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Interview vor Auftritt in der Maschinenfabrik Heilbronn
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Rockband Van Holzen: „Diese Schicksalsschläge haben uns geprägt“

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Vertrag bei einem Major Label, Konzerte auf großen Festivals, mehrere Alben: Die Rockband Van Holzen hat in ihrer noch jungen Karriere schon viel erreicht. Am Samstag, 22. März, spielt die Gruppe ein Konzert in Heilbronn. Im Interview spricht Sänger und Gitarrist Florian Kiesling über extreme Jungwähler und Optimismus.

Im September erscheint mit „Solang die Erde sich dreht“ das vierte Album von Van Holzen: (von links) Bassist Jonas Schramm, Gitarrist und Sänger Florian Kiesling und Schlagzeuger Daniel Kotitschke sind aktuell auf Tour.
Im September erscheint mit „Solang die Erde sich dreht“ das vierte Album von Van Holzen: (von links) Bassist Jonas Schramm, Gitarrist und Sänger Florian Kiesling und Schlagzeuger Daniel Kotitschke sind aktuell auf Tour.  Foto: Ilkay Kurakurt

Herr Kiesling, glauben Sie an so etwas wie Schicksal?

Florian Kiesling: Puh, eigentlich nicht. Und trotzdem singe ich darüber in unserem neuen Song.

„Lass nicht los, ich glaub daran. Dass das Schicksal das auch besser kann“ heißt es im Lied „Gedanken neu“.

Kiesling: Ich glaube viel an Glück und Anziehungskräfte. Glück ist beispielsweise, wo man geboren wird. Als weißer Mann in Deutschland hat man da ja den Jackpot gezogen. Dann geht es darum, mit wie viel Zuversicht man aufwächst, ob man sich mit zuversichtlichen Menschen umgibt, mit wie viel Liebe man ausgestattet wird und durch die Welt geht. Damit steht und fällt einiges. Damit ergibt sich das Schicksal, wenn man es denn so nennen mag.

Das neue Album „Solang die Erde sich dreht“ erscheint im September.

Kiesling: Der Titel hat uns immer ein gutes Gefühl, eine gute Energie gegeben. Die letzten Jahre waren sehr schwierig, es gab einige Schicksalsschläge. Wir haben aus der Musik und dem Bandgefüge viel Kraft gezogen. Der Titel passt zu diesem Gefühl: Egal, was passiert, wir haben immer uns, wir machen weiter, und es wird besser. Gleichzeitig kann man ihn auch auf gesellschaftliche Missstände ummünzen. Solange die Welt sich dreht, wird der Mensch sein Privileg auch für schlechte Dinge ausnutzen.

Der Band-Manager und zwei Väter von Bandmitgliedern sind in den vergangenen Jahren gestorben. Wie geht man damit um?

Kiesling: Wir sind uns einer gewissen Endlichkeit bewusst geworden. Und das mit Anfang 20. Also einer Zeit, in der man eigentlich denkt, dass man unsterblich ist. Wir gehen ein wenig anders durch die Welt, können die Dinge aber auch mehr genießen. Unsere Musik ist emotionaler geworden. Diese Schicksalsschläge haben uns geprägt. Es war wichtig, sie in unserer Musik zu thematisieren, zu verarbeiten.

Es geht in den neuen Songs auch darum, Dinge zuzulassen, die man nicht kontrollieren kann. Und sich einen gewissen Optimismus zu bewahren.

Kiesling: Mit Blick auf die Weltlage ist das sehr schwierig. Uns ist wichtig, informiert zu sein, zu Dingen eine Meinung zu haben und mit der auch nicht sparsam umzugehen. All die Krisenherde sorgen dafür, dass bei einem die eben angesprochene Zuversicht schwindet. Wenn alles so wild ist in der Welt, konzentrieren wir uns verstärkt auf unsere Community, auf unseren Wirkungskreis in Berlin und überlegen, was wir tun können, damit es den Leuten hier besser geht.

Konzert in Heilbronn

Samstag, 22. März, 20 Uhr, Maschinenfabrik Heilbronn, Supportband: Nikra, Tickets: ab 23 Euro, www.eventim.de und www.maschinenfabrik-hn.de.

Ist Van Holzen eine politische Band, Herr Kiesling?

Kiesling: Darüber haben wir in den vergangenen Wochen viel gesprochen. Wir sind eine politische Band, tragen die Inhalte aber nicht so direkt nach außen wie beispielsweise eine Punkband. Bei uns ist das ein wenig unterschwelliger. Aber wenn man genau hinhört, uns fragt oder die Stimmung auf unseren Konzerten spürt, merkt man, dass das politisch ist. Auf der neuen Platte werden wir auch textlich konkreter, sind weniger kryptisch.

Wir haben gerade eine Wahl hinter uns, die jungen Menschen in Deutschland haben verstärkt die Extreme – links und rechts – gewählt. Sie sind Mitte 20, wie erklären Sie sich das?

Kiesling: Das liegt natürlich vor allem an Social Media. Die AfD hat dort eine wahnsinnige Präsenz, hat eine große Kampagne bei Tiktok gefahren. Die haben sogar wir mitbekommen. Ich habe das Gefühl, dass die jungen Leute ähnlich besorgt sind wie die alten. Das äußert sich dann in der Wahl der extremen Ränder. Auch sie wollen, dass sich etwas verändert. Meiner Meinung nach sind viele Leute, die die AfD gewählt haben, fehlinformiert, viele wissen im Detail nicht mehr, warum sie sie überhaupt gewählt haben. Das AfD-Ergebnis bei jungen Wählern hat mich sehr erschrocken.

Sie und Ihre Bandkollegen haben als Teenager, noch minderjährig, einen Vertrag beim Major Label Warner Music unterschrieben. Mit welchen Gefühlen blicken Sie rückblickend auf diese Zeit?

Kiesling: Wie waren damals, vor zehn Jahren, sehr naiv. Aber ich schaue total gerne auf unser Debütalbum zurück. Wir fühlten uns total cool, weil wir auch so wenig wussten. Mit dem Wissen und der Erfahrung, die man im Musikbusiness sammelt, kommt oft auch etwas Verkrampftes. Das hat man am Anfang nicht. Wir haben uns über die Jahre einen spannenden Band-Spirit erhalten, weil wir uns als Charaktere gut ergänzen. Wir sind wie Puzzleteile, die gut zusammen passen. Es ist wichtig, dass wir Freunde sind und bleiben, nicht nur Businesspartner.

Wie oft wurden Sie schon gefragt, was der Bandname bedeutet?

Kiesling: Sehr oft (lacht).

Dann dürfen Sie es gerne noch einmal erklären.

Kiesling: Wir haben das Wort holzen im Duden gefunden als Bezeichnung dafür, Musik roh und hart einzuspielen. Das passte gut, unsere Musik war damals noch deutlich kantiger. Der Begriff klang uns aber zu punkig, wir haben das Van als Zusatz gewählt, um das Holzen ein wenig zu entschärfen.

Bandgeschichte

Van Holzen wurde 2015 von den Ulmern Florian Kiesling (Gitarre, Gesang), Jonas Schramm (Bass, Gesang) und Daniel Kotitschke (Schlagzeug) gegründet, die zuvor in gleicher Besetzung seit 2009 unter dem Namen Rockfish bereits mehr als 200 Konzerte gespielt hatten. 2016 wurde die Band vom Label Warner Music unter Vertrag genommen, seit 2019 ist sie bei Landstreicher Booking. Van Holzen spielten bereits als Vorband für Billy Talent und Royal Blood und haben bislang drei Alben veröffentlicht. 

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