen sei nötig.
Es gebe eine greifbare Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der aktuellen Situation, so Erwin Köhler. Die Schließung des ärztlichen Bereitschaftsdiensts in Brackenheim etwa frustriere die Menschen. „Das ist ein emotionales Thema. Und bei der kommenden Welle von Ärzten, die in Ruhestand gehen, müssen wir uns steuernde Elemente überlegen.“ Ein Beispiel seien kommunale Anschubfinanzierungen.
Experten diskutieren in Heilbronn: Der Weg zum Facharzt ist oft lang
In einem von mehreren Film-Einspielern berichteten Menschen von ihrem langen Weg zum Facharzt. Eine Frau hatte sieben Gynäkologen angeschrieben, fünf sagten direkt ab, zur Vorsorge kommen durfte sie schließlich nach vielen Monaten. Eine andere berichtete, dass sie wochenlang auf einen Termin warten würde, „wenn ich nicht direkt sage, dass ich privatversichert bin“. „Haben wir ein Terminproblem?“, fragte Tanja Ochs. Die Fachleute sahen das Problem eher im nicht kanalisierten Ansturm auf Facharztpraxen. „Ich glaube, der Hausarzt hat ein gutes Gespür dafür, wen er dringend überweisen muss“, sagte Jürgen Graf.
Bublitz stimmte ihm zu. „Ein Problem ist, dass die Menschen häufig ungesteuert den Facharzt besuchen. Aber einen Asthmapatienten versorgen wir als Hausärzte genauso wie jemanden, der Blasenentzündung hat.“ Und ob der Patient privatversichert sei oder gesetzlich, spiele in einer Hausarztpraxis auch kaum eine Rolle.
Personell eng wird es mit der medizinische Versorgung auf dem Land. „Ich mache mir Sorgen, ob Ärzte nachkommen“, sagte Bürgermeister Steinbach. „Wir müssen schauen, wie es weitergehen kann.“ Mittlerweile kenne er keine Kommune mehr, die nicht gebaut habe oder Liegenschaften anbiete, damit die Versorgung gesichert sei. Attraktiver werde der Hausarztberuf, wenn mehr Teampraxen gebildet würden, so Bublitz. „Ich denke, das ist die Zukunft“, stimmte der Bürgermeister zu. „Den Einzelkämpfer in der Praxis wird es so vermutlich nicht mehr geben.“