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Theaterschiff Heilbronn
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Weniger arbeiten und mehr machen, was man mag

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Wie auf einem Ausflugsdampfer: Der schwäbische Entertainer Wolfgang Seljé „vr’zehlt“ auf dem Theaterschiff aus seinem Leben und kalauert hemmungslos. 

Das muss man mögen oder aushalten: „Des rendiert sich zom vr’zehla“ mit Wolfgang Seljé auf dem Theaterschiff Heilbronn.
Das muss man mögen oder aushalten: „Des rendiert sich zom vr’zehla“ mit Wolfgang Seljé auf dem Theaterschiff Heilbronn.  Foto: Helmut Melchert

Gegen Ende gibt Wolfgang Seljé eines seiner Lieblingszitate zum Besten. Ein wenig belehrend, wie der ganze Abend, aber irgendwie treffend für das Programm. „Nicht das Beginnen, alleine das Durchhalten wird belohnt“, soll die Mystikerin Katharina von Siena bereits im 14. Jahrhundert gewusst haben. Eine Steilvorlage für Seljé, jetzt „I did it my way“ zu schmettern mit Inbrunst und suggestivem Grinsen dank strahlend weißer Zähne.

Durchhalten muss man diesen Abend auf dem Theaterschiff Heilbronn, es sei denn, man ist hellauf begeistert wie das Grüppchen Publikum. „Des rendiert sich zom vr’zehla“, so nennt der Mann aus Bernhausen/Filderstadt das Programm, mit dem er durch die Gegend tingelt. Vorzugsweise Stuttgart, wo Seljé 1959 zur Welt kam, und Umgebung. Französisch klingt nur der Familienname.

Wolfgang Seljé, geboren 1959 in Stuttgart, schwäbischer Sänger und Entertainer, Moderator, freier Redner und Stadtführer, tritt seit 2011 professionell auf. Der erklärte Frank-Sinatra-Fan und dreifache Vater lebt in Bernhausen, einem Stadtteil von Filderstadt.

Auch in einem Robinsonclub in Österreich ist der – laut Selbstauskunft – beurkundete schwäbische Botschafter aufgetreten, wie Seljé vr’zehlt, sprich erzählt. Das tut er knapp zwei Stunden mit Pause, auf Schwäbisch versteht sich, in Liedern und angeteaserten Melodien, die man kennt: moderierend und ausufernd salbadernd, „Stell’ dir vor, der liebe Gott schenkt dir ein Leben“.

Nicht behütet, aber frei

Es scheint, Wolfgang Seljé hat eine Mission. Und so erfahren wir, dass er, der 2011 sein Hobby zum Beruf gemacht hat – Sänger, Stadtführer und Moderator –, mit vielen Geschwistern und in Armut aufgewachsen ist. Nicht behütet, aber frei. Dass die Schulnoten unterirdisch waren, auf verschiedene Jobs eine klassische Gesangsausbildung folgte und die Erkenntnis: Ich muss nichts. Was Lessing in den Aphorismus „kein Mensch muss müssen“ packte, wird bei Seljé zu „beschtimme du i“. Eine Haltung, mit der der Mann mit den kinnlangen, weißen Haaren, durch die er ständig mit einer Hand fährt, seine Binsen und Beobachtungen garniert.

Eros Ramazzotti auf Schwäbisch 

Hier steht ein Entertainer, der lustvoll Playback singt, mitunter mit Big Band auftritt, Melodien von Edith Piaf, Bob Marley, Dieter Bohlen ausschlachtet. Und ein leidenschaftlicher Fan von Frank Sinatra ist. Aus diesem hemmungslosen Wildern entstehen Seljés schwäbisch-internationale Goodsla, musikalische Bonbons, die in kurzen Zeilen Schlager, Hits und Chansons mit schwäbischer Alltagserfahrung kurzschließen. 66 dieser Goodsla hat Seljé seit seiner früher Ausbildung zum Maler und Lackierer geformt. Da wird aus „Se bastasse una sola canzone“ von Eros Ramazzotti ein „Sag was der net basst in der Krone“, aus Howard Carpendales „Deine Spuren im Sand“ ein „Keine Uhren am Strand, ohne Rechnung in der Hand“ und erfahren Udo Jürgens „Merci, chérie“ und Paolo Contes „Via con me“ ein schwäbisches Update.

Manches gerät zur knitzen Sprachdichtung

Weniger arbeiten und mehr machen, was man mag, rät Wolfgang Seljé. Seljé macht es vor, schmerzfrei. Seine Fans schütteln sich vor Lachen, wenn er „Feliz Navidad“ schwäbisch umdichtet, „Guantanamera“ oder eine Schnulze wie „Mama Leone“. Manches gerät gar zur knitzen Sprachdichtung, garniert mit einer Anekdote, über einen gewissen Bob Male etwa, Beamter im Stuttgarter Rathaus, passend zur Verballhornung von „No woman, no cry“. Oder der köstliche Dreizeiler über Seljés Ex-Freundin Esther (Eschter) nach dem Ohrwurm „Yesterday“ von den Beatles.

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