Bis 5. Januar 2025 sind 81 Arbeiten von 64 Künstlerinnen und Künstlern der Region im Kunstverein Heilbronn, Allee 28/ Kunsthalle Vogelmann, zu sehen: täglich außer Montag von 11 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 19 Uhr. Am 24., 25. sowie 31. Dezember bleibt der Kunstverein geschlossen. Der Ausstellungstitel „Air de Paris“ lehnt sich an eine berühmte Arbeit von Marcel Duchamps an.
Nicht nur Stadt der Liebenden
Zwischen Klischee, Zitat und pfiffiger Idee: Unter dem Label „Air de Paris“ präsentieren Künstlerinnen und Künstler der Region Arbeiten zum Thema im Kunstverein Heilbronn.

Paris, das sind Klischees und Allgemeinplätze wie die Stadt der Liebe, des Chanson, der Bouquinisten entlang der Seine, Wahrzeichen wie der Eiffelturm, Arc de Triomphe, Notre Dame. Paris ist auch die Stadt des Absolutismus, der Könige und der Französischen Revolution. Für Kunst und Literatur ist Paris die Stadt der Moderne.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zieht Paris Intellektuelle, Künstler und Suchende aus Europa und der Welt an und wird zur Metropole der zeitgenössischen Kunst. Und feiert die Opulenz, den Luxus, die Frivolität. Noch heute ist vielen die Pariser Luft Synonym für Freiheit und Kreativität.
Bilder, Grafiken, Skulpturen und Objekte
„Air de Paris“ nennen Kunstverein und Künstlerbund Heilbronn nun ihre gemeinsame Ausstellung, in der Mitglieder beider Verbände Arbeiten zum Thema präsentieren. Wie stets zum Ende eines Jahres gerät dieses Finale Regionale zum Schaufenster für das Schaffen regionaler Künstlerinnen und Künstler.
81 Bilder, Grafiken, Skulpturen und Objekte sind in den Räumen des Kunstvereins in der Kunsthalle Vogelmann zu sehen, die dreiköpfige Jury aus Matthia Löbke, Carolin Wurzbacher und Klaus Rensch hat aus den 122 eingereichten Arbeiten von 68 Künstlern 81 ausgewählt. So unterschiedlich die eingesetzten Medien, so verschieden der formale Ansatz der Künstler, in zahlreichen Arbeiten dominiert das klassische Parisbild, einige geistreiche und witzige Ausnahmen gibt es wohl. Dass sich keiner der Kunstschaffenden mit dem heute modernen Paris auseinandersetzt, etwa mit La Défense und der Architektur dieser größten Bürostadt Europas, oder den Banlieues, den Vororten von Paris, die so gar nicht ins touristische Parisbild passen, ist ein Manko.
Pariser Luft in einer gläsernen Ampulle
Titelgebend für die Ausstellung ist eine Arbeit von Marcel Duchamp.1919 bringt Duchamp auf einer Amerikareise dem Sammlerehepaar Louise und Walter Arensberg als Gastgeschenk aus Europa eine gläserne Ampulle mit, gefüllt mit 50 Kubikzentimetern Pariser Luft. „Air de Paris“ ritzt er in winzigen Buchstaben auf das filigrane Gefäß, das heute im Besitz des nationalen französischen Museums für moderne Kunst im Centre Pompidou ist.
Die Künstlergruppe BMP, Detlef Bräuer, Karl May und Uli Peter, nehmen „Air de Paris“ wörtlich und überführen die Luftnummer. Ziemlich blumig riecht der Duft von BMP, ein Probierflacon steht auf einem Sockel, dazu läuft ein Werbevideo, in dem eine näselnde Stimme das neue Parfum anpreist und die drei in der Morgenröte nicht im Bois de Boulogne, sondern auf dem Scheuerberg bei Neckarsulm unter Gelächter tanzen, in den Video-Hintergrund ist der Eiffelturm projiziert.
Rotkäppchens Ausflug in die französische Kapitale
Ironisch plakativ hat Sonja Streng ihr Alter Ego Rotkäppchen bildstark nach Paris versetzt. Während Andreas Karl Schulze minimalistisch konzeptionell mit den Buchstaben „R De Paris“ spielt. Man kann die französische Kapitale auch als einen Baum aus Kondomen (de)chiffrieren wie Dagmar Gemmrich, auch andere Künstler hat der Pariser inspiriert. Das Pariser Licht am Morgen beim Blick über die Dächer hält Christiane Reyle fest auf einem pastos aufgetragenen Tableau.
Zwei Fine Art Pigment Prints auf Alu-Dibond von Monika Schürle sind eine Hommage an die Pariser Freiluftmaler, flirrend pointillistisch und abstrakt zugleich. Andreas Picks Skulptur „Fleur de Paris“ aus Blechteilen eines himmelblauen R2 verhandelt beiläufig und formal souverän das Thema. Während Regine Weimar in ihrer „Naturunterkunft“ die gar nicht so verborgene Kehrseite des Paris-Glamours auf den Punkt bringt: ein Zelt aus geklebten und verwobenen Absperrbändern mit zusammengerolltem Militaryschlafsack, sein Bewohner scheint obdachlos unterwegs zu sein in der Millionenstadt.
Ein kritischer Blick auf die Traumstadt Paris
Auch das langjährige Künstlerbund-Mitglied Alex Christmann, Jahrgang 1932, ist dabei mit dem expressiven Ölbild „Das rote Tee-Service“. Einen anderen Blick auf die Traumstadt wirft Miriam Wilke in „Air de Paris autour du Centre Pompidou“, eine Mischtechnik auf Leinwand, die zwei graue Belüftungs- und Abluftschächte des postmodernen Ausstellungskomplexes fokussiert. Und Sibylle Nestrasil mit kleinen, feinen Plastiken aus Seidenpapier, eine Kaschiertechnik mit dem lapidaren Titel „Die Luft ist raus“. Andere wie Alexander Raymond greifen zurück auf Themen der klassischen Moderne wie Kubismus und Collage. Zwischen Klischee, Zitat und pfiffiger Idee gibt es einiges zu entdecken.

