Wo die Hoffnung leuchten darf: „Jesus Christ Superstar“ bei den Burgfestspielen Jagsthausen
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„Jesus Christ Superstar“ erzählt die Passionsgeschichte aus der Sicht des Verräters. Christoph Biermeier inszeniert die Rock-Oper bei den Burgfestspielen Jagsthausen als temporeiche Bilderfolge. Vor allem musikalisch und gesanglich gefällt der Abend.
Jesus (Denis Fischer) in den Fänger römischer Soldaten: Andrew Lloyd Webbers Musical aus den Siebzigern verhandelt die letzten sieben Tage im Leben des charismatischen Religionsstifters.
Foto: Tobias Metz
Er offenbart ganz unterschiedliche Seiten von sich, dieser Jesus von Nazareth. Lässig lächelnd erteilt er seinen Anhängern Rat. Wutentbrannt vertreibt er Händler und Geldwechsler aus dem Jerusalemer Tempel. Erschöpft blickt er auf die vergangenen drei Jahre zurück, die ihm wie 30 vorkommen. Verzweifelt fragt er Gott, was sein Tod bringen soll. Und fasziniert in all dem nicht nur Maria Magdalena und Judas Iskariot, die zu begreifen versuchen, was den Mann und seine Anziehungskraft bloß ausmachen.
Auch beim Publikum ist diese Sicht auf die Lichtgestalt sowie die letzten sieben Tage ihres Lebens ein Dauerbrenner. Schon mehr als 50 Jahre hat „Jesus Christ Superstar“ auf dem Buckel. Jenes Musical von Komponist Andrew Lloyd Webber und Librettist Tim Rice, das aus einem Konzeptalbum hervorging, 1971 am Broadway uraufgeführt, seither zweimal verfilmt wurde und nun in der Regie von Christoph Biermeier Premiere bei den Burgfestspielen Jagsthausen hatte.
2016 hatte sich Biermeier mit diesem Stück als Intendant von den Freilichtspielen Schwäbisch Hall verabschiedet, in Jagsthausen bringt er in dieser Saison die Passion Christi als temporeiche Bilderfolge auf die Bühne, kostet dabei auch schrille Szenen aus und überzeichnet einige Figuren bis zur Karikatur. Vor allem musikalisch, aber auch sängerisch gefällt der Abend.
Eine Rock-Oper, die auch andere Stilrichtungen einbindet
Als Rock-Oper bezeichnet, ist „Jesus Christ Superstar“ durchkomponiert, also ohne gesprochene Passagen, in Wahrheit ein Stilmix, der auch Elemente aus Soul und Folk einbindet, und mit vielen eingängigen Songs aufwartet. Die werden vom Orchester um Felix Meyerle prima interpretiert. Inmitten lautstarker Kollektivnummern stechen auch anrührende Soli heraus.
Glaube, Liebe und Verrat – die Themen, die Webber und Rice verhandeln, sind zeitlos. Wobei die Jagsthausener Inszenierung optisch unentschieden den Anschluss an die Gegenwart sucht: Stephanie Traut hat das Ensemble in altertümlich-futuristische Kostüme gesteckt. Da geraten Jesus’ diverse Partytruppe aneinander mit Knüppel schwingenden römischen Soldaten, die einen Mix aus antiker Tunika und moderner Swat-Uniform tragen. Auf Tablets wischen die jüdischen Hohepriester herum, die Biermeier als leichenblasse Glatzköpfe in langen, schwarzen Gewändern zeigt. Nosferatu lässt grüßen. Von Walking Acts bei Straßenkunst-Festivals kennt man die blinkenden LED-Kostüme der Engel, die den hymnischen Titelsong intonieren, während Jesus vor der finalen Kreuzigung blutig geschlagen am Boden liegt.
Dass die Hoffnung zuletzt stirbt, ist eine Binse: Auf der Bühne von Anne Brüssel leuchtet in überdimensionierten Lettern immer wieder plakativ das Wort „Hope“ auf und spitzt sich der Konflikt zwischen Jesus und Judas zu, aus dessen kritischer Perspektive die ganze Geschichte erzählt wird. Aus Sorge um die ausufernde Begeisterung um den Wanderprediger wird der Jünger zum Verräter und nimmt sich später reuig das Leben.
Über den Komponisten
Längst gilt Andrew Lloyd Webber als Musical-König. Geboren 1948 in London, legten die Eltern den Grundstein der außergewöhnlichen Karriere: Sein Vater war Komponist, seine Mutter Pianistin. Schon als Schüler schrieb Webber Musik, ein Kunstgeschichtsstudium in Oxford brach er ab zugunsten eines Studiums am Royal College of Music. Mit „The Likes of Us“ veröffentlichte der Komponist 1965 sein erstes Musical. Zu seinen Hits zählen: „Joseph and the Amazing Technicolour Dreamcoat“, „Jesus Christ Superstar“, „Evita“, „Cats“, „Starlight Express“ und „Das Phantom der Oper“.
Jesus, Maria und Judas sind ein stimmstarkes Trio
Antonio Calanna agiert in dieser Partie emotional fast durchgängig am Anschlag. Sein Judas ist ein Getriebener, dessen Zorn allzu oft überhandnimmt. Weniger wäre hier mehr gewesen. Denis Fischer spielt den Titelhelden nuancierter und erinnert mit Mantel und langen Haaren entfernt an Jeff Bridges als coolen „Dude“ Lebowski. Fischers Christus ist ein Menschenfänger, der sich in dieser Rolle durchaus gefällt, die ihn aber auch erschöpft. Aswintha Vermeulen ist die Dritte in diesem stimmstarken Bunde, ihre Maria Magdalena umsorgt Jesus liebevoll, bewahrt ihn sozusagen vorm Burnout und muss ihn zum Schluss alleine am Kreuz beweinen.
Über eine auffallende Bühnenpräsenz verfügen auch Jeff Zach als römischer Statthalter Pontius Pilatus, der nicht mit ansehen kann, wie der Sozialrevoluzzer gefoltert wird, und Fabio Piana. Piana ist König Herodes und legt eine überdrehte Revuenummer hin. Kräftiger Beifall im Stehen am Freitag nach gut 90 kurzweiligen Minuten.
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