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Interview vor Konzerten in Stuttgart und Ludwigsburg
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Musiker Philipp Poisel: „Man muss im Schaufenster bleiben“

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Im Herbst 2024 geht der Ludwigsburger Singer-Songwriter Philipp Poisel mit seinem Neon Acoustic Orchestra auf Tour, kommt dabei auch nach Stuttgart. Im Dezember spielt er ein Solokonzert in Ludwigsburg. Vorab spricht der 41-Jährige über seine Dozentur in Künzelsau und seinen Nachholbedarf bei Social Media. 

Musiker Philipp Poisel spielt im Herbst und Winter Konzerte in Stuttgart und Ludwigsburg
Musiker Philipp Poisel spielt im Herbst und Winter Konzerte in Stuttgart und Ludwigsburg  Foto: Christoph Koestli

Herr Poisel, Sie kommen im Herbst nicht nur mit Band, sondern gleich mit einem ganzen Orchester auf Tour. Was macht die Besetzung mit Bläsern und Streichern mit Ihren Songs?

Philipp Poisel: Ich hoffe, dass sie die Songs veredelt und sich neue Aspekte zeigen. Im Idealfall werden intensive Momente geschaffen und der Inhalt der Lieder unterstrichen.

Wenn man Ihren Namen googelt, stößt man immer wieder auf Begriffe wie tiefgründig und emotional. Sind das für Sie auch Parameter, mit denen Sie an Musik rangehen?

Poisel: Natürlich brauche ich zu einem Lied einen Zugang, einen Einstieg, denn es hat ja auch immer etwas mit mir zu tun. Der persönliche Aspekt gibt einem Song Tiefe.

Haben Sie nicht manchmal Angst, nur Floskeln aneinanderzureihen?

Poisel: Die Gefahr besteht natürlich. Wenn man ein Album zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig haben will. Oder wenn einem während einer S-Bahn-Fahrt ein paar gute Zeilen eingefallen sind, aber man nicht weiß, wie man den Song zu Ende bringt. Ein Lied zu schreiben ist eben auch Arbeit, und man braucht nicht nur eine emotionale, sondern auch eine intellektuelle Leistung.

Apropos intellektuelle Leistung. Sie haben neben der Musik ein Architekturstudium absolviert.

Poisel: Ein Architektur-Studium dauert sehr lange, und ich habe doppelt so lange gebraucht wie meine Kommilitonen (lacht). Bis man wirklich ein Haus baut, vergehen dann aber noch mal Jahre. Für mich war das Studium vor allem eine Abwechslung zur Musik und für den Kopf eine unglaubliche Bereicherung, denn man beschäftigt sich mit sehr vielen Themen. Da geht es mal um Architekturgeschichte und beispielsweise die griechische Antike, dann geht es um Dinge wie Bildhauerei. Was ich mit dem Studium anfange, wird sich zeigen. In den kommenden zwei Jahren muss ich mich erst mal mit etwas beschäftigen, das ich bislang versäumt habe.

Was meinen Sie?

Poisel: Alles, was mit Social Media, mit Tiktok und Instagram zu tun hat. Ich bin daran einfach nicht so interessiert. Und doch ist es notwendig, weil ich von der Musik leben möchte und diese Online-Kanäle inzwischen dazugehören. Man muss im Netz ständig aktiv und im Schaufenster bleiben. Ich bin froh, dass es nach wie vor klassische Medien wie Zeitungen gibt. Sonst gäbe es mich als Künstler vielleicht gar nicht mehr.

Im vergangenen Jahr war Philipp Poisel Künstlerdozent am Campus Künzelsau der Hochschule Heilbronn.
Im vergangenen Jahr war Philipp Poisel Künstlerdozent am Campus Künzelsau der Hochschule Heilbronn.  Foto: MARCO SENSCHE

Musik wird von den meisten Menschen inzwischen digital gehört. Streamingdienste boomen, CDs kaufen immer weniger Menschen.

Poisel: Beim Streaming gibt es ein solches Überangebot, dass die Menschen Musik anders wahrnehmen als bei einem gezielten CD-Kauf. Die Musikbranche verändert sich ständig, man kann das in Ären einteilen. So ist ein durchschnittlicher Song heute nicht mehr dreieinhalb sondern zweieinhalb Minuten lang. Aber: Menschen werden immer Musik hören wollen, daran habe ich keinen Zweifel. Und es ist auch nicht so, dass die jungen Leute nur Musik aus Tiktok-Videos hören, sondern sie haben Playlisten, in denen Klassiker und Oldies einen Platz haben.

Sie waren vergangenes Jahr Künstlerdozent am Campus Künzelsau der Hochschule Heilbronn.

Poisel: Eine spannende Zeit. Die Studierenden haben dort höchst professionell ein Konzert vorbereitet. Es war mehr ein Gespräch auf Augenhöhe als eine Dozentur. Es gab Dinge, die die Studierenden von mir wissen wollten, und auch ich hatte Fragen. Die Frage, wie man an eine Plattenfirma kommt, wurde mir nicht gestellt, ist heute aber einfach weniger relevant. Musiker können sich im Internet inzwischen selbst und direkt vermarkten.

Sie wohnen immer noch in Ludwigsburg. Wieso hat es Sie nicht in eine der Metropolen verschlagen, nach Berlin oder Hamburg?

Poisel: Es gab mal eine Zeit, als viele Menschen aus meinem Umfeld nach Berlin gezogen sind. Doch zu dieser Zeit hat bei mir ein Lebensstil Einzug gehalten, der beinhaltet, viel unterwegs zu sein. Ich war auf Tournee, musste viel Promotion machen. Danach war ich froh, einfach meine Ruhe zu haben oder eine Fahrradtour machen. Ich lebe in Ludwigsburg, würde aber lieber in Stuttgart wohnen. Aber es muss bezahlbar sein, und wirtschaftlich ist da immer noch ein Unterschied.

Sie haben als Jugendlicher in einem Chor gesungen, gaben nach negativer Kritik aber wieder auf. Warum wurden Sie trotzdem Sänger?

Poisel: Wenn man eine Sache gerne macht, hat man auch keine Mühe dranzubleiben. Dass die Musik bei mir zum Beruf wurde, hatte auch ein wenig mit Glück zu tun. Aber: Wenn ich nicht auf der Bühne stehen würde, hätte ich trotzdem eine Gitarre zu Hause. Das Singen hat mich immer begleitet, und ich war in gewisser Weise hartnäckig.

Sie haben in einem Interview mal gesagt, dass Sie bislang als Aktivist zu wenig in Erscheinung getreten sind. Wie läufts inzwischen?

Poisel: Da geht immer noch ein wenig mehr. Es ist wichtig, seine Reichweite zu nutzen, um auf Themen aufmerksam zu machen. Ich würde nie Parteiwerbung machen oder einen Wahltipp abgeben, das ist jedermanns Privatsache. Aber ich stehe dafür ein, wenn es beispielsweise darum geht, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen.

Am 13. Oktober, 19 Uhr, spielt Philipp Poisel mit dem Neon Acoustic Orchestra in der Liederhalle Stuttgart, ein Solo-Adventskonzert in der Friedenskirche Ludwigsburg am 19. Dezember um 20 Uhr. Tickets gibt es in den Geschäftsstellen der Heilbronner Stimme und im Internet unter www.eventim.de.

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