Vincent Klink spricht im Heilbronner Literaturhaus über „Mein Schwaben“
„Ich weiß von allem etwas, aber nicht viel“: Bei seinem Auftritt im Trappenseeschlösschen gibt sich Vincent Klink als Renaissancemensch zu erkennen. Und er erklärt, was seine Heimat kulturell und kulinarisch so besonders macht.

„Wer zu spät kommt, landet bei Hartz IV“, mag Vincent Klink über Unpünktlichkeit nicht hinwegsehen. Weswegen der Spitzenkoch und Autor, wie er versichert, auch gelitten hat im Stau auf seiner Autofahrt von Stuttgart nach Heilbronn. Mit „Mein Schwaben“ ist der seit Wochen ausverkaufte Abend im Literaturhaus überschrieben, der mit einer halbstündigen Verzögerung beginnt und an dem es um Leben und Speisen im Ländle des Eigensinns gehen soll.
Als neugieriger Bildungsreisender und begeisterter Sonntagsausflügler ist Klink immer wieder unterwegs. Über Paris, Wien und Venedig hat der 76-Jährige schon geschrieben und im vergangenen Jahr sein kulturelles sowie kulinarisches Heimspiel serviert. Wobei es sich, wenn Literaturhausleiter Anton Knittel richtig gezählt hat, um Vincent Klinks mittlerweile 16. Buch handelt. „Ko scho sei“, reagiert dieser völlig gleichmütig.
Und nimmt plaudernd das Heft in die Hand. In gemütlichem Tempo, mit trockenem Witz und so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, taucht Klink ein in Geschichte, Landschaft und Leute des alten Herzogtums Schwaben. Gelegentlich lässt er sich dabei durch eine Frage unterbrechen. Fällt ihm ein Detail nicht mehr ein, blättert er suchend in seinem Buch. „Übrigens“ und „ich schweife ab“ geben seinen Ausführungen sozusagen Struktur.
Was Vincent Klink von seinem Großvater gelernt hat
Dass er ein Verfechter des Renaissancemenschen ist – „Ich weiß von allem etwas, aber nicht viel“ –, mag man Vincent Klink gerne glauben. Und dass es im Leben besser ist, der Letzte unter den Ersten zu sein als der Erste unter den Letzten, wie Klinks „sehr gescheiter“ Großvater immer zu sagen pflegte.
Was der Hobbykünstler, -imker und -schafhalter als Ausgangspunkt nimmt, um eine Reihe von Beispielen anzuführen, denenzufolge Schwaben eine Vorreiterrolle einnehmen: vom ersten Fußgänger, dem zwölf Millionen Jahre alten Danuvius Guggenmosi, bis zu den ältesten gefundenen Instrumenten der Welt „made in Schwabenland“.
Aus Überfluss entsteht kein Fortschritt, aus Not kommt Erfindergeist. „Gottlieb Daimler war ein Typ wie ich, der ist einfach nicht gerne gelaufen“, gibt sich Vincent Klink gewohnt selbstironisch. Im Gespräch mit Anton Knittel erklärt er, wie Kargheit und Protestantismus seine Heimatregion geprägt haben. Dass der Boden den Menschenschlag gebiert, der darauf lebt, hat Klink auch auf der Recherchereise für sein nächstes Buch entlang des Juragebirgszuges beobachten können.
Vincent Klink: „Ich habe ein Faible für Handwerk jeder Art“
Ähnlichkeiten will der Autor aber auch andernorts ausgemacht haben. „Der Sizilianer ist wie ein schwäbisches Alpenbäuerle“, kommt Vincent Klink auf Friedrich II. zu sprechen, den Stauferkaiser, der ab 1198 König von Sizilien und von 1220 bis 1250 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches war. Vom „Liber de Coquina“, einem der ältesten mittelterlichen Kochbücher, geht es zu Castel del Monte in Apulien und wenig später „zur größten Schande Stuttgarts“: dem Justizmord am jüdischen Finanzminister Joseph Süßkind Oppenheimer 1738.
„Herr Knittel, wie machen wir weiter?“, fragt Klink den Hausherrn, um dann über die Ochsen Post in Tiefenbronn, venezianische und flämische Malerei, den Herrenberger Altar und Wilhelm Waiblinger zu reden. „Lassen wir die verdammte Kocherei“, möchte der Gastronom zunächst nicht groß ins Thema einsteigen. Erklärt dann aber doch, warum er mit seinem Beruf über Kreuz liegt, was nicht nur mit sortenrein aufgetischter Päcklesoß und der grassierenden Fritteusezwiebel-Seuche zu tun hat. „Wir haben das Schmecken verlernt.“
Die bessere Küche? Haben heute die Italiener und – mit Ausnahme von Paris – nicht die Franzosen. Wobei diese zwar wiederum genussbereiter seien als die Schwaben, ihr Geld anders als früher aber lieber für teure Autos ausgeben anstatt für Restaurantbesuche, so Klink. „Ich habe ein Faible für Handwerk jeder Art“, singt der Besitzer eines Oldtimer-Jaguars zum Schluss ein Loblied auf Schwaben als Land der Tüftler und Erfinder. Und bedankt sich beim Publikum: „Sie waren wunderbar, keiner ist eingeschlafen.“