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Merkel, Gabriel und der Hund von Loriot

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Kabarettist Volker Pispers nimmt in der ausverkauften Harmonie kein Blatt vor den Mund

Von unserem Redakteur Heiko Fritze
 Foto: Mario Berger

Da steht er also und grinst schelmisch aus seinem Vollbart. Es ist ja auch zu absurd, was sich so alles abspielt in der Welt. Da erhält ein US-Präsident den Friedensnobelpreis, obwohl er eine Todesliste aufstellen lässt und gut 3000 Menschen per Drohnen töten ließ. Da hat Deutschland eine Kanzlerin, deren hervorstechendste Eigenschaft die stete Änderung ihrer Haltung ist − und man bescheinigt ihr Standfestigkeit. Und dann gibt es da den Bundespräsidenten, der in der Linken immer noch die Nachfolger der SED sieht, seit 25 Jahren schon.

Schonungslos

Volker Pispers zieht sich verzweifelt die Hand durchs Gesicht. "Die Merkel, die ist unbesiegbar", sagt er dann. "Die ist wie der FC Bayern München, nur ohne Pep." Man könne bei einer ihrer Fernsehansprachen auch den Ton abstellen und stattdessen den Loriot-Sketch mit dem sprechenden Hund abspielen − inhaltlich ändere sich nichts. "Und das Schlimme ist: Bei Gabriel ist die äußerliche Ähnlichkeit mit dem Hund noch größer." Fast schon hat der 57-Jährige resigniert, könnte man meinen.

Pispers legt schonungslos den Finger in die Wunde, zeigt auf, wo etwas schief läuft. Mehrere Male wissen die Zuhörer im voll besetzten Maybach-Saal der Harmonie Heilbronn nicht, ob sie lachen oder vor Wut brüllen sollen. Einmal klingt sogar ein "Skandal!" aus den Reihen.

Nein, Pispers ist keine Ulknudel, kein alberner Comedian, der die Menschen einlullt. Kein Profi-Prolet wie Mario Barth, keine Gute-Laune-Prophet wie Eckhart von Hirschhausen, kein hintergründiger Spaßmacher wie Dieter Nuhr. Und er braucht auch kein üppiges Bühnenbild, ein Stehtisch zum gelegentlichen Daraufstützen reicht ihm.

Der Rheinländer greift seit zwölf Jahren in seinem sich aktualisierenden Programm "...bis neulich" das auf, was gerade Deutschland und die Welt bewegt. Pegida, wieder zieht er die Hand verzweifelt durch das Gesicht. Hohlköpfe seien dies, keine Nazis, sondern Leute, die sich von dumpfen Parolen von den eigentlich drängenden Problemen ablenken lassen. Oder die Ukraine-Krise, alles andere als eine russische Aggression, sondern eher vom Westen angestiftet. Dass da eine demokratische Regierung aus dem Amt gejagt wurde, sei so kaum berichtet worden. "Russlands Aggression bestand immer darin, dass es sich verteidigt hat", sagt er und führt die beiden Weltkriege und Napoleons Feldzug als Beispiel an. Man ist geneigt, seinen Argumenten zu folgen.

Wirtschaft und Kaffeesatzlesen

Aber noch lieber greift Pispers die Wirtschaft an. Angefangen bei den Kaffeesatzlesern, sprich Forschungsinstituten, deren monatliche Prognosen alles seien, nur keine Vorhersage. Da tue sich besonders Ifo-Chef Hans-Werner Sinn hervor, "dem man die Vorsilbe Un leider gestrichen hat". Pispers rechnet vor, wie sich die Altersarmut bis 2030 ausbreitet, wie viele Menschen jetzt schon zu wenig verdienen, um überhaupt vorsorgen zu können, entlarvt die Riester-Rente als Quatsch und die Renten-Lücke als Rechenfehler. Bloß, dass diese Meldungen den Bürgern eingehämmert werden, von Medien-Konzernen, hinter denen Milliardäre stehen, wie Springer, Burda oder Bertelsmann.

Wenn er richtig sauer ist, nimmt er auch kein Blatt vor den Mund, da bleibe nur eine Bezeichnung, "da kommen die Silben Loch, Arsch, dum und mes drin vor", ätzt er.

Pispers reißt den Saal zu Lachen und Beifallsstürmen hin und sorgt passagenweise für nachdenkliches Schweigen. Man muss seine politische Meinung nicht teilen. Aber am Ende der zweieinhalb Stunden Programm geht man mit dem Gefühl nach Hause, dass es gut tut, dass dies mal jemand angesprochen hat.

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