Was Frauen wollen
Chippendales bringen 2500 Mädels ins Schwitzen.

Wenn sich 2500 Frauen, überwiegend Ende 20, zwei Stunden lang wie von Sinnen die Seele aus dem Leib kreischen, dann kann es dafür eigentlich nur eine Erklärung geben: Die Chippendales sind mal wieder in der Stadt.
Was manchem Musiker bei einem zweistündigen Konzert nicht gelingt, schaffen die strippenden Tänzer aus den USA am Donnerstag in der ausverkauften Harmonie innerhalb weniger Sekunden mit dem bloßen Heben ihres Shirts: Die Zuschauerinnen springen jubelnd von ihren Sitzen auf und tanzen und klatschen im Takt der Musik, die auch in einer Großraumdisko gut aufgehoben wäre. Man könnte meinen, die Mädels hätten in ihrem Leben noch keinen nackten Mann gesehen. Zumindest keinen so gut gebauten.
Aufgebrezelt
Zwei Stunden lang unterhalten die Chippendales mit ihrem tanzlastigen Showprogramm und greifen dabei tief in die Klischeekiste. Sie tun, als trainierten sie als leichtbekleidete Sportler ihre beachtlichen Muskeln, schrubben als Matrosen das Deck und schwingen als Bauarbeiter den Hammer. Dem Gekreische im Saal nach zu urteilen, wünschen sich die Damen nichts sehnlicher, als einen Bauarbeiter zu Hause auf dem Sofa sitzen zu haben. Ob der sich nach getaner Arbeit auch so lasziv unter der Dusche räkelt, wie es der eine Chippendale in der Harmonie tut?
Viele der weiblichen Fans − Männer wurden nicht gesehen −, die mit der Mädelsclique oder vereinzelt im Mutter-Tochter-Gespann in die Harmonie gekommen sind, haben sich für die Jungs aus Kalifornien herausgeputzt. Einige scheinen es kaum erwarten zu können, auf die Bühne geholt zu werden. Als wäre es das Alltäglichste der Welt, lassen sie sich in 50 Shades of Grey-Manier fesseln oder legen für eine Einladung zur Afterparty einen filmreifen Lapdance hin. Wenn die Jungs kurz die Bühne verlassen und durchs Publikum gehen, tobt der Saal.

Lisa Gronbach, die beim Auftritt der Chippendales noch Lisa Ströbel heißt, schaut sich an ihrem letzten Abend als unverheiratete Frau das Treiben lieber aus der Ferne an. "Hammer Show", findet sie, "viel besser als erwartet." Was ihr Zukünftiger macht, während sie mit Freundinnen die Chippendales anschmachtet? "Der bereitet zu Hause die Hochzeit vor", sagt sie kichernd.
Vom angekündigten Gesang ist bei der "Get Lucky"-Tour der Chippendales nicht viel hören. Die Frauen stört das nicht, sie flippen immer noch aus, als sich ein- und derselbe Kerl zum zehnten Mal das Shirt vom wohldefinierten Leib reißt. Eine Gesangseinlage gibt es dann doch. Ein Chippendale singt in Kapitänskluft den "Fight Song", und bringt die Menge auch angezogen zum Kreischen. Zugegeben, der Lärmpegel wird ungleich höher, als sich die Kapitäne schließlich ihrer Uniform entledigen. Am Ende fällt die Boxershorts hinter vorgehaltener, amerikanischer Flagge. Ein paar Kostüme, eine relativ simple Show und viel nackte Haut − mehr braucht es augenscheinlich nicht, um Frauen zu unterhalten.
Ausgelassen
Auch wer einen anderen Männertyp bevorzugt oder wem durch einen Platz in den hinteren Reihen besonders prickelnde Anblicke vorenthalten bleiben, wird von der Show, der mitreißenden Musik und der ausgelassenen Atmosphäre im Saal angesteckt. Und vielleicht geht es am Ende gar nicht nur um die Männer, die sich hier im Scheinwerferlicht präsentieren. Sondern auch um die Mädels, die einfach mal unter sich sein dürfen.
Nachdem sich die Chippendales gefühlte 30 Mal aus- und wieder angezogen haben, verabschieden sie sich vom Publikum. Vorerst. Denn vor geschäftig aufgestellten Fotowänden können sich die Frauen mit den Muskelmännern ablichten lassen − nachdem sie die abgetrennte Wartereihe passiert haben.
In den zehn Euro, die dieser Schnappschuss kostet, ist wohl auch die Hoffnung enthalten, den Sonnyboys noch ein Stückchen näher zu kommen als alle anderen. Egal mit welcher Absicht die Zuschauerinnen zur Show gekommen sind, eines sind nach zwei Stunden Kreischen alle: heiser. Auch Lisa Gronbach am Tag ihrer Hochzeit. Egal, witzelt eine Freundin. Sie muss ja nur ein einziges Wort herausbekommen.
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