Wie Pinar Atalay die Weltlage in wenige Minuten packt
Vom Arbeiterkind zum bekannten TV-Gesicht: Die Nachrichtenmoderatorin Pinar Atalay spricht in Künzelsau über ihre Karriere. Und sie erklärt, warum sie von der ARD zu RTL gewechselt ist.

Wenn das Wi-Fi nicht funktioniert, wird sie schon mal nervös: Mit Kollegen aus dem RTL-Hauptstadtstudio unterhält Pinar Atalay eine Whatsapp-Gruppe. Als ihre Internetverbindung am Montag zeitweise unterbrochen ist, dringen zur Fernsehjournalistin keine Nachrichten durch. Ist Olaf Scholz noch Kanzlerkandidat der SPD? „Da ist permanent Bewegung drin“, erzählt die 46-Jährige abends im Carmen-Würth-Forum in Künzelsau von verrückten Tagen, in denen alles passieren kann. „Sie können nicht anders“, tippt Atalay übrigens bei der nächsten Bundestagswahl auf eine erneute Große Koalition.
Informationen sind Pinar Atalays Beruf. Die Weltlage verständlich in wenige Minuten, ja Sekunden zu packen, ihre Motivation. Dafür feilt die Nachrichtenmoderatorin, die ihre Texte alle selbst schreibt, mitunter bis zu eineinhalb Stunden an einem Satz, wie sie im Gespräch mit Bernadette Schoog erklärt bei einem ausgebuchten Termin der Gesprächsreihe „Treffpunkt Forum“.
Pinar Atalay: "Ich gucke auf die ganze Welt, da ist es egal, wo ich herkomme“
Vom Arbeiterkind zum bekannten TV-Gesicht: In knapp eineinhalb unterhaltsamen Stunden geht es um Pinar Atalays Karriere und Berufsalltag, um Hintergrundgespräche mit Politikern, die hohe Kunst des Interviews, Klimaproteste („Man muss sich nicht festkleben, aber einmischen“) und die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei von 2017 bis 2018. Aber auch darum, wie Atalay mit Anfeindungen im Netz umgeht und als Mutter Familie und Beruf unter einen Hut bringt: indem sie ihre Tochter möglichst oft mitnimmt, wie etwa zuletzt auf eine Reportagereise durch die USA vor den Präsidentschaftswahlen.
In den 70ern kommen Pinar Atalays Eltern aus der Türkei nach Deutschland, sie selbst wird im Kreiskrankenhaus Lemgo geboren („Ich bin Deutsche“). Als Atalay 2014 ins Team der „Tagesthemen“ aufrückt, wird dennoch gerne erwähnt, dass sie die erste Moderatorin mit türkischen Wurzeln ist. „Ich gucke auf die ganze Welt, da ist es egal, wo ich herkomme“, findet die Buchautorin („Schwimmen muss man selbst“). Im Alter von 19 Jahren eröffnet sie nach dem Abitur mit ihrer Mutter eine Modeboutique, bewirbt sich dann aber beim Radio. „Du scheinst mir fit zu sein“, bietet ihr damaliger Chef ihr ein Volontariat an. Noch relativ jung übernimmt Pinar Atalay bald verantwortungsvolle Jobs. „Ich bin Generalistin“, bereut sie heute nicht, dass sie nicht studiert hat.
RTL statt ARD: Die Ex-"Tagesthemen"-Moderatorin "war eigentlich zufrieden"
Bis 2021 ist Atalay „Tagesthemen“-Moderatorin, dann entscheidet sie sich für einen Wechsel zu RTL, wo sie nun Anchorwoman der wichtigsten Nachrichtensendungen ist. „Ich war eigentlich zufrieden“, erklärt sie rückblickend, „bei RTL konnte ich aber noch einen draufsatteln.“ Und eine andere Zielgruppe erreichen. Immer mit den Minuten im Kampf, beschreibt sich Pinar Atalay aufgrund der Livesendungen als unglaublich durchgetaktet. Was sie gerne an einem freien Tag macht? „Die Zeit vergessen.“

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