„Stube und Kosmos“: Felicitas Hoppe im Hölderlinhaus Lauffen
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„Man kann nichts erfinden ohne das Material der Wirklichkeit“, sagt Felicitas Hoppe, die in Lauffen über Reisen durch wirkliche und erfundene Welten sprach. Als Weltpremiere las die Büchner-Preisträgerin auch das erste Kapitel ihres 2026 erscheinenden Buches.
Viel gereist, aber schon lange nicht mehr im Urlaub gewesen: Felicitas Hoppe hat die diesjährige Herbstlese eröffnet.
Foto: Lina Bihr
Eine Reiseschriftstellerin und eine reisende Schriftstellerin sind zwei Paar Schuhe. Sich selbst sieht Felicitas Hoppe in der letzteren Kategorie. „Ich brauche die Bewegung des Reisens, um ins Schreiben zu kommen“, sagt die Büchner-Preisträgerin, die zum Auftakt der diesjährigen Lauffener Herbstlese zu Gast ist im Hölderlinhaus. Mit „Stube und Kosmos“ ist der Abend überschrieben. Was nicht einen neuen Roman der 64-Jährigen meint, sondern die zwei Pole, zwischen denen sich Hoppes Leben bewegt.
In der Stube, so erzählt Felicitas Hoppe im Gespräch mit Fabian Goppelsröder, da saß sie schon als Kind gerne alleine mit erfundenen Abenteuern und wollte nicht raus. Und in der Stube – „je kleiner, desto besser“ – formt sie heute „richtige Bücher mit Hand und Fuß, Sinn und Verstand“ aus ihren Notizen von unterwegs. Denn Reisen ist trotz Überwindung für die Autorin eine schlichte Notwendigkeit, um an Nahrung zu gelangen für ihr Schreiben. Obschon es nicht der ganze Kosmos sein muss, der erkundet werden will, die Welt tut es auch.
Acht Verlage haben Felicitas Hoppes Debüt einst abgelehnt
„Man kann nichts erfinden ohne das Material der Wirklichkeit, das Innenleben muss von außen angereichert werden“, teilt Felicitas Hoppe eine ihrer Überzeugungen mit dem Publikum. Und bedauert, dass es immer schwieriger wird, so zu reisen, dass Dinge passieren, mit denen man nicht gerechnet hat. Wobei die gebürtige Hamelnerin Menschen grundsätzlich viel mehr interessieren als Landschaften, Orte und Gebäude.
Dazwischen liest Felicitas Hoppe aus ihren Werken. Darunter das Prosastückchen „Am Zoll“ aus ihrem 1996 erschienenen Erzählband „Picknick der Frisöre“, auf den die Schriftstellerin besonders stolz ist. Acht Verlage hatten das unverlangt eingesandte Manuskript einst abgelehnt. „Kurzgeschichten kann man nicht gut verkaufen. Melden Sie sich wieder, wenn Sie einen Roman haben“, so die Begründung. Bis Rowohlt den schmalen Band herausbrachte.
Weiteres Programm bei der Herbstlese Lauffen
Am Freitag, 19.30 Uhr, geht es bei der Lauffener Herbstlese im Hölderlinhaus weiter mit der Langen Lesenacht. Eintritt frei. Die musikalische Lesung von Hölderlin-Texten „Hälfte des Lebens“ mit Christian Oliveira (Sprecher), Milena Vanova (Cello), Daniel Delgado (Klavier) folgt dann am Samstag, 18. Oktober, 19.30 Uhr. Tickets kosten neun Euro. Zum Abschluss am Montag, 20. Oktober, 19.30 Uhr, liest Susanne Tägder aus ihrem Krimi „Die Farbe des Schattens“ erneut bei freiem Eintritt.
Dass die Texte von Felicitas Hoppe einer ganz eigenen Logik folgen, Ebenen und Perspektiven darin wechseln, merkt Fabian Goppelsröder an. So ist beispielsweise der Roman „Hoppe“ nicht Hoppes Autobiographie, sondern ihre Traumbiografie. Und auch das Amerika in ihrem fantasievollen, assoziationsreichen Roadnovel „Prawda“ ist ein unbekanntes. Seit 30 Jahren müsse sie sich gegen den Vorwurf behaupten, die Leser zu verwirren, berichtet die Autorin. Und verweist auf die mittelalterlichen Artusromane. „Dagegen bin ich ein Waisenknabe. Sie werden nicht glauben, was da passiert.“
Warum Pinocchio das Lieblingsbuch der Schriftstellerin ist
Wie für Felicitas Hoppe im übrigen Märchen die realistischsten Texte sind, die es gibt, basieren sie doch auf wahren Erfahrungen. „Sie erzählen von Not so, dass es gut ausgeht.“ Kein Wunder also, dass die Autorin „Pinocchio“ zu ihren Lieblingsbüchern zählt. Nicht etwa, weil die lebendige Holzpuppe lügt, sondern weil sie aus ihrem schwierigen Leben etwas macht. „Der Umgang mit Sprache“, sagt Hoppe, die der Journalist Elmar Krekeler einmal als Deutschlands fantastischste Fabuliererin bezeichnet hat, „gibt mir die Freiheit, einer Welt zu begegnen, die nicht immer schön ist.“
Wie ihr literarischer Werdegang wohl verlaufen wäre, hätte sie 1997 nicht die 15 000 Mark des „Aspekte“-Literaturpreises dafür verwendet, um vier Monate lang auf einem mittelgroßen Containerschiff die Welt zu umfahren? „Pigafetta“ heißt die literarische Ausbeute – Hoppes zweiter Roman, der auf Antonio Pigafetta anspielt, den Chronisten der ersten Erdumseglung unter Ferdinand Magellan. „Seither werde ich immer zu Reisen eingeladen“, erzählt Hoppe, die ansonsten das Jahr wechselnd in Berlin und dem Wallis verbringt.
Nichts naheliegender für Hanser Berlin also, bei Felicitas Hoppe anzufragen, ob sie für die Reihe „Leben“ nicht einen Band mit dem Titel „Reisen“ beisteuern möchte. Auch wenn es der Schriftstellerin sehr schwer gefallen ist, weil sie das Thema schon so oft bearbeitet hat, Ende April soll der 100 seitige Essay erscheinen. Als Weltpremiere liest Hoppe im Hölderlinhaus das erste Kapitel. Und verrät, dass sie viel lieber über ein anderes Thema geschrieben hätte: „Das Spielen ist die Urzelle der Kreativität.“ In unserer Kultur aber wird es unterschätzt.
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