Buchtipp
Hans Wisskirchen: Zeit der MagierS. Fischer Verlag, Frankfurt / M.464 Seiten, 28 Euro
In einem neuen Buch geht Hans Wisskirchen dem Bruderverhältnis zwischen Heinrich und Thomas Mann nach
Zwei Brüder machen das, was Brüder machen: Sie streiten sich, sie vertragen sich, sie ignorieren sich und helfen sich. Da mochte der Graben noch so tief sein, für Thomas Mann war sein Bruder Heinrich niemanden, den er einfach ignorieren konnte, und umgekehrt war es genauso. Hans Wisskirchen hat sich auf mehr als 400 Seiten den beiden Schriftstellern angenommen. In „Zeit der Magier“ umkreisen sich die beiden Literaten wie ein hell leuchtendes Sternenpaar, von der Zentrifugalkraft voneinander weggetrieben und doch von der wie Gravitation wirkenden Verwandschaft und der Liebe zur Literatur zueinander hingezogen.Hans Wisskirchen folgt dem Lübecker Brüderpaar von den ersten literarischen Versuchen, über ihre Zeit in München, Thomas Manns Irrweg in den nationalen Taumel während des Ersten Weltkriegs bis zum Exil in den Vereinigten Staaten, wo Thomas Mann einer der prominentesten Propagandisten gegen das Deutschland ruinierende Naziregime wird und sein vier Jahre älterer Bruder Heinrich nur Dank der Unterstützung Thomas’ über die Runden kommt.
Dabei ist es der ältere der beiden Mann-Brüder, der weiter denkt, der voraus denkt, der zum öffentlichen Intellektuellen der Weimarer Republik wird und das wilhelminische Zeitalter längst abgehakt hat, während Thomas Mann dieser Schritt erst ab 1922 gelingt, nachdem Bruder Heinrich mit einer Bauchfellentzündung lebensgefährlich erkrankt war. Über den Ersten Weltkrieg war es zum Bruch bei den Manns gekommen, die sich erst Jahre nach Kriegsende wieder zusammenraufen, ohne der Bruderliebe zu erliegen. Man gewinnt eher den Eindruck eines Zweckbündnis, wo immer mal wieder einer der beiden auszubrechen versucht, ehe er von der Anziehungskraft des Bruders zurückgeholt wird.
Buchtipp
Hans Wisskirchen: Zeit der MagierS. Fischer Verlag, Frankfurt / M.464 Seiten, 28 Euro
Die Beziehung zwischen Heinrich und Thomas Mann ist vielschichtig, nicht nur in Briefen thematisiert, sondern auf allerlei Papier ausgetragen. In Romanen wird die Familiengeschichte verarbeitet ebenso wie die Ausschweifungen des jeweiligen Bruders, in Essays, Kritiken, keiner der beiden Manns ist jemals alleine. Hans Wisskirchen handelt die Korrespondenz, die Anspielungen, die Berichte ab, indem er erklärt, was geschrieben, was gemeint war. Kein einfaches Unterfangen, aber mit hinreichender Ausführlichkeit vom Autor gut umgesetzt. Und mit einem klaren Schwerpunkt versehen: der Sexualität. Das Werk von Thomas und Heinrich Mann dreht sich oft nicht nur um die eigene Sexualität, an deren sich die Manns lange entlanghangeln. In Italien beispielsweise, in Neapel, wo sich Heinrich Mann schon in Asien oder Afrika wähnte und deshalb auf Distanz blieb, während Thomas Mann die süditalienische Stadt schilderte wie eine junge, männliche Schönheit. Und in der er sich nach vier Tagen bereits fragte, ob sie ihn denn zugrunde richten würde.
Die Schilderungen aus Neapel sind plakativ, so direkt wie es sonst nicht allzu oft nachzulesen ist bei den Brüdern. Sie bedienen sich Bildern, manchmal schützen sie eine Rezension vor, um darin den Bruder zu bewerten – in dem Fall gerne um ihm die Leviten zu lesen – und manchmal bedarf es etwas mehr als nur das Wissen über schnöde Worte und der Leser darf sich glücklich schätzen, dass Hans Wisskirchen tatsächlich einen guten Überblick hat über das Bruderverhältnis, wie man es vom Präsidenten der Deutschen Thomas Mann-Gesellschaft erwartet. Nicht dass es dadurch viel einfacher würde, aber die einordnenden und erklärenden Ausführung Wisskirchens machen Bruderzwist und gegenseitige Wertschätzung nachvollziehbar.Der Leser kann gut nachvollziehen, wie sich die beiden hell leuchtenden Sterne der deutschen Literatur eng umkreisen, wie Thomas Mann im Ersten Weltkrieg taumelt und um Zweiten Weltkrieg mit Schwung den Ausgang „antifaschistische Agitation“ nimmt, während sein Bruder Heinrich im Schatten Thomas’ nach und nach immer mehr an Bedeutung verliert.
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