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Von der Liebe und ihren Grenzen: „Eurydike Deep Down“ auf dem Theaterschiff
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Atmosphärisch dicht, psychologisch aber nicht immer plausibel ist Alessandra Giuriolas Inszenierung von „Eurydike Deep Down“. Den Orpheus-Mythos kombiniert die italienische Regisseurin mit ihren Recherchen zum Thema Liebe. Am Samstag (26. April) gibt es eine zweite Aufführung.
Im Reich von Unterweltgott Hades (von links): Orpheus (Yascha Finn Nolting), Eurydike (Fnot Taddese) und Persephone (Sarah Steinbach).
Foto: Seidel, Ralf
Was bedeutet Liebe? Stimmen aus dem Off der Bühne des Theaterschiffs geben Antwort. „Zwei Hände, die sich berühren“, „eine Umarmung“, „ein Lachen“ sind zu hören. Und: „meine Eltern“, „etwas wachsen lassen“, „Pflegen“, „die Unmöglichkeit, Hässlichkeit zu erkennen“. Aber auch: „ein Blitzeinschlag“, „ein Stierkampf“.
Mehr als 100 Menschen aus ihrem Umfeld hat Alessandra Giuriola befragt, das Material sortiert und einfließen lassen in ihr Stück „Eurydike Deep Down“, das die italienische Regisseurin mit ihrem Landsmann, dem Dramatiker Michele De Vita, entwickelt hat. Im Oktober 2023 uraufgeführt am Düsseldorfer Schauspielhaus, war die Kombination aus Recherche und antikem Mythos am Freitag und Samstag als Gastspiel in Heilbronn zu sehen.
Emotionen werden in dieser Inszenierung dick aufgetragen
Dass hier eines der stärksten Gefühle überhaupt verhandelt wird, daran lässt diese Inszenierung keinen Zweifel. Immerhin: Der Zustand der Verliebtheit ähnelt bekanntlich einem Drogenrausch. Vielleicht liegt es aber auch am intimen Rahmen der schwimmenden Bühne auf dem Neckar, dass das exaltierte Spiel des Ensembles und die emotional dick aufgetragenen Momente umso deutlicher hervorstechen.
Ovids „Metamorphosen“ und Vergils „Georgica“ gelten als Hauptquellen für die Geschichte des thrakischen Sängers Orpheus und seiner Ehefrau Eurydike, die Künstler seit Jahrhunderten inspiriert hat zu musikalischen Bearbeitungen, literarischen Fassungen, als Thema in der Bildenden Kunst oder zuletzt in Film und Fernsehen.
Regisseurin Alessandra Giuriola
Alessandra Giuriola, geboren 1988 in Venedig, studierte Literatur- und Theaterwissenschaft. Von 2010 bis 2015 war sie in Italien als Schauspielerin sowie Regieassistentin tätig und realisierte erste eigene Arbeiten. Seit 2016 lebt Guiriola in Deutschland, wo sie mit anderen Künstlerinnen und Künstlern das Berlin Expat Theatre gründete. Von 2020 bis 2023 arbeitete Giuriola als Regieassistentin am Düsseldorfer Schauspielhaus.
In Literatur, Musik und Bildender Kunst: Der Orpheus-Mythos als Inspirationsquelle
Giuriola interessiert neben den Grenzen der Liebe auch die Frage nach Vertrauen und Besitzdenken. Den Stoff inszeniert sie als atmosphärisch dichtes, wenngleich psychologisch nicht durchgängig nachvollziehbares Kammerspiel in der Unterwelt, wohin Orpheus seiner Eurydike folgt, nachdem die Nymphe an einem Schlangenbiss gestorben ist. Als Negativfolie für dieses Paar dient der Regisseurin die Beziehung zwischen Unterweltgott Hades und Fruchtbarkeitsgöttin Persephone, die von Hades einst geraubt wurde.
Das Reich der Schatten markieren auf der reduzierten Bühne von Karolina Wyderka zwei von der Decke herabhängende Bündel aus dicken Seilen, wiederholt verheddert sich das durch den Tod getrennte Paar darin und befreit sich. In Anlehnung an die im Internet beliebten ASMR-Videos (englisch: Autonomous Sensory Meridian Response), die mittels visueller und akustischer Sinnesreize ein Kribbeln im Kopf erzeugen sollen, begleitet eine Collage aus körperlosen Sounds in „Eurydike Deep Down“ die Reise der Figuren. Es flüstert, atmet und pulsiert nahezu von allen Seiten.
Zeit spielt hier keine Rolle und die Toten haben keine Erinnerungen an ihr früheres Leben, macht Fährmann Charon auf dem Fluss in die Unterwelt mit der Jenseitsvorstellung der alten Griechen vertraut. Schauspielerin Charlie Schülke gibt den Wanderer zwischen den Welten als grimmige Gestalt im ledernen Sado-Maso-Outfit. Und schlüpft später in die Rolle des Unterweltgottes Hades, der die tote Eurydike aufgrund ihrer schönen Seele für immer behalten möchte.
„Was möchtest Du denn, Eurydike?“ „Nach Hause!“
Bis der untote Orpheus anlandet, der fast vergeht vor Sehnsucht nach seiner verlorenen Liebe. Ihr aber auch nicht nachfolgen möchte, indem er Selbstmord begeht. An den androgynen David Bowie erinnert dieser von Yascha Finn Nolting gespielte schillernde Typ, der zugleich Leidender, Verführer, Narzisst ist. Und sich der Macht seiner Kunst immer bewusst. In Impro-Sessions mit Musiker Timo Hein hat Nolting Songs entwickelt, die er live auf der Bühne singt: als mal düster-bedrohliche, mal süßliche Elektropop-Nummern.
Durch seinen Gesang und seine Überredungskunst gelingt es Orpheus, Hades zur Freigabe von Eurydike zu bewegen. Einzige Bedingung: Er darf sich beim Aufstieg in die Oberwelt nicht nach ihr umdrehen – und tut es doch. Womit Fnot Taddeses Eurydike in dieser Adaption die Gelegenheit bekommt, selbst zu entscheiden. „Was möchtest du denn?“, fragt Sarah Steinbach als Persephone. „Nach Hause“, folgt Eurydike Orpheus zurück ins Leben. Und in ein Happy End? Das ist Ansichtssache.
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