Stimme+
Serie: Mein Heimatort
Lesezeichen setzen Merken

Abstatt: Vom Bauerndorf zur „Perle des Schozachtals“

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Im Alter von zwölf Jahren zog Horst Schwarz nach Abstatt. Überall in der Gemeinde hat der Künstler und Grafiker Akzente gesetzt. Der Rälling ist sein Werk.

Der Rälling als Symbolfigur für Abstatt war einst die Idee des Grafikers und Künstlers Horst Schwarz. Überall im Ort, auch im Bürgerpark, sind die Skulpturen präsent.
Der Rälling als Symbolfigur für Abstatt war einst die Idee des Grafikers und Künstlers Horst Schwarz. Überall im Ort, auch im Bürgerpark, sind die Skulpturen präsent.  Foto: Claudia Kostner

Als er als Zwölfjähriger nach Abstatt kam, „war es ein kleines Bauerndorf, mit Miste vor jedem Haus“, erinnert sich Horst Schwarz. Steinenberg im Welzheimer Wald, wo er aufgewachsen war, sei fortschrittlicher gewesen. „Man hat am besten nicht gesagt, dass man in Abstatt wohnt. Einmal am Tag fuhr ein Bus nach Heilbronn“, so Schwarz. Erst als der Ort 1962 mit Friedrich Berret seinen ersten eigenen Bürgermeister wählte, sei es aufwärts gegangen: „Der hat ganz viel bewirkt.“ Heute, sagt der Grafiker und Künstler, „ist Abstatt für mich die Perle im Schozachtal“.

Sein Vater ist im Krieg gefallen, da war Horst Schwarz sechs Jahre alt. 1950 heiratete seine Mutter den Bruder seines Vaters – der Witwer lebte in Abstatt, war Kran- und Baggerfahrer bei Ensle in Heilbronn. „Die Abstatter haben uns gut aufgenommen, auch in der Schule habe ich gleich dazugehört“, sagt Schwarz. Zwei Lehrer habe es in der Volksschule gegeben. „Die erste bis vierte und die fünfte bis achte Klasse wurden gemeinsam unterrichtet.“

Kunst in Form von Spachteltechnik und Graffitos

Schwarz absolvierte eine Malerlehre in Heilbronn. Doch er strebte nach mehr: „Damals gab es viel Kunst am Bau und Wandgestaltung. Das habe ich in Stuttgart studiert, war ein halbes Jahr in der Schweiz.“ Zum Glück für Abstatt: Seine Kreativität ist untrennbar mit der jüngeren Ortsgeschichte verbunden. Kaum ein öffentliches Gebäude, das seit den 1960er-Jahren gebaut wurde, das nicht seine Handschrift trägt, oft mit der für ihn typischen Spachteltechnik oder in Form eines Graffito – sei es die Wildeckhalle, die Aussegnungshalle in Happenbach oder das evangelische Gemeindehaus „und viele Gebäude, die es schon gar nicht mehr gibt, wie die frühere Volksbank“, so das Mitglied des Heilbronner Künstlerbunds. 

Zusammen mit den Bürgermeistern wurde manche Idee geboren. Friedrich Berret rief das Straßenfest ins Leben, Horst Schwarz gestaltete das Plakat. Und zwar mit dem Rälling – dem ralligen Kater – bis dahin ein nicht gerade nett gemeinter Spitzname für die Abstatter. „Die anderen wollten Trauben, aber ich habe gesagt: Trauben haben alle. 33 Jahre lang war der Rälling auf dem Plakat, wenn Straßenfest war“, erzählt Schwarz. „Ein Katzensprung nach Abstatt“: Dieser Werbeslogan ist vielen in Erinnerung. Für die Happenbacher hat Schwarz die Eule vom Kaudenwald kreiert.

40 Rällinge zur Eröffnung des Bürgerparks

Mit Berrets Nachfolger Rüdiger Braun und dem Bau des Bürgerparks kam dann endgültig niemand mehr am Rälling vorbei. „,Horst, lass dir was einfallen’, hat er damals zu mir gesagt.“ Der Rohling für die Skulptur wurde in der Schweiz angefertigt. 40 Exemplare, das „Fell“ individuell von örtlichen Firmen und Schwarz gestaltet, wurden in der Nacht vor der Eröffnung im Bürgerpark platziert. Heute sind sie überall im Ort anzutreffen. „Das Highlight war zum 30. Partnerschaftsjubiläum der silberne Rälling im Kreisverkehr von Léhon: ein Ohr mit der französischen, das andere mit der deutschen Flagge“, schwärmt Schwarz, der zusammen mit Ehefrau Annelie selbst 30 Jahre lang am Austausch mit der Partnergemeinde teilgenommen hat.

Die Logos vieler Vereine hat der fünffache Großvater und zweifache Urgroßvater entworfen. In sämtlichen Broschüren der Gemeinde finden sich Spuren seines Wirkens. 2012 bekam er den Goldenen Rälling der Gemeinde, 2013 die Staufer-Medaille verliehen.  „Als Künstler in Abstatt – da ist man wer“, sagt Horst Schwarz. Nur seine Parkinson-Erkrankung hindert ihn daran, weiter zu wirken.

Abstatt ist sein Leben

Von der Kunst leben müssen – das wollte er nie, war stets als Grafiker festangestellt. Dafür ist ihm seine Frau Annelie dankbar, die er 1958 im Heilbronner Kaufhaus Merkur kennengelernt hat, wo er als Plakatmaler und sie als Verkäuferin arbeitete. „Ich wusste damals nicht einmal, wo Abstatt liegt“, sagt die Böckingerin. 1959/1960 war Horst Schwarz der erste Abstatter, der zur Bundeswehr eingezogen wurde. 1963 kamen die Zwillinge Angela und Oliver zur Welt. Viel Freizeitmöglichkeiten gab es nicht für die junge Mutter: „Die Damengymnastik des TGV war mein einziger Ausgleich.“

Mit Freude und Stolz blickt das Ehepaar auf die Entwicklung ihres Heimatortes. Kulturell sei viel geboten dank dem Arbeitskreis Kultur Akku und der Rälling-Bühne. Die Vereinslandschaft sei vielfältig. Mit Bürgerpark und neuer Ortsmitte habe sich Abstatt herausgeputzt. Auch den Cap-Markt wissen sie zu schätzen. Horst Schwarz: „Ich wollte nie woanders hingehen, und in Abstatt möchte ich begraben werden. Abstatt ist mein Leben.“

Die Gemeinde Abstatt mit ihren Ortsteilen Happenbach, Vohenlohe und Burg Wildeck hat rund 5000 Einwohner und ist traditionell geprägt vom Weinbau – in neuerer Zeit aber auch Standort für große Gewerbebetriebe. Die Ansiedlung von Bosch im Jahr 2000 nannte der damalige Bürgermeister Rüdiger Braun „einen Paradigmenwechsel“ und „eine zweite industrielle Revolution“. Seit 2011 ist Klaus Zenth Rathauschef. Unter seiner Regie entstand unter anderem die neue Ortsmitte, die an diesem Wochenende eingeweiht wird.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben