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1900 Fans in der Harmonie
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So lief der Auftritt von Comedian Ralf Schmitz in Heilbronn

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Auch in seinem neuen Programm „Schmitzfindigkeiten“ dreht sich bei Ralf Schmitz fast alles um Improvisation. In der Heilbronner Harmonie werden dabei am Donnerstagabend viele Fans Teil der Bühnenshow - mehr oder weniger freiwillig. 

Meister der Improvisation: Comedian Ralf Schmitz steht im
ständigen Austausch mit seinem Publikum.
Meister der Improvisation: Comedian Ralf Schmitz steht im ständigen Austausch mit seinem Publikum.  Foto: Ralf Seidel

Einmal kurz ins Publikum gewunken, die Hände gerieben, und Ralf Schmitz ist in sekundenschnelle auf Betriebstemperatur. Und direkt auf dem Weg vor die Bühne, um mit seinen Fans auf Tuchfühlung zu gehen. Wer den Comedian kennt, weiß: Wer in den ersten Reihen sitzt, wird im Nullkommanix ins Programm eingebaut. So auch am Donnerstagabend in der Heilbronner Harmonie, die mit 1900 Besuchern gefüllt ist.

Ob Zuspätkommer, Singles oder einfach Menschen, die, um nicht angesprochen zu werden, unscheinbar wirken wollen: Schmitz und sein ausfahrbares Teleskop-Mikrofon – ein Relikt aus Corona-Abstandszeiten – suchen sich gnadenlos „Freiwillige“. Wieder hat er sich ein schlechtes Wortspiel als Name für die Bühnenshow überlegt. Nach unter anderem „Schmitzeljagd“ oder „Schmitzefrei“ dieses Mal also „Schmitzfindigkeiten“.

Worum es im neuen Programm von Ralf Schmitz geht

Es soll also gehen um all die Kleinigkeiten, die uns an anderen stören, und über die man sich (unnötigerweise) immer wieder aufregt. Um Verhaltensweisen von Mitmenschen, die uns zur Weißglut treiben. Dick Butter unter die Schokocreme? Für Schmitz ein Grund zum Ausrasten. Wenn jemand das Wort Restaurant „Restaurang“ ausspricht? Steigt der Puls. „Der Abend ist für mich also auch eine Therapiestunde“, sagt der 50-Jährige. Doch die Schrullen des alltäglichen Wahnsinns bilden nur den groben Rahmen, sind Aufhänger für zahlreiche Improvisations-Spielchen, die im Zentrum von Schmitz’ Shows stehen und die im Zusammenspiel mit dem Publikum entstehen. Zu einem Thema werden Begriffe gesammelt, die die Fans dem Comedian wahllos zuwerfen. Diese werden dann in vorgefertigte Spielideen eingebaut.

Das alles auf einer Bühne, die ein wenig an ein steriles Wohnzimmer aus dem Ikea-Katalog erinnert. Links ein grünes Regal, rechts eine rote Couch, in der Mitte viel Platz für das Energiebündel Schmitz, das nie länger als einige Sekunden auf der Stelle stehen kann. Oberflächlich betrachtet ist ein Abend mit dem Dampfplauderer Ralf Schmitz geprägt von harmlosen Blödeleien, doch immer wieder schimmert das perfekte Gespür für Timing durch, das Können, die Aussagen des Gegenübers sofort in eine Nummer einbauen zu können. Erfahrung sammelte Schmitz früh im Ensemble des Improvisationstheaters Die Springmaus in Bonn.

Dazu kommt ein Feingefühl, mit jedem Bühnengast auf Augenhöhe zu arbeiten, ihn auch nach vermeintlich peinlichen Antworten nicht bloßzustellen. Schmitz klopft die Lebensumstände eines lange verheirateten Paars aus dem Publikum ab, die Geschichte von Gabi und Giuseppe wird anschließend in ein Musical umgewandelt.

Ralf Schmitz steht zwei Stunden auf dem Gaspedal

Die Bartstoppeln im Waschbecken – ein Streitgrund vieler Pärchen – sind Einstieg für ein Spiel, in dem Schmitz blitzschnell zwischen Hochdeutsch und Schrottisch wechselt. Einer Fantasiesprache, die so klingt, als hätte man alle osteuropäischen Mundarten in einen Mixer geworfen. Über die Sprachänderung bestimmt eine junge Frau mit Tröte. Gemeinsam mit einer weiteren „Freiwilligen“ erarbeitet Schmitz den lokal geprägten Western „Der letzte Cowboy von Siegelsbach“. Die Publikumshelferin untermalt die Szenen mit Soundeffekten – Kojotengeheul, Pferdegetrappel und Salongeräuschen.

Raum ist auch für kleine Sketche und klassische Comedy. Da ist der Pilot nach der Umschulung, der jetzt bei einem Schnellrestaurant am Drive-In-Schalter arbeitet, die gedehnte, fast nuschelnde Sprachmelodie der Cockpit-Ansagen aber beibehalten hat. Oder der Wissenschaftler, der vermeintlich ein Anti-Rausch-Mittel entdeckt hat, das Alkoholkonsum ohne Konsequenzen garantiert. Natürlich geht das schief und sorgt bei der Demonstration simultan zum steigenden Trunkenheits-Chaos für immer mehr Lacher.

Die Unberechenbarkeit, der Reiz, sich selbst vor Herausforderungen zu stellen – man merkt Schmitz die Spielfreude an. Dieser Mann steht dauerhaft auf dem Gaspedal, wischt sich immer mal eine Lachträne aus den Augen und wird für diese Energieleistung nach zwei Stunden mit viel Applaus bedacht.

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