Nichts für prüde Gemüter: "Der Watzmann ruft" verabschiedet sich in der Harmonie Heilbronn
Das Kult-Musical "Der Watzmann ruft" ging zum letzten Mal in der Heilbronner Harmonie über die Bühne. Für die letzte Aufführung in der Originalbesetzung mit Wolfgang Ambros gab es donnernden Applaus und Jodeln.

Hollarödulliöh schallt's von der Höh" und aus den Instrumenten der aus Tieren bestehenden Band, die sich in einem spektakulären Gewittersturm ihren Platz vor dem Bergpanorama erkämpft. "Auffi oder net auffi, des is hier die Frage," ruft der unheimliche schwarze Kapuzenmann in den dunklen Saal, der in dem Moment zu explodieren scheint, in dem eine weitere Gestalt auf der Bühne auftaucht.
Wolfgang Ambros gelten die Jubelrufe und der donnernde Applaus in der nahezu ausverkauften Harmonie, in der die teilweise in Dirndl und Lederhosen gekleideten Fans zum letzten Mal ein Kult-Musical in der Originalbesetzung miterleben dürfen.
"Der Watzmann ruft", dieses schräge Bergbauern-Drama mit Liedermacher Ambros als Erzähler, Klaus Eberhartinger (Erste Allgemeine Verunsicherung) als nymphomane Gailtalerin und den Wiener Kabarettisten Joesi Prokopetz (Vater und Knecht) und Christoph Fälbl (Bua und Knecht) ist nichts für prüde Gemüter.
Wer deftigen Dialogen und Liedern, eindeutigen Gesten und Körperhaltungen, nackten Brüsten, erotischen Tänzen und sprühendem Sexappeal nichts abgewinnen kann, ist fehl am Platz. Dazu der pulsierende Beat der Band um Pianist Günther Dzikowski sowie das lodernde Lichtspektakel über der Almhütte, dem Hochsitz und dem magischen Bergmassiv, das die Männer in den Abgrund zieht. Nichts für schwache Nerven.
Der Lockruf des Berges
"Hoch droben, geduckt unter der Last des Watzmann, haben sich ein paar Bergbauern angesiedelt. Sie haben ein hartes Leben und eine nicht greifbare Furcht. Wen er gerufen hat, den holt sich der Watzmann auch." Mit sonorer Stimme begleitet Wolfgang Ambros, sichtbar von seiner Krankheit gezeichnet, aber willensstark, die Entwicklung des Familiendramas, in dem der "verfluchte Watzmann", höchster Punkt im deutschen Teil der Berchtesgadener Alpen, die zentrale Rolle spielt. Immer wieder will "der Bua", Sohn des Bergbauern, dem Lockruf des Berges folgen. Ein Männerding, das stets final endet, was auch der Bergbauer bei seinem Sohn befürchtet.
Schaurig-schöne Kult-Inszenierung
Die beiden geben sich nichts in ihren unflätigen, dialektalen und manchmal körperlich ausartenden Auseinandersetzungen. Allein Prokopetz und Fälbl in diesen Rollen zu erleben ist zwerchfellerschütternd. Ihre Charaktere als buckliger Knecht mit Schnapsaffinität und wurstliebender Rollator-Schieber setzen noch eins oben drauf im Schicksal, das seinen Lauf nimmt. Symbolisch umgesetzt von am Berg krabbelnden Gestalten mit Stirnlampen, jodelnden Darstellern (das Publikum jodelt mit), die zwischendurch auf die Pirsch gehen, tanzenden Mägden im Dirndl und tanzenden Knechten mit Palmwedeln. Als Las-Vegas-Revue, einschließlich Striptease und barbusiger Verführung, ist "die Sünd" inszeniert.
Eberhartinger als Gailtalerin, im tief dekolletierten roten Kleid und mit blonden Zöpfen, einfach mitreißend. "So eine Sünde hat das gewisse Etwas, ein Leben vor dem Tod," musiziert die Band im Walzertakt, bevor die Gailtalerin auch den Bua um den Verstand bringt und der den Vater bittet: "Lass mich zieh"n". Der drischt ihm den Holzlöffel auf den Kopf, doch der Bua entwischt zwischen den väterlichen Beinen auf den Berg. Alles beten "der Weibsleut" hilft nichts, der Berg gewinnt.
"Manchmal hör ich ihn rufen, den Bua, ich muss auffi," ruft der Vater. Damit endet die schaurig-schöne Kult-Inszenierung vom Watzmann in Originalbesetzung. Tosender Applaus und das gemeinsam gesungene "Schifoan", Ambros" 70er-Jahre-Hit, beenden einen unvergesslichen Abend.

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