Mit Ironie ernste Themen verarbeiten - Vincent Stein von SDP im Interview
Am Samstag, 24. Juni, tritt das Berliner Duo SDP beim Würth-Open-Air auf. Vorab spricht Bandmitglied Vincent Stein im Interview über über Frisurentrends, Ironie und Coversongs für den Ballermann.

Durchatmen ist angesagt: Die Tournee von SDP, der selbsternannten "bekanntesten unbekannten Band der Welt", ist vorbei, die Festivalauftritte kommen demnächst. Da bleiben Vincent Stein nur ein paar Tage, um zu Hause eine kleine Stimmbandentzündung auszukurieren, wie der Musiker im Telefongespräch erzählt. Am Samstag, 24. Juni, wollen der 39-jährige Berliner und sein Duo-Partner Dag-Alexis Kopplin dann beim Würth-Open-Air in Künzelsau wieder Party machen.
Herr Stein, nächstes Jahr feiern Sie und Dag-Alexis Kopplin ein Vierteljahrhundert SDP. Wenn man sich Bilder von Ihnen Beiden anschaut, stellt man fest, dass Sie frisurentechnisch schon einiges ausprobiert haben in all den Jahren.
Vincent Stein: Wir haben an Frisuren mitgenommen, was man so mitnehmen kann. Dag hatte die Haare zum Beispiel mal so halb gefärbt, das hatte er sich bei Bela B von den Ärzten abgeschaut. Auf unserer Tournee, von der wir gerade zurück sind, habe ich einen Jungen gesehen, vielleicht so zwölf, 13 Jahre alt, der hat die gleiche Frisur gehabt wie ich in seinem Alter damals in den 90ern. Lange Haare als Zopf und darunter abrasiert. Die Trends scheinen also wiederzukommen.
Sei's als Kollegen oder Freunde: Warum funktioniert Ihrer beider Beziehung schon seit mehr als zwei Jahrzehnten?
Stein: Wir sind erfolgreich, nicht weil wir Musik machen, um Erfolg zu haben, sondern weil wir Freunde sind. Wenn man so viele Jahre miteinander verbringt, lernt man den anderen gut kennen. Man lässt ihm Ruhe und Freiraum, wenn er das braucht. Oder ist an seiner Seite, wenn er Hilfe benötigt. Das klappt nur, wenn man sich gegenseitig so akzeptiert, wie man ist.
Ihr aktuelles Album heißt "Ein gutes schlechtes Vorbild". Ich frage mal nicht nach Ihren Idolen, sondern: Sind Ihnen Menschen begegnet, über die Sie sagen, so möchte ich überhaupt nicht werden?
Stein: Ich kann Leute nicht leiden, die unfair und ungerecht sind, andere Menschen unterdrücken oder einfach eine schlechte Stimmung verbreiten. Ich bin ein Mensch, der nicht besonders religiös ist, aber ich glaube an Karma. Man sollte durch den Alltag und das Leben gehen und dabei sein Ding machen. Aber die Grenze ist dort, wo man andere Menschen verletzt. Da hört die eigene Freiheit auf.
SDP ist bekannt für seine ironischen Songs. Kommt das automatisch beim Schreiben, oder müssen Sie über den Texten so richtig brüten?
Stein: Zwar schreiben wir manchmal einen Song schnell runter, aber in der Regel überlegen wir sehr lange - auch wenn unsere Texte vielleicht nicht so klingen. Wie man an unserer Musik hört, sind wir sehr humorvolle Typen. Auch im Alltag sind wir um keinen Witz verlegen, egal wie gut oder schlecht er ist. Ironie ist eine angenehme Art, mit ernsten Themen umzugehen. Dann fangen Leute eher an nachzudenken, als wenn ich einen Song schreibe mit erhobenem Zeigefinger.
Zwischen Studio, Tour und Promo: Wie viel Zeit bleibt da noch für Hobbys? Sie selbst fotografieren ja gerne.
Stein: Mir wird tatsächlich nie langweilig. Ich habe einen Haufen Hobbys und bin ein Activity-Typ. Tauchen, fotografieren, wandern: Bei jeder Sache bin ich dabei. Aktuell überlege ich, ob ich den Flugschein mache.
Sie schreiben und produzieren auch Alben für andere Künstler. Kommt es vor, dass Sie sich denken, die Nummer hätte auch gut zu SDP gepasst?
Stein: Das passiert eigentlich dauernd. Umgekehrt ist es ganz oft so, dass ich mit SDP einen Song mache und denke, ach Mensch, das wäre doch was für Adel Tawil, Sido oder Kontra K. Dann frage ich die halt einfach. Darum haben wir auch so viele Lieder mit anderen Künstlern zusammen.
Und Partyschlagersänger wie Peter Wackel covern SDP-Songs...
Stein: Musikalisch wie urlaubsmäßig sind Ballermann und Après-Ski nicht so mein Ding. Das meine ich nicht abwertend. Es spricht gar nichts dagegen. Da sind Menschen, die haben auf eine ehrliche Art Spaß und eine gute Zeit. Ich finde es total cool, dass unsere Lieder da gehört werden, und freue mich immer, wenn andere Künstler unsere Musik covern. Aber wir machen keine Auftritte dort.
Apropos Auftritte: Haben Sie Rituale vor Ihren Shows? Wie kommen Sie auf Betriebstemperatur?
Stein: Tagsüber ist es bei uns viel ruhiger, als man sich das vielleicht vorstellt. Wir fahren deutlich runter, machen den klassischen Mittagsschlaf. Aber kurz bevor wir auf die Bühne gehen, peitschen wir uns richtig hoch. Wir singen uns ein, trinken einen Ingwer-Shot, natürlich ohne Alkohol, und machen uns vor allem körperlich warm. Jeder, der schon mal eine Show von uns gesehen hat, weiß, da geht"s richtig ab. Ich renne jeden Abend auf der Bühne zehn Kilometer.
In den Shows von SDP kommen unter anderem Konfetti-Regen, aufblasbare XXL-Tiere und Feuerfontänen zum Einsatz. Was erwartet Fans beim Auftritt am 24. Juni im Rahmen des Würth-Open-Airs in Künzelsau?
Stein: Unabhängig davon, was wir da in die Luft schießen werden, ist für mich an so einem Abend das Wichtigste, dass wir zusammen feiern. Dass die Leute nach Hause gehen und sagen: Das war die geilste Party des Jahres. Und nicht, dass sie das Gefühl haben, ich durfte mich jetzt ins Publikum stellen und diesen beiden Herrschaften zwei Stunden lang beim Singen zugucken.
Bandinfo und Tickets
Vincent Stein und Dag-Alexis Kopplin, beide 1983 in Berlin geboren, kennen sich bereits seit Schulzeiten. 1999 gründen sie das Duo Stonedeafproduction, kurz: SDP, 2004 bringen sie ihr erstes Album "Räuberpistolen" heraus. Es folgen Kooperationen unter anderem mit Sido, Adel Tawil, Bela B und Capital Bra. Mit "Ein gutes schlechtes Vorbild" erscheint 2022 die zehnte Studioplatte. Am zweiten Festivaltag des Würth-Open-Airs ist SDP zu Gast in Künzelsau. Karten für Samstag, 24. Juni, gibt es etwa online über www.kultur.wuerth.com.