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Sich bloß nicht in die Figur reinatmen: Fabio Piana bei den Burgfestspielen Jagsthausen
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In „Jesus Christ Superstar“ gibt Fabio Piana den König Herodes, zur Schauspielerei kam der gebürtige Aachener durch eine Zufallsentscheidung. Begegnung mit einem, der die Dinge pragmatisch angeht.
„Auffälliges Kind, zum Glück nicht medikamentiert worden“: Für Fabio Piana ist es die mittlerweile dritte Spielzeit bei den Burgfestspielen.
Foto: Seidel, Ralf
Welch Typveränderung mit einem Bart einhergehen kann, dafür ist Fabio Piana ein prima Beispiel. Aktuell trägt er ihn lang. Weil es den Rollen, die er in seiner dritten Saison bei den Burgfestspielen Jagsthausen spielt, zupass kommt. „Abschneiden kann man immer“, gibt sich der Schauspieler, Jahrgang 1990, uneitel und pragmatisch. Die halbe bis Dreiviertelstunde in der Maske, um einen Bart anzukleben, spart er sich gerne.
In Goethes „Götz“ ist Fabio Piana zu sehen als Bruder Martin und Liebetraut sowie in „Jesus Christ Superstar“ als einer der Apostel und Herodes. Und wer ihn mit der überdrehten Revue-Nummer „King Herodes Song“ als Bösewicht erlebt hat, weiß, wie viel Energie der Schauspieler auf der Bühne versprühen kann. „Wenn mir das auseinanderfliegt, ist die Figur weg“, erzählt Piana vom Timing, das sitzen muss bei diesem temporeichen, durchchoreografierten Auftritt, der ihm kaum Zeit zum Durchatmen lässt.
Vorgänger zur Kenntnis nehmen - und dann sein eigenes Ding machen
Dass er beispielsweise mit Alice Cooper einen prominente Vorgänger hat bei diesem Part, weiß Fabio Piana natürlich. „Weil ich das auch stimmlich ein bisschen in so eine Rockrichtung bringen will“, hat er sich die Version mit dem US-Schock-Rocker zwar angehört, auch die Verfilmung des Kultmusicals von 1973 hat er sich einmal angeschaut – das war’s dann aber auch. Weil Piana sein eigenes Ding machen will.
Fabio Pianas zweite Leidenschaft
Fabio Pianas zweite Liebe gehört der Musik. Der gebürtige Aachener spielt Gitarre, singt und schreibt Songs. 2019 spielte er ein erstes Konzert. „Mit einem Bekannten, der Musiker und Produzent ist, wollte ich schon längst ein Album fertig stellen“, sagt Piana. Aber die Entscheidung, das jetzt zu machen, wirke sich dann natürlich auch darauf aus, wieviel er als Schauspieler arbeiten könne. Was ihn am American-Singer-Songwriter-Genre fasziniert? Dass sie von Rock über Blues und Soul vieles vermischt. „ Es ist das letzte Genre, das Musik auf den Markt bringt, von der ich sage, die ist nichts, was irgendwie schon da war“, sagt Fabio Piana, „das sind Ohrwürmer, die sind wahnsinnig gut geschrieben, da ist unfassbar viel Gefühl drin.“
Sowieso kommt es Piana entgegen, wenn er seine beiden Leidenschaften verbinden kann, denn nebenher macht er noch Musik. „Eine meiner Lieblingsproduktionen bis jetzt in meinem Werdegang“ war für Fabio Piana darum Eva Hosemanns musikalische Inszenierung „Rio Reiser. König von Deutschland“, wo er den Manager von Ton Steine Scherben, Nikel Pallat, gab. Sitzt Piana an einem freien Tag mit einer Brotzeit an der Jagst, stellt sich bei ihm inzwischen auch ein Gefühl von Heimat ein. Was vielleicht verwundert, da man mit Blick auf die Biografie des Schauspielers meinen könnte, dass er seiner Geburtsstadt Aachen sehr verbunden ist. Schließlich hat er dort auch die Schauspielschule besucht und hatte am Grenzlandtheater immer wieder Engagements.
Über das Paradox der Schauspielerei und wahrhaftige Momente auf der Bühne
„Atme dich da rein und fühl das“: Mit solchen Regieanweisungen kann Piana nichts anfangen. „Wenn ich so arbeiten würde, würde ich wahnsinnig werden.“ Stattdessen zählt er die Punkte auf, die er für sich in einem Probenprozess klärt: Was ist das für ein Stück? Wie spielen die Kollegen? Was kann ich mit reinbringen? Wie bauen wir das, dass das eine Dynamik bekommt?
„Du stehst da, schenkst etwas von dir, machst auf und bist quasi nackt in der Situation, und gleichzeitig bist es ja nicht du, sondern es ist eine Figur“, spricht Piana vom Paradox der Schauspielerei, von der Scham, wenn auf der Bühne etwas misslingt. Und vom Moment, wenn in Theater und Kino aus einer Illusion Realität wird, weil der Darsteller ein Gefühl bewusst nicht zu Ende spielt. „Dann ist der empathische Zuschauer gezwungen, dieses Gefühl weiter zu empfinden.“ Und Schauspiel wird wahrhaftig.
Warum Fabio Piana bei den Begriffen Talent und Begabung vorsichtig ist
Sich damals für die Ausbildung entschieden hat sich Fabio Piana nach eigenem Bekunden sehr spontan. „Ich hatte mit Theater vorher tatsächlich nichts zu tun, gar nichts.“ Nur in der zwölften Klasse auf dem Gymnasium, da haben sie „Die Physiker“ von Dürrenmatt behandelt, er den Möbius gespielt und dafür die volle Punktzahl kassiert. „Sodass ich es mir leisten konnte, in Spanisch, wofür ich null Interesse hatte, zu sagen, gib mir einfach einen Punkt, ist in Ordnung.“
Gleichwohl, so erzählt Piana, habe er schon immer die Tendenz gehabt, zu unterhalten. Ein Klassenclown also? „Genau, ja. Auffälliges Kind, zum Glück nicht medikamentiert worden.“ Weswegen sich der Abiturient auch sicher war, die Berufswahl könnte die richtige sein. „Warum mit irgendwas Geld verdienen, wozu man sich zwingen muss?“
Mit Begriffen wie Talent und Begabung ist Fabio Piana dennoch vorsichtig. „Weil das so klingt, als hätte man das einfach. Das sind natürlich Verhaltensresultate aus problematischen Verhältnissen. Keiner wird Klassenclown, weil er Jux und Tollerei machen will, sondern weil da ein Mitteilungsbedürfnis dahintersteckt.“ Die Angst, nicht gesehen zu werden. „Ich glaube, jeder von uns, der in diesen Beruf geht, hat das.“
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