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Verletztes Wildschwein gefilmt
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Video zeigt Drückjagd in Jagsthausen: Kritik gegen Jäger – „tragen große Verantwortung“

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Anwohner beobachteten in Jagsthausen, wie ein verletztes Wildschwein von Jagdhunden gestellt wurde. Der Vorfall wurde gefilmt und stößt auf Kritik, während Jäger das Geschehen erklären.


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Es sind Szenen, die Miriam Bauer wohl so schnell nicht vergessen wird. „Wir hörten einen lauten Schuss, als wäre er direkt vor unserem Fenster abgefeuert worden“, beginnt die 47-Jährige aus Jagsthausen ihre Schilderung. Gemeinsam mit ihrem Vater Franz eilte sie in den Garten. Was sie dort sahen, „ging durch Mark und Bein“, erzählt sie im Gespräch mit der Heilbronner Stimme.

Bauer veröffentlichte auf Instagram ein Video von den Szenen in Jagsthausen. Dieses löste Empörung aus – dabei handle es sich um einen Einzelfall, wie der Kreisjägermeister des Deutschen Jagdverbands in Heilbronn deutlich macht.

Wildschwein kämpft ums Überleben: Drückjagd in Jagsthausen wird kritisiert

Auf dem angrenzenden Acker, mit Blick auf den Jagsthausener Wald, bot sich ein chaotisches Bild. „Wildes Hundebellen und panisches Quieken“, beschreibt Miriam Bauer die Szene. Drei Jagdhunde bissen und zerrten an einem Wildschwein.

Miriam Bauer reagierte schnell und filmte das Geschehen. Ihr Vater versuchte lautstark die Hunde zu vertreiben. Weitere Anwohner wurden aufmerksam. Vom Waldrand her riefen drei Jäger nach den Hunden, laut Bauer, um sie vom Schwein wegzubekommen, doch diese reagierten nicht. Das Schwein schrie weiterhin.

„Erst nach 20 Minuten“, so Bauer, „kam ein Jäger an das Schwein heran.“ Ihr Vater fragte, was das denn solle. Der Jäger soll lediglich entgegnet haben: „Heute ist Drückjagd, wissen Sie das nicht?“

Anschließend tötete er das Tier und zog es zu den anderen Jägern. Der Schock bei Miriam Bauer und ihrem Vater sitzt bis heute tief, erzählt sie.

Drückjagd in Jagsthausen: Wildschwein von Jagdhunden gestellt

„Ich bin wirklich nicht zimperlich“, sagt die 47-Jährige, dennoch habe sie den ganzen Tag gezittert und von den Schreien des Schweins geträumt. „Wenn die schon jagen müssen, sollen sie es richtig machen und das Tier nicht auf so qualvolle Weise sterben lassen“, meint Bauer.

Sie selbst ist seit Jahren Vegetarierin, steht der Jagd an sich jedoch nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber – ihr geht es um die Art und Weise. Sie informierte umgehend den Bürgermeister, das Landratsamt, die Ordnungsbehörde, PETA, den Deutschen Jagdverband und die Heilbronner Stimme. Zudem habe sie Anzeige erstattet. „Das war Tierquälerei. Das Schwein wurde nicht tierschutzgerecht erlegt“, sagt sie. Auch Beamte waren vor Ort, wie ein Sprecher der Polizei Heilbronn auf Nachfrage bestätigte.

Eine Sequenz aus den Aufnahmen von Miriam Bauer zeigt den Jäger, der sich über das Wildschwein beugt, umgeben von drei Jagdhunden. Von vorne nähert sich Franz Bauer dem Geschehen.
Eine Sequenz aus den Aufnahmen von Miriam Bauer zeigt den Jäger, der sich über das Wildschwein beugt, umgeben von drei Jagdhunden. Von vorne nähert sich Franz Bauer dem Geschehen.  Foto: privat

Kreisjägermeister Häußer: „Wir tun alles, um Tierleid zu vermeiden“

Edgar Häußer, Kreisjägermeister des Deutschen Jagdverbands in Heilbronn, kann die Aufregung verstehen, stellt aber einige Punkte klar. „Zunächst: Jagd ist notwendig“, sagt er. „Wir haben Überbestände an Schwarzwild in unseren Wäldern. Insbesondere wegen der afrikanischen Schweinepest müssen wir Wildschweine schießen, um unsere heimischen Hausschweinbestände zu schützen.“ Den Vorfall nahe Bauers Haus bedauert er, bezeichnet ihn jedoch als Einzelfall.

Das Wildschwein sei zuvor angeschossen worden, allerdings nicht tödlich. „Ein Schütze zielt auf das Herz, den sogenannten Kammerschuss. In 99 Prozent der Fälle treffen Jäger ihr Ziel“, erklärt Häußer. In diesem Fall habe der Schuss das Ziel knapp verfehlt. Das verletzte Schwein sei in Panik auf den Acker vor Bauers Haus gerannt. „Hierfür braucht man speziell ausgebildete Hunde, die das Tier verfolgen, stellen und festhalten“, erläutert der Jägermeister. „Unser Ziel ist es dann, das Tier so schnell wie möglich zu erlösen. Wir tun alles, um Tierleid zu vermeiden.“

Die lange Leidenszeit des Schweins erklärt Häußer mit den Umständen der Jagd. „Ein verletztes Tier kann in Panik mehrere Hundert Meter fliehen. Es braucht Zeit, um es aufzuspüren.“ Er betont, dass Jäger speziell geschult sind, um solche Szenen zu verhindern, und fügt hinzu: „Wir tragen eine große Verantwortung.“

Eine Drückjagd ist eine Jagd, bei der Tiere wie Rehe oder Wildschweine vorsichtig in Bewegung gebracht werden, damit Jäger sie besser sehen und erlegen können. Treiber und Hunde helfen dabei, das Wild langsam in Richtung der Jäger zu treiben. Diese Art der Jagd wird genutzt, um den Wildbestand zu kontrollieren und Schäden in Wäldern oder Feldern zu vermeiden.

Nach Drückjagd in Jagsthausen: Kritik an Jägern und Hunden 

Miriam Bauer kritisiert in ihrem Bericht, dass weder die Hunde noch die Jäger ausreichend ausgebildet gewesen seien. Häußer widerspricht: Vor einer Jagd würden alle Teilnehmer – sowohl die Hunde als auch die Jäger – geprüft. „Solche Vorfälle sind für Außenstehende schwer zu ertragen, aber wir Jäger werden oft zu Unrecht als die Bösen dargestellt“, sagt er. „Auch uns kostet es Überwindung, ein Tier zu töten. Wer das Gegenteil behauptet, ist nicht ehrlich oder ein großer Sprücheklopfer.“

Drückjagd in Jagsthausen: Jagdleiter äußert sich zu Vorwürfen

Die Drückjagd wurde von Hans-Sigmund Freiherr von Berlichingen, einem Mitglied der Familie des berühmten Götz von Berlichingen, organisiert. Der Jagsthausener Wald befindet sich in Familienbesitz. „Als Jagdleiter wurde ich nach der Jagd über den Vorfall informiert“, sagt von Berlichingen. Ziel der Jagd sei es gewesen, die Wildschwein- und Rehbestände im Gebiet zu reduzieren.

Am Ablauf sieht er nichts Falsches. Der Überlebenskampf des Schweins hätte nur bedingt verkürzt werden können. „Damit die Jagdhunde nicht gefährdet werden, führen die Hundeführer spezielle Messer mit sich, um das Tier schnell und tierschutzgerecht zu töten“, sagt er. Ein Schuss aus der Distanz sei in diesem Fall nicht möglich gewesen. „Ich bitte um Verständnis, dass der Tierschutz hier oberste Priorität hatte und das Leiden schnellstmöglich beendet wurde“, so der Freiherr abschließend.

Drückjagd in Jagsthausen: Video wurde veröffentlicht

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Miriam Bauer erhielt nach der Verbreitung ihrer Aufnahmen auf Instagram viel Zuspruch. 114 Nutzer kommentierten den Beitrag – die Kritik war deutlich. Rückmeldungen erhielt Bauer vom Landratsamt und von Jagsthausens Bürgermeister Roland Halter. „Ich bedauere und missbillige den geschilderten Vorfall ausdrücklich“, sagte er der Heilbronner Stimme. Er habe alle zuständigen Stellen informiert und versprochen, den Fall aufzuarbeiten. „Ich gehe davon aus, dass alle Parteien gehört werden, bevor eine Entscheidung getroffen wird.“

Ein weiterer verstörender Vorfall mit Wildtieren ereignete sich in Bretzfeld: Eine Frau entdeckte den Kopf eines Rehs in einem Eimer.

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Kommentare

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Jürgen Mosthaf am 19.12.2024 14:24 Uhr

Ich bin selbst Jäger und verarbeite sehr viel Wild aus beruflichen Gründen. Wir jagen selbst, primär um hochwertiges Wildbret für unsere Küche zu erhalten. Wir wissen woher das Wild stammt, haben dies lebend gesehen und versuchen es möglichst, so befremdlich das klingen mag, schnell und präzise zu erlegen. Vom Wald auf den Teller verfolge und führe diese Schritte persönlich durch. Abgesehen von Niederwild verarbeiten wir seit Jahren kein Wild mehr aus Drückjagden. Vor allem bei Schwarzwild wirkt sich Streß so stark auf die Fleischygiene aus, dass es eigentlich nicht mehr zum Verzehr geeignet ist. Ob Drückjagden an sich Tierschutzgerecht sind kann jeder nach solchen Aufnahmen für sich selbst beantworten. Ich selbst war in meiner anfänglichen Jagdzeit oft gern gesehener Gast auf Drückjagden, da wir viel Wild zugekauft hatten. Dort habe ich geschossenes Wild versorgt und bin letztendlich zu der Überzeugung gelangt, dass Schwarzwild, Rotwild und Rehwild für unsere Küche nur noch aus Ansitzjagd in Frage kommt. Die vermeintliche Notwendigkeit Wild durch große Jagdstrecken auf Drückjagden zu erlegen erklärt sich daraus, dass vor allem Schwarzwild, Rehwild und Rotwild zum Teil große Schäden in Land-, und Forstwirtschaft verursachen und von diesen Institutionen großer Druck auf die Jägerschaft zur sogenannten Dezimierung des Wildbestandes ausgeübt wird. Die Pflicht zur Durchführung von solchen Jagden wird den Jagdpächtern oftmals im Pachtvertrag festgeschrieben. Die Meinungen, wie hoch ein gesunder Wildbestand in einem Revier ist gehen bei Jagdpächter und Jagdgenossenschaften weit auseinander.

Jürgen Mosthaf

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Stefan am 19.12.2024 12:41 Uhr

Das ist keineswegs ein Einzelfall, solche Vorfälle spielen sich täglich zu Tausenden ab, nur bekommt man das in der Regel natürlich nicht mit!

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