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Massiver Gegendruck der Security

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Volles Haus am Mittwochabend im Hip Island. Die Fans pilgerten in das Szene-Lokal, um den Reggae-Künstler Gentleman live zu erleben. Der 39-Jährige gilt als der einzige deutsche Reggae-Musiker, der in Jamaika anerkannt ist. Die Veranstaltung enttäuschte jedoch viele Besucher.

Von Leonore Welzin
Der einzige deutsche Reggae-Musiker, der in Jamaika anerkannt wird: Gentleman ist längst ein internationaler Reggae-Headliner − hier beim Vieilles Charrues Festival in Frankreich 2013. Mittwochnacht war Gentleman im Hip Island.
Foto: dpa
Der einzige deutsche Reggae-Musiker, der in Jamaika anerkannt wird: Gentleman ist längst ein internationaler Reggae-Headliner − hier beim Vieilles Charrues Festival in Frankreich 2013. Mittwochnacht war Gentleman im Hip Island. Foto: dpa

"Für 17 Euro kann man nicht die Welt erwarten, aber eine Leinwand aufstellen, bei der kein Ton dabei ist? Wer macht denn sowas?", fragt Katharina empört. Seit ihrem 14. Lebensjahr ist die mittlerweile 25-jährige Studentin aus Deggendorf Fan des Reggae-Musikers Tilmann Otto − besser bekannt unter seinem Künstlernamen Gentleman.

Auf vier Konzerten hat sie Gentleman samt Band schon live erlebt, aber "so etwas Chaotisches wie diese Hip Island-Veranstaltung" hat sie noch nicht mitgemacht. Selbst für einen eingefleischten Fan wie sie, sind die Songs kaum verständlich: "Die Lautsprecher sind so aufgestellt, dass ich nur die Bässe höre." Immerhin sind "Dem gone" (2002) und "Superior" (2004) identifizierbar. Der typische "Gentleman Spirit aber geht hier in Heilbronn unter".

International anerkannt

Und das ist schade, denn Gentleman, der vor 20 Jahren erstmals einen Fuß auf jamaikanischen Boden gesetzt hat, bereits beim Gaffenberg Festival aufgetreten ist und seit einigen Jahren den Reggae in all seinen Facetten live rund um den halben Globus schickt, ist nicht nur der einzige deutsche Reggae-Musiker, der in Jamaika anerkannt wird, er ist mittlerweile ein internationaler Reggae-Headliner. Wen wundert es, dass zahlreiche begeisterte Fans zur Soundsystem Show ihres Idols ins Hip Island strömen − zum Teil sind sie über 200 Kilometer angereist.

Bei der Veranstaltung von Diginights spielte ein Soundsystem statt eine Live-Band, das bedeutet, der DJ wählt vorfabrizierte Tunes. Zwei Sängerinnen, Tamika Otto (Amerikanerin, Ehefrau von Gentleman) und Patricia Mwaura aus Kenya singen den Chorus.

Dazu hüpft ein gut gelaunter Gentleman auf zwölf Quadratmetern auf und ab, animiert zum Mitsingen und Mitspringen. Es reicht aber nur zum Arme-in-die-Luft, denn unangenehm viele Menschen drängen sich im Zelt, das für etwa 200 Menschen ausgelegt ist.

Viele echte Roots-Reggae-Freunde sind wenig angetan von den jüngsten Fusion-Experimenten, bei denen sich der 39-Jährige zu sehr am Mainstream orientiert. Die Enge, schlimmer als in der Tokioter U-Bahn, weckt Assoziationen zur Duisburger Love-Parade. Smartphone und Feuerzeug schwenken, das geht noch, manche balancieren ihre Halbliter-Plastikbecher Bier durch die Luft. Wohl dem, der keine Dusche abbekommt. Dröhnte die Vorgruppe noch lautstark "Life is life", gilt es jetzt, genau das zu retten. Schieben, Drücken und Drängeln, Panik liegt in der Luft. Nur dank massiven Gegendrucks der Security kann die Absperrung dem Druck der Menge standhalten. Wer ist der profitorientierte Veranstalter, der organisatorische Mindeststandards nicht berücksichtigt? Oder überfordert ist? Elend lange Schlangen vor den Toiletten sind unhaltbare Zustände − mit unliebsamen Folgen.

Bastian Biedermann aus Bretzfeld (33 Jahre) erinnert sich wehmütig an sein erstes Gentleman-Konzert beim Taubertal-Festival: "Kaum einer kannte ihn. Es war, als ob die Band nur für uns spielt, ein unvergessliches Erlebnis!"

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