"Ich hatte keine Lust mehr auf Haare"
Helmut Lotti macht auf seiner Comeback-Tour am 11. Mai in Heilbronn Station. Im Stimme-Gespräch erzählt er von Haaren, seinem Privatleben

Etliche Jahre war es ruhig um Helmut Lotti, den belgischen Crossover- und Popsänger. Am 27. April startet der 47-Jährige seine Comeback-Tour und gastiert am 11. Mai auch in der Harmonie Heilbronn. Bei einer Stippvisite in der Redaktion hat Andreas Sommer mit dem Sänger gesprochen, der nun selbstbewusst Glatze trägt und ein wenig an den Fußballer Arjen Robben erinnert.
Herr Lotti, Sie sind Belgier, haben Niederländisch als Muttersprache und in Deutschland viele Fans. Was bedeutet Ihnen Heimat?
Helmut Lotti: Heimat ist ein Platz, an dem man sich wohlfühlt, an dem es Leute gibt, die man liebt.
Wo leben Sie?
Lotti: Seit Januar in den Ardennen. Ich bin ein Landei geworden. Meine Ex-Frau ist in Antwerpen geblieben, und ich bin ins Ferienhaus gezogen, 30 Minuten südlich von Lüttich. Dort finde ich die nötige Ruhe und kann gut radfahren. Ich bin kein wirklicher Stadtmensch.
Zur Person
Helmut Lotti ist am 22. Oktober 1969 als Helmut Barthold Johannes Alma Lotigiers in Sint-Amandsberg bei Gent geboren. Der Crossover- und Popsänger wurde ab 1995 mit der populären Interpretation klassischer Musikstücke weit über Belgien hinaus bekannt und hat mehr als 13 Millionen Tonträger verkauft. Lotti war zwei Mal verheiratet und ist Vater einer Tochter. Der in den Ardennen lebende Sänger engagiert sich sozial für Kinder.
Was bedeutet Ihnen Deutschland?
Lotti: Ein sehr schönes Land, das fällt mir beim Durchfahren immer wieder auf. Es gibt noch viel Raum. Und ich arbeite gern in Deutschland, alles ist gründlich und gut organisiert.
Was sagen Sie zu dem neuen Populismus, der in vielen Ländern Europas grassiert?
Lotti: Das hat mit Angst zu tun. Mir fällt auf, wie schnell Menschen Angst voreinander haben. Und Krisen machen die Menschen egoistisch. Das sehe ich mit viel Unmut.
Sie sind ein Naturtalent, haben nie eine Gesangsausbildung genossen. Wie bereiten Sie sich stimmlich auf den Tourneestart vor?
Lotti: Ich gehe zu einem Gesangslehrer, vielleicht zwei- oder dreimal vor dem Start der Tournee. Auch, um meine Atmung zu schulen.
Schon als Kind haben Sie sich für Elvis Presley begeistert. Hält diese Begeisterung an?
Lotti: Auf jeden Fall. Elvis war auf jeder meiner CDs dabei. Auf dem neuen "The Comeback Album" sind fünf Titel versammelt, die Elvis auch gesungen hat.
Woher kommt eigentlich Ihr Name?
Lotti: Das war die Idee der Plattenfirma. Der Name mit den beiden "t" schaut gut auf der Plattenhülle aus. Mein richtiger Nachname Lotigiers, der aus dem Französischen stammt, ist schwer auszusprechen.
Warum die lange Pause?
Lotti: Ich wollte überlegen, wie es weitergehen soll. Aber eigentlich habe ich ja nie wirklich aufgehört. Ich habe in Belgien gearbeitet, eine Blues-Tournee gemacht, eine Stiftung gegen Kinderarmut gegründet, ein niederländischsprachiges Album gemacht und 30 Konzerte gegeben. Außerdem Rezitationen und andere Dinge auf Anfrage. Ich habe in Belgien viel Theater geschaut, saß in der Jury eines Theater- und eines Filmfestivals für unabhängige Produktionen.
Und jetzt haben Sie wieder Sehnsucht nach den großen Bühnen?
Lotti: Ja, nach 30 Konzerten mit dem niederländischen Album war ich frustriert. Ich hatte zwei Jahre daran gearbeitet, aber nach 30 Konzerten ist eben Schluss, weil Flandern ein zu kleiner Markt ist. Dann lieber wieder englisch und groß. Außerdem bin ich zu jung, um daheim zu sitzen und nur radzufahren.
Wie fühlen Sie sich?
Lotti: Ich bin schon aufgeregt und sehr gespannt. Lange habe ich nicht mehr so intensiv gesungen. Die Konzerte setzen sich aus zwei mal eine Stunde mit Pause zusammen, wobei der zweite Teil immer länger ist, und das viermal die Woche. Zwei Titel des neuen Albums habe ich geschrieben, "Make Believe" und "Lonely Road". "Faith, Hope And Love" ist ein flämisches Lied, das ich übersetzt habe. Im Album steckt ein Teil meiner Persönlichkeit.
Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Lotti: Ich bin Frühaufsteher und schlafe bis 6.30 Uhr. Heute morgen bin ich 50 Minuten gelaufen. Ich muss fit sein vor der Tour, das erreiche ich mit laufen und radfahren, Alkoholverzicht und nicht zu viel Essen vor Konzerten. Ein voller Magen auf der Bühne ist keine gute Idee. Ich esse um 16 Uhr, wenn ich um 20 Uhr auf die Bühne muss. Das Problem dabei: Welches Restaurant hat schon um 16 Uhr geöffnet? Bei größeren Hallen haben wir eigenes Catering. Immerhin haben wir 22 Musiker und die Crew dabei.
Sie sehen topfit aus.
Lotti: Ich fühle mich auch so. Neulich habe ich einen Test gemacht. Dabei kam ein biologisches Alter von 28 heraus.
Glückwunsch, da haben Sie auch sicher gute Gene. Was tun Sie in Ihrer Freizeit?
Lotti: Rennradfahren, in Museen gehen, Konzerte der Kollegen jedweder Stilrichtung besuchen, Ballett und modernen Tanz anschauen. Und ich gehe gern in die Opern in Antwerpen und Gent.
Sie waren 2008 und 2006 zuletzt in Heilbronn, haben Sie eine Erinnerung an die Stadt?
Lotti: Ehrlich gesagt, nein. Vielleicht erkenne ich die Halle wieder.
Gibt es Unterschiede zwischen dem Publikum in Belgien, den Niederlanden und Deutschland?
Lotti: Nur ganz kleine.
Ihr schönstes Tourerlebnis?
Lotti: 2001 in Australien mit dem Album "The Crooners". Es war toll, für ein englischsprachiges Publikum das eigene Repertoire zu singen. Die Australier lachten über die Scherze in den Texten, das war eine tolle Bestätigung. Gerne würde ich mal in Singapur und Asien touren.
Erstmals gehen Sie ohne Toupet und mit Glatze auf Tour.
Lotti: Ja, ich hatte keine Lust mehr auf Haare. Vorher sah ich aus wie ein Crooner (Anm. d. Red.: Sänger im Stil von Frank Sinatra), jetzt wie ein russischer Spion. Aber es hat sich noch niemand darüber beschwert.
Arbeiten Sie schon an einem neuen Album?
Lotti: Ja, aber das Thema ist nicht Europa.
Konzert in Heilbronn
Helmut Lotti gastiert am Donnerstag, 11. Mai, 20 Uhr, in der Heilbronner Harmonie. Karten gibt es in den Geschäftsstellen unserer Zeitung und online auf www.provinztour.de.