Richard Feist, 1994 in Berlin geboren, wuchs mit Deutsch und Tschechisch als gleichwertigen Muttersprachen auf. Von 2017 bis 2021 studierte er an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig und war Teil des Schauspielstudios am Staatsschauspiel Dresden. 2020 erhielt er das Deutschlandstipendium. Ab der Spielzeit 2021/2022 war Feist in Bremerhaven engagiert.
Von „Maschbau“ über die Politik zum Schauspiel
Neue Gesichter am Theater Heilbronn: Warum der Brandenburger Richard Feist die Natur liebt, das Spiel mit Masken - und gern in Weinsberg lebt.

Die Haarlänge am Theater? Ob wachsen lassen und dann wieder abschneiden, ist jeweils ein Kompromiss zwischen dem Produktionsteam, der Maske und dem Schauspieler. Im Moment trägt Richard Feist die Haare kinnlang – und ist damit in der Titelrolle von Schillers „Die Verschwörung des Fiesko zu Genua“ zu erleben. Und bald als Erzähler im Weihnachtsmärchen „Die Schneekönigin“.
Kurzgeschnitten, wie auf Fotos etwa im Netz, verkörpert Richard Feist tatsächlich einen ganz anderen Phänotyp. „Das macht schon was aus“, sagt Feist, der an diesem Nachmittag sowieso eine weiße Mütze trägt. Es wird herbstlich in Heilbronn, und der gebürtige Berliner ist mit dem Rad unterwegs.
Der Schauspieler mag es, bei sich anzukommen und durchzuatmen
Seit Ende August wohnt der 30-Jährige in Weinsberg. Drei Minuten hat es der Läufer und Naturfreund in den Wald, vom Küchenfenster aus blickt er auf die Weibertreu. „Eine schöne Lage, die Wohnung ist aber nicht für mehr als eine Person.“ Muss sie auch nicht. Die Arbeit am Theater „ist ein Beruf mit vielen Leuten, ich mag es, danach anzukommen und durchzuatmen“.
Das war auch so, als Richard Feist zuvor am Stadttheater Bremerhaven engagiert war. Seine neue Bleibe übrigens hat er ganz klassisch durch eine Annonce in der Heilbronner Stimme gefunden. Jede Menge Anrufe hatte er darauf bekommen, die erste Wohnung, die er sich angesehen hat, war es.
Mit Deutsch und Tschechisch aufgewachsen
Mit Deutsch und Tschechisch als Muttersprachen aufgewachsen im brandenburgischen Falkensee, das direkt an Berlin grenzt, hat Richard Feist auch viel Zeit bei den Großeltern verbracht in einem Dorf bei Hradec Králové, dem einstigen Königgrätz. Auch wenn heute Deutsch sein Denken und Leben bestimmt, weil es sämtliche Facetten seiner Sozialisation umfasst, „mit Tschechien assoziiere ich Kindheitserinnerungen und Heimat“. „Das schlummert in mir und macht mich ruhig.“ Ruhig wie der Heilbronner Trappensee, der ihn an Falkensee erinnert.
Dass Feist zudem gut Englisch spricht, verdankt er einem Schüleraustausch in die USA. Als knapp 16-Jähriger fühlte er sich in Ashland, Ohio sprichwörtlich ins kalte Wasser geworfen. „Ich war aufgeregt, hatte auch ein wenig Angst“, erinnert sich Richard Feist, aber auch, wie erstaunt er war über seine „Adaptions- und Improvisationsfähigkeit“, wie er es nennt.
"Ich lebe vernünftig und gesund"
Feist bestellt Kräutertee. Klingt vernünftig. „Ja, ich lebe vernünftig und gesund“, bestätigt er beiläufig selbstverständlich. Und erzählt, wie er, der nach dem Abitur ein Jahr Maschinenbau studierte und dessen Eltern mit Theater nichts am Hut hatten, zum Schauspiel gekommen ist. Auf „Maschbau“ folgten noch ein paar Semester Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut, kurz Osi. „Sehr spannend“, aber auch damit sah er sich, nebenbei spielte er Laientheater in Berlin, in keinem Beruf.
Schließlich war es eine Kommilitonin am Osi, die ihn ermunterte, „studiere doch Schauspiel“. An der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig absolviert er dann tatsächlich sein Studium und wird Mitglied des Schauspielstudios am Staatsschauspiel Dresden.
Visionär und frei denken
In Dresden arbeitet er mit Claudia Bauer in der Uraufführung und Romanadaption von Ingo Schulzes „Die rechtschaffenen Mörder“. An Bauers Regiestil gefällt ihm, „wie sehr visionär und frei denkend sie arbeitet“. Was für Richard Feist die Faszination Schauspiel ausmacht? Sicher auch das Spiel mit den Masken. „Wenn wir den Fiesko nehmen“, umreißt er seine aktuelle Rolle am Theater Heilbronn, „dann ist das eine schillernde Figur, bei der ich verschiedene Seiten auch von mir kennenlernen konnte.“
„Man findet und erfindet sich neu auf der Bühne. Das hat eine Lebendigkeit“, beschreibt Richard Feist seinen Beruf. Den er nachgerade als ganzheitlich begreift. „Seele und Körper. Im besten Fall.“ Denn das Spiel kann auch scheitern. In Berlin und in Tschechien hat er noch Familie, im Augenblick lässt er sich auf die neue Situation hier in Heilbronn, in Weinsberg und Umgebung ein. Und die Eltern? Die Zeit gebraucht haben, um mit dem Theater warm zu werden? Heute sind sie stolz darauf, was ihr einziger Sohn da macht.
Der Unterschied zwischen Ossis und Wessis?
Noch eine Frage zur Sozialisation im Osten, auch wenn Richard Feist fünf Jahre nach dem Mauerfall geboren wurde. Ja, er hat den Unterschied gespürt zwischen „Ossis und Wessis“, „das sind Geschichten, die nicht aufhören“. Und die zur deutschen Realität gehören. Kein Wunder taucht Feist als Schauspieler gern in Erzählungen ein. Und auch als Hörbuchsprecher, seinem zweiten Standbein.
„Man findet und erfindet sich neu auf der Bühne.“ Richard Feist

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