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Wie die Ausstellung "Surrealismus - Welten im Dialog" in der Kunsthalle Vogelmann entstanden ist

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Von der ersten Idee über das Werkstatt-Modell bis zur finalen Hängung: Kuratorin Carolin Wurzbacher von den Städtischen Museen Heilbronn blickt mit Interessierten beim Lesersommer hinter die Kulissen der aktuellen Surrealismus-Schau. 

Carolin Wurzbacher von den Städtischen Museen Heilbronn erläutert Stimme-Lesern surrealistische Positionen – hier Erwin Wurms bemalte Bronze mit dem Titel „Head“.
Carolin Wurzbacher von den Städtischen Museen Heilbronn erläutert Stimme-Lesern surrealistische Positionen – hier Erwin Wurms bemalte Bronze mit dem Titel „Head“.  Foto: Berger, Mario

Realisieren die Städtischen Museen Heilbronn eine Ausstellung, wird mittlerweile auch virtuell gearbeitet. Im Fall von „Surrealismus – Welten im Dialog“ ist außerdem noch ein klassisches Modell zum Einsatz gekommen. „Ich bevorzuge das Haptische“, sagt Kuratorin Carolin Wurzbacher, „wir können darüber im Team leichter die Köpfe zusammenstecken und diskutieren.“

So wie die 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Lesersommers, die am Dienstagnachmittag bei einer Führung mit Carolin Wurzbacher in der Kunsthalle Vogelmann Einblicke in die Entstehung der neuen Schau erhalten. Wozu auch ein Besuch der Werkstatt gehört, in der ebenjener maßstabsgetreue Nachbau steht. An eine Puppenstube erinnern die miniaturhaften Ausstellungsräume, in denen kleine Kopien der Werke hängen, deren Originale verteilt auf drei Etagen zu sehen sind.

Als Arbeitsgrundlage dienten den Ausstellungsmachern von „Surrealismus – Welten im Dialog“ ein maßstabsgetreues Modell mit Kopien der Kunstwerke.
Als Arbeitsgrundlage dienten den Ausstellungsmachern von „Surrealismus – Welten im Dialog“ ein maßstabsgetreues Modell mit Kopien der Kunstwerke.  Foto: Berger, Mario

„Normalerweise hat man eine Grundidee und recherchiert dann los“, beschreibt die Kuratorin die ersten Schritte bei einem neuen Projekt, dessen Umsetzung mitunter Jahre dauern kann. Die aktuelle Präsentation ist allerdings „als fertig geschnürtes Paket“ eingekauft worden vom Institut für Kulturaustausch in Tübingen. Gleichwohl sind die Städtischen Museen eng eingebunden gewesen und haben eigene Akzente gesetzt, erzählt Carolin Wurzbacher.

Verantwortlich ist das Heilbronner Team beispielsweise für das Rahmenprogramm, die Begleittexte und Audioguides zur Schau. Mit einer Plastik von Joan Miró wird ein Werk aus der eigenen Sammlung gezeigt. Und wichtig war der Kunsthistorikerin und ihren Kollegen, dass der österreichisch-mexikanische Maler und Bildhauer Wolfgang Paalen und seine Fumagen – per Zufallsverfahren entwickelte Bilder aus Rußspuren – als eigene Position mit in „Surrealismus – Welten im Dialog“ aufgenommen werden.

Kuratorin Carolin Wurzbacher

„Wenn man ein Werk zeigt, beschädigt man es automatisch.“

Sind die Arbeiten für eine Ausstellung eingetroffen, ist die Überraschung beim Auspacken bisweilen groß. Wie jüngst der Fall bei „Los caracoles“ von Óscar Dominguez. „Wir waren schockiert“, berichtet Carolin Wurzbacher, die sich nach wie vor fragt, wer da vom Übermut gepackt wurde und dem Gemälde einen derart barocken Rahmen verpasst hat. Weil die Städtischen Museen vom Tübinger Team bei der Hängung freie Hand bekamen, haben sie daraufhin die Anordnung der Arbeiten im ersten Themenbereich noch einmal überdacht. Was einen Raum weiter auch für die Position einer Skulptur des österreichischen Künstlers Erwin Wurm gilt. Sie ist so wackelig, dass sie an die Wand gelehnt wurde und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, frei stehend gezeigt werden kann.

Das Modell in der Werkstatt ist darum immer nur eine Arbeitsgrundlage. „Wie alles harmonisch zusammenwirkt, wird vor Ort mit den Originalen entschieden“, betont Wurzbacher. Zumal etwa der US-amerikanische Fotograf und Videokünstler Tony Oursler keine Vorgaben gemacht hat, wie die Puppe und die Pokale für seine Videoinstallation „Pop“ zu einem Haufen geschichtet werden sollen, erklärt die Kuratorin einem Stimme-Leser, der sich danach erkundigt.

International, multimedial, zeitübergreifend: 120 Arbeiten von 58 Kunstschaffenden versammelt die aktuelle Schau in der Kunsthalle Vogelmann.
International, multimedial, zeitübergreifend: 120 Arbeiten von 58 Kunstschaffenden versammelt die aktuelle Schau in der Kunsthalle Vogelmann.  Foto: Berger, Mario

Auch dass Gemälde unter passender Beleuchtung nachgerade leuchten, strahlen, glühen können, erfahren die Teilnehmer der Führung – Carolin Wurzbacher spricht hier von einem „Aha-Erlebnis“. Und dass Fotografien und Zeichnungen besonders empfindlich sind, weswegen für sie das Licht heruntergedimmt werden muss.

„Wenn man ein Werk zeigt, beschädigt man es automatisch“, sagt die Stuttgarterin. Eine restriktive Haltung im Umgang mit Kunst wäre daher: Alles bleibt im Depot. Wer Kunst aber lebendig halten, sie ins Gespräch bringen möchte, der muss sie zeigen. „Es geht darum, einen Zwischenweg zu finden“, so die Kuratorin. Und das mit jeder Ausstellung aufs Neue.

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