Zwei Zauberhände und ein Steinway
Der Pianist Martin Helmchen erstmals beim Kulturring in der Harmonie

Der Befund nach einem beeindruckenden Klavierabend in der Harmonie: Bei Martin Helmchen handelt es sich um einen sensiblen, ernsthaften Künstler, der bescheiden auftritt, mit souveräner Technik und außergewöhnlicher Musikalität fesselt und dem es bei aller klanglichen Feinfühligkeit doch nicht an entschlossenem Zugriff mangelt. Ein eher unscheinbares Programm mit Werken von Bach (Partita Nr. 4 D-Dur), Schumann (Waldszenen op. 82), Webern (Variationen op. 27) und Schubert (Wandererfantasie) wertete er mit Hilfe seiner faszinierend vielfältigen Anschlagskultur und seiner Gestaltungskraft zu einem überwältigenden Konzerterlebnis auf.
Pedalgebrauch
In Bachs Partita betonte der Pianist die melodische Expressivität, was er durch ausgiebigen Pedalgebrauch unterstrich. Die Ouverture war von majestätischer Größe geprägt, ehe sie sich dann in einem locker dahinbrausenden Fugato entlud. Während Helmchen der Allemande mit rhapsodischer Freiheit begegnete, betonte er bei der Courante den tänzerischen Duktus. In der Sarabande horchte man bei dem im äußersten pianissimo genommenen Reprisenbeginn auf. Dem graziösen Menuett folgte eine Gigue, die, um an Durchsichtigkeit zu gewinnen, durchaus mehr non legato hätte vertragen können.
Schon nach den ersten Takten von Schumanns "Waldszenen" merkte man: Jetzt war der Künstler zu Hause, jetzt war er in seinem Element, Musik und Interpret verschmolzen zu einer unauflösbaren Einheit. Die einzelnen Stücke des neunteiligen Zyklus" bildeten bei aller Gegensätzlichkeit eine Einheit.
Hier kam nun auch die Domäne des Musikers zum Tragen: die Fähigkeit, leise Stellen unendlich fein abzustufen. Mit welch zarter Noblesse war "Eintritt" gestaltet! Welche Klangwunder ereigneten sich in "Verrufene Stelle"! Wie geheimnisvoll sang der "Vogel als Prophet"!
Blitzschnell
Aber dann gab es auch die Gegensätze: Im "Jäger auf der Lauer" imponierte das blitzschnelle Umschalten von einer Klanggestalt zur nächsten. Das "Jagdlied" ließ an den frühen, stürmischen Schumann denken, der mit seiner Klaviermusik die Welt erobern wollte. Im "Abschied" nochmals eine Klangoffenbarung. "Immer schwächer" steht im Notentext. Den Höreindruck zu beschreiben reichen Worte nicht. Weberns Variationen hörte man endlich einmal in der gebotenen klanglichen Differenzierung.
Über Schuberts Wandererfantasie kann immer wieder nur staunen. Wie weit hat der Liedkomponist sich da pianistisch vorgewagt, orchestrale Klangwelten geschaffen und harmonische Kühnheiten gewagt. All dies machte Helmchen mit imponierender Entschlossenheit und faszinierendem Klangsinn deutlich. Zwei Zauberhände und ein Steinway-Flügel: Mehr war nicht nötig, um Schuberts gewaltiges Opus in hellstem Licht erstrahlen zu lassen.
Das Publikum war so beifallsfreudig, dass es mit Zugaben von Bach/Reger, Mendelssohn-Bartholdy und Brahms dreifach beglückt wurde.