Wenn der Bühnenkollege hohl lacht: Meinhardt & Krauss mit „Replik_A“ bei Science & Theatre
In „Replik_A“ trifft ein Mensch auf mehrere Versionen seiner selbst. Am Samstag war die faszinierend-unheimliche Leistungsschau in Sachen Robotik beim Festival Science & Theatre in Heilbronn zu erleben.

Es ist eine Geste, die schon nicht mehr zum Stück gehört, die aber das Spiel um Schein und Sein, um das es in „Replik_A“ geht, gewissermaßen über das Vorstellungsende hinweg verlängert: Als Tänzer Ludger Lamers nach gut 50 Minuten den Premierenapplaus entgegennimmt, deutet er bescheiden auf seinen Bühnenkollegen. Allerdings handelt es sich bei diesem nicht um einen Menschen aus Fleisch und Blut, sondern um einen robotischen Humanoiden aus Kabeln, Motoren und Silikon.
Die Nachbildung von Lamers sieht ihm verblüffend ähnlich, sodass man als Zuschauer zu Beginn bei entsprechender Beleuchtung in der Boxx des Theaters Heilbronn kurz grübelt, wer denn nun das Original ist und wer die Kopie. Auch weil sich beide zunächst synchron bewegen, bis der echte Ludger Lamers von seinem Hocker aufsteht – was der falsche nicht kann.
Bis in die Fingerspitzen ist der Roboter programmiert
„Replik_A“ von Meinhardt & Krauss ist die mittlerweile vierte Produktion, mit der die für Cinematic Theatre bekannten Gruppe aus Stuttgart die Einsatzmöglichkeiten von Robotern auf der Bühne erproben. Gleich zwei Mal war das Stück am Samstag im Rahmen des Festivals Science & Theatre zu erleben.
Ist der Mensch ein überholtes System? Die Leistungsschau führt einen Roboter vor, der über eine faszinierende Präsenz verfügt. Bis in die Fingerspitzen sind seine Bewegungen programmiert, blinzelnd blickt er umher, streckt den Zuschauern die Zunge heraus. Was wiederum den Menschen Lamers provoziert, seine überlegene Gelenkigkeit zu demonstrieren, nachdem er seinen ersten Schock überwunden hat angesichts der Begegnung mit dem Double.
Uncanny Valley: das unbehagliche Gefühl angesichts beinahe lebensechter Figuren
Das Doppelgängermotiv im Zeitalter von KI, Gentechnologie und Robotik: Ausgehend von der Gegenüberstellung der beiden Protagonisten dekliniert „Replik_A“ verschiedene Formen der Annäherung sowie Abgrenzung durch und erforscht, was Wissenschaftler als Uncanny Valley bezeichnen: das unbehagliche Gefühl, wenn eine künstliche Figur fast lebensecht wirkt.
Dabei bekommt es der Schauspieler Ludger Lamers mit weiteren Versionen seiner selbst zu tun und verwischen Meinhardt & Krauss zusätzlich mit einem Vorhang die Grenzen zwischen Illusion und Wirklichkeit. Auf einem semitransparenten Projektionsschirm, der die Bühne teilt, tauchen erst ein, dann viele virtuelle Avatare auf, es wird gekämpft, gestochen, geschossen. Lamers stürzt und stirbt einen sehr pathetischen Tod.
Wenn er wieder aufsteht, anschließend für die Nummer Beifall erbittet vom Publikum, hat der artifizielle Ludger Lamers dafür nur ein leeres Lachen übrig. Der Roboter zitiert Shakespeare, erzählt einen Witz, philosophiert. „Es ist das Episodenhafte, das mich für den Menschen einnimmt“, gibt der unheimliche Zwilling zu verstehen, dass er gekommen ist, um zu bleiben.

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