Vom Kuckuck-Witz ist abzuraten: Kirsten Fuchs in der Maschinenfabrik
Was lahm beginnt, gewinnt an Fahrt: Autorin und Kabarettistin Kirsten Fuchs liest aus ihrem jüngst erschienenen Buch, testet neues Material und trägt Kurztexte vor bei ihrem Auftritt in Heilbronn. Aber warum trägt die 47-Jährige dabei ein Döner-Kostüm?

Kirsten Fuchs hat viel Stoff. Für eine Autorin und Kabarettistin ist das prinzipiell nicht schlecht. Im Fall der 47-Jährigen meint Stoff aber tatsächlich das Zeug, aus dem sich Kleider oder Geschirrtücher nähen lassen. Wofür sie 243 Euro ausgegeben hat – die sie von der Steuer absetzen möchte. Schneider dir zumindest ein Kostüm, das du beruflich nutzt, schlägt der Steuerberater vor. Was erklärt, warum Fuchs am Samstagabend nach der Pause bei ihrem Auftritt in der Maschinenfabrik als Döner verkleidet die Bühne betritt.
Anekdoten bis ins Absurde zuzuspitzen, dafür hat diese Grenzgängerin zwischen ernsten und komischen Themen augenscheinlich eine besondere Vorliebe. In Chemnitz geboren und in Ostberlin aufgewachsen, lernte Fuchs nach einem abgebrochenen Literaturstudium zunächst Tischlerin, ehe sie 2003 den Literaturwettbewerb Open Mike gewann. Seither hat sie Romane, Kurzgeschichtenbände, Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, Kolumnen und Theaterstücke geschrieben. Hinzu kommen TV-Auftritte etwa bei „Ladies Night“ und „Olafs Club“.
Kirsten Fuchs ans Publikum: „Warum sind Sie überhaupt hier?“
Wer sie schon live erlebt oder sie im Fernsehen gesehen habe, fragt Fuchs in die Runde. Und nimmt belustigt zur Kenntnis, dass sich niemand meldet. „Warum sind Sie eigentlich hier?“ Offenbar nur einem Gast ist die unter dem Label Comedy angekündigte Schriftstellerin aus Youtube-Videos bekannt. Es dauert ein bisschen, bis Fuchs und das Publikum im Laufe des Programms miteinander angebändelt haben.
„Muttermund tut Wahrheit kund“ ist Kirsten Fuchs’ jüngst erschienener Kurzgeschichtenband betitelt – „irgendwie muss ein Buch ja heißen“ – aus dem sie Kostproben gibt. Dazwischen trägt sie ganz frisches Material vor. „Ich komme aus der Berliner Lesebühnenszene, da liest man immer neue Texte. Das erhöht die Spannung.“ Und auf Zuruf streut Fuchs Kurztexte ein, die sie in den Sozialen Medien veröffentlicht und die auch mal politischer sind.
Die findige Beobachterin der Gegenwart bezieht ihr Material vor allem aus dem Alltag. Zwar spielen Ehemann und Kinder oft eine Rolle, anders als der Titel des neuen Buchs und Programms vermuten lassen, geht es nicht nicht nur ums Ehefrau- und Muttersein.
Die Kunst der dramatischen Übertreibung und eine Hommage an die Großmutter
Eher lahm gerät der Einstieg mit einer Anleitung wider den Selbstoptimierungswahn, wiedergegeben in einlullendem Hörbuch-Tonfall – und verfasst als Aufzählung. Eine Form, die Fuchs auch für ihre Ratschläge zum Bahnfahren wählt, die ungleich bissiger daherkommen. Die Kunst der dramatischen Übertreibung zelebriert die Kabarettistin in ihren Nummern über ein vergessenes Handy, den Tücken beim Onlinebanking und Hitzewallungen während der Wechseljahre.
Lustig ist ein Dialog, der einen Perspektivwechsel vornimmt: Zwei Frauen lamentieren darüber, kerngesund zu sein. Das Gendern und Frauenfeindlichkeit behandelt ein Text über das Einwecken während der Periode, wogegen die Behandlung des Kuckuck-Witzes – „Ja, wo ist denn die Mama?“ – eine philosophisch-witzige Humoranalyse ist. Nachdenklich wird es bei der Zugabe: einer Hommage an Fuchs’ Großmutter, die Kuchen gebacken, Hosen gekürzt und vieles mehr „einfach so“ gemacht hat, ohne es zu fotografien, teilen und kommentieren.