Drastischer Anstieg: Immer mehr politisch motivierte Straftaten – auch in Heilbronn?
Höchststand bei der Anzahl politisch motivierter Straftaten: Behörden verzeichnen vor allem einen starken Anstieg antisemitischer Delikte nach dem Hamas-Angriff auf Israel. Wie sieht es in der Region Heilbronn aus?

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat es in Deutschland einen massiven Anstieg politisch motivierter Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt gegeben. Die Zahl der polizeibekannten Taten aus diesem Kontext betrug mit 4369 im vergangenen Jahr mehr als das 70-fache der 61 Delikte des Vorjahrs. Das geht aus der am Dienstag in Berlin von Bundesinnenministerium und Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichten Statistik zur politischen Kriminalität hervor.
"Seit dem 7. Oktober haben wir eine völlig andere Situation" in Deutschland, sagte BKA-Chef Holger Münch. Doch wie sieht es in der Region Heilbronn aus?
Zahl der politisch motivierten Straftaten drastisch gestiegen: Innenministerin sieht Gefahr durch Rechte Gewalt
Die Zahl der polizeibekannten politisch motivierten Straftaten hat mit 60.028 Delikten 2023 in Deutschland den höchsten Stand seit der Einführung der Statistik 2001 erreicht, mit einem Zuwachs von weniger als zwei Prozent im Vorjahresvergleich. Fast die Hälfte davon ist rechts motiviert. "Der Rechtsextremismus bleibt die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratien und die Menschen in unserem Land", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
Entgegen dem Trend: Insgesamt weniger politisch motivierte Straftaten in Baden-Wüttemberg
In Baden-Württemberg war die Zahl der politisch motivierten Straftaten im vergangenen Jahr rückläufig. Wie Innenminister Thomas Strobl (CDU) Anfang April mitteilte, gab es 2023 im Land 4855 politisch motivierte Straftaten. Gegenüber den 6205 Straftaten im Jahr zuvor ist das ein Rückgang um 21,8 Prozent. Das Innenministerium erklärte die Entwicklung vor allem damit, dass es weniger Taten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine gegeben habe.
Nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat vor allem die Zahl der antisemitischen Straftaten im Bundesland deutlich zugenommen. Seit dem 7. Oktober gab es demnach 315 antisemitisch motivierte Straftaten, davor waren es nur zwei. Im Gesamtjahr 2023 stieg die Anzahl antisemitischer Straftaten im Land auf den Höchststand von 668 Fällen.
Zweithöchster Wert an politisch motivierten Straftaten im Raum Heilbronn
455 politisch motivierte Straftaten zählte das Polizeipräsidium Heilbronn im vergangenen Jahr. Damit blieben die Taten unter dem Rekordwert des Jahres 2022, in dem es insbesondere zu versammlungsrechtlichen Verstößen bei den sogenannten Montagsspaziergängen gekommen war. Es handelt sich jedoch um den zweithöchsten Wert seit Bestehen des Präsidiums Heilbronn, heißt es in der Kriminalstatistik. Der Rückgang im Vergleich zu 2022 beträgt gut 30 Prozent.
Anstieg der Delikte in der Stadt Heilbronn
Einzig in der Stadt Heilbronn nahm politisch motivierte Kriminalität um 21,4 Prozent auf 102 Taten zu. Im Landkreis Heilbronn registrierte die Polizei 138 Straftaten (minus 40,5 Prozent) und im Hohenlohekreis sank die Zahl um gut 34 Prozent auf 65 Taten.
Auch in der Region gibt es mehr antisemitische Straftaten
In der Vergangenheit dominierte der türkisch-kurdische Konflikt fast ausschließlich das Straftatengeschehen, heißt es im Heilbronner Präsidium. Nach dem Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine sei 2022 ein weiterer Schwerpunkt durch Sachbeschädigungen und Propagandadelikte entstanden. Im Jahr 2023 führte der Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel zu einem neuen Schwerpunkt. Allein in diesem Zusammenhang wurden zehn antisemitische Delikte erfasst, darunter auch eine Gewalttätigkeit.
Einen deutlichen Anstieg um 76,8 Prozent verzeichnete die Polizei bei rechtsmotivierten Delikten. Sie kletterten auf 145 Fälle im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums Heilbronn. Ein Großteil davon ging auf Fremdenfeindlichkeit zurück. Bei den zwölf Fällen von Linksextremismus handelte es sich um Sachbeschädigungen, wobei oft ein Antifa- oder AfD-Bezug bestand.