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Heilbronner Ex-Richter Albrecht Merkt: Warum er im Ruhestand weiterarbeitet

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Nach der Rente weiterarbeiten macht Albrecht Merkt vor. Füße hochlegen ist für ihn keine Option. Stattdessen berät er jetzt Mandanten, die unangenehme Post vom Finanzamt erhalten haben.

Albrecht Merkt ist pensionierter Arbeitsrichter und arbeitet jetzt als Rechtsanwalt. Der passionierte Läufer legt drei Mal pro Woche zwischen 15 und 18 Kilometer zurück.
Albrecht Merkt ist pensionierter Arbeitsrichter und arbeitet jetzt als Rechtsanwalt. Der passionierte Läufer legt drei Mal pro Woche zwischen 15 und 18 Kilometer zurück.  Foto: Kümmerle, Jürgen

Von einem CDU-Gemeinderat kommt dieser Satz vielleicht unerwartet: „Ich mache mir Gedanken, ob das unter Umweltschutzgründen unbedingt sein muss, dass man überall hinfliegt.“ Der Heilbronner Albrecht Merkt hätte dazu vermutlich alle Möglichkeiten. Der 68-Jährige war Richter am Finanzgericht in Stuttgart, dort Vorsitzender eines Senats.

Laut Besoldungstabelle verdient man in so einem Amt gut 9600 Euro im Monat. Für viele wäre nun die Gelegenheit gekommen zu reisen. Nicht für den begeisterten Freizeitsportler. „Darin sehe ich nicht meinen Lebenssinn.“ Offiziell ist Merkt Pensionär. Er ist einer von vielen Ruheständlern, die weiterarbeiten.

Vom Finanzrichter zum Rechtsanwalt und Steuerberater

Anstatt ferne Länder zu bereisen, hat der Stadtrat im Heilbronner Gemeinderat das Angebot seines Ratskollegen Christoph Troßbach (45) angenommen und arbeitet seit seiner Pensionierung in dessen Kanzlei als Rechtsanwalt und Steuerberater. Wenn man so möchte, hat Merkt die Seiten gewechselt. Wer unangenehme Post vom Finanzamt erhält, bekommt vom promovierten Juristen Rechtsbeistand. Merkt formuliert es mit einem Augenzwinkern so: „Ich arbeite an Fällen, die eine steuerrechtliche Entstehung haben.“ Er versuche den Sachverhalt zu ergründen. „Dann denke ich über die rechtliche Lösung nach.“ Laufe es aus Sicht des Mandanten gut, wird das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Laut statistischem Landesamt Baden-Württemberg lebten Ende 2023 im Land etwa 2,38 Millionen Menschen, die älter als 65 Jahre alt sind. Das statistische Bundesamt hat errechnet, dass in Deutschland etwa 13 Prozent oder 1,4 Millionen Rentner im Alter zwischen 65 und 74 Jahren arbeiten. Aufs Land bezogen wären das etwa 300 000 Rentner, die weiterarbeiten. Motivation seien zu niedrige Renten oder der Wunsch, einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen. jükü

Akribisch arbeiten. Dafür war Merkt an vielen unterschiedlichen Stellen gefragt. Er war in der Finanzverwaltung tätig, war fünf Jahre Leiter der Steuerfahndung in Rottweil. „Eines Tages wusste ich, ich muss mich verändern.“ Mit Mitte 30 sei ihm eine Richterstelle am Finanzgericht in Stuttgart angeboten worden. Dort war er von März 1991 bis Juli 2024. Dazwischen wurde er zwei Jahre an das Bundesjustizministerium abgeordnet und war Referent für Steuerstrafrecht und Steuerrecht. Er prüfte Gesetzesentwürfe, die in den Bundesministerien entstanden waren. „Seither gibt es die Stelle.“ 2015 ging er zurück ans Finanzgericht nach Stuttgart und stieg zum Vorsitzenden Richter auf.

Drei Mal die Woche schnürt er die Laufschuhe

Statt auf der Couch sitzt Merkt als Freiberufler hinterm Schreibtisch. „Dass in vielen Fällen Arbeitsverhältnisse mit Erreichen des gesetzlichen Ruhestands enden, halte ich für zu starr. Warum sollte man jemanden ausbremsen, wenn er weitermachen möchte?“ Ausbremsen lassen, das ist etwas, was Merkt nicht zu passen scheint. Zipperlein haben ihn in letzter Zeit ausgebremst, regelmäßig joggen zu gehen.

Drei Mal die Woche zwischen 16 und 18 Kilometer sei er gelaufen. Dabei sortiere er Gedanken, löse Probleme, entwickle Ideen. Wie die, dass er seine Lebensgefährtin, die er vor vier Jahren kennenlernte, heiraten möchte. Da war Merkt bereits 65 Jahre alt. Laufen möchte er demnächst wieder.

Patchwork-Familie mit sechs Kindern

Seine Frau, die 14 Jahre jünger ist, brachte zwei Kinder mit in die Ehe. Damit ist die Patchwork-Familie Merkt auf sechs Kinder angewachsen. Dass seine Frau noch arbeite, habe ihn nicht in seiner Entscheidung weiterzumachen beeinflusst. „Die Frage stellte sich nicht.“ Vielmehr schätzt er die Struktur, die die Aufgabe in seinen Alltag bringe. „Durch die Arbeit lege ich mir freiwillig einen Zwang auf.“

Auch seine kommunalpolitische Haltung wäre eine andere, wenn er in Pension wäre, erklärt der begeisterte Schwimmer. „Durch die Kommunalpolitik vor Ort sieht man wie durch ein Brennglas, was politisch gestaltet und verunstaltet wurde.“

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