Das Le Café-Théâtre im Kaffeehaus Hagen wird 20 Jahre alt
2001 begründeten Cornelia Bielefeldt und Nicolas Kemmer die kleine, unabhängige Bühne. Dutzende Produktionen hat das Paar seither gestemmt - und sich eine Fangemeinde erspielt. "Wir müssen authentisch sein", beschreibt Bielefeldt das Erfolgsrezept.

Es ist ein Trauerspiel. Die Stühle liegen auf den zusammengeschobenen Tischen, das große Piano steht in einer Ecke, zugeparkt von Kartons. Dabei hätte an und für sich in diesen Tagen im Kaffeehaus Hagen ein kleines, feines Jubiläumsprogramm über die Bühne gehen sollen. Mit kleinen Szenen. Und viel Musik. Aber was ist schon berechenbar in Zeiten wie diesen?
Fakt ist: Am 26. Januar 2001 feierte das frisch begründete Le Café-Théâtre mit der musikalischen Revue "Heute Abend: Lola Blau" von Georg Kreisler im schmucken Kaffeehaus in der Christophstraße Premiere. Damals auf der Bühne, die noch gar keine richtige Bühne war: die Schauspielerin und Sängerin Cornelia Bielefeldt. Am Klavier: Nicolas Kemmer, der auch die Regie führte. "Ein Riesenerfolg", seufzen Cornelia Bielefeldt und Nicolas Kemmer unisono. "15 ausverkaufte Abende", sagen die beiden. Ein besserer Einstand war für eine kleine, unabhängige Bühne wie das Café-Théâtre kaum denkbar. Immer wieder setzte das Team die Revue des österreichischen Melancholikers im Laufe der Jahre und Jahrzehnte aufs Programm. Um die 60 Vorstellungen von "Lola Blau" sind so mit der Zeit zusammengekommen - und eine stetig wachsende Fangemeinde, die dem Café-Théâtre, das sich immer wieder neu erfunden hat, treu ergeben ist.
Politisch, philosophisch, amüsant: Das sind die Stücke von Le Café-Théâtre
Dutzende von Produktionen sind so entstanden. Cornelia Bielefeldt und Nicolas Kemmer inszenierten politisch wache Stücke wie Thea Dorns "Marleni", diesen wortgewaltigen fiktiven Schlagabtausch zwischen Marlene Dietrich und Leni Riefenstahl. Philosophisches wie die Geschichten von Éric-Emmanuel Schmitt gesellte sich dazu, Amüsantes aus dem gehobenen Boulevard oder auch ein Ein-Frauen-Stück wie "Mein letzter Film", von Oliver Hirschbiegel 2002 mit Hannelore Elsner verfilmt. "80 Seiten Text", seufzt Cornelia Bielefeldt. An einem Novembertag im Jahr 2011 saß dann Bodo Kirchhoff, der Autor des Romans, im Publikum. Und war begeistert.
Eine ganz eigene Fangemeinde haben auch ihre Chansonabende, die sie gerne Altmeistern wie Georges Moustaki, Charles Azanvour oder Reinhard Mey widmen. Nicolas Kemmer setzt sich für einen Moment ans Klavier, spielt Melodien an. Da ist diese Sehnsucht.
In den vergangenen 20 Jahren gab es auch einige Abschiede
Ja, die Bühne fehlt den beiden. "Und das Publikum", wirft Cornelia Bielefeldt ein und ergänzt: "Diese Nähe zum Publikum ist unglaublich." Faszinierend und verführerisch zugleich. Jede Reaktion bekommen sie mit, auch jedes verträumte Mitdirigieren aus den Reihen des Publikums. "Wir müssen authentisch sein", so Bielefeldt. Verstecken geht nicht. Genau diese Unmittelbarkeit hatte den beiden alten Theaterhasen an den großen Bühnen gefehlt.
Auf zwanzig Jahre zurückzublicken, heißt auch Abschiede verkraften zu müssen. Wegbegleiter wie die Schauspieler Hanno Wingler und Heinz Pfitzenmaier sind verstorben, ebenso ihre so vertraute Maskenbildnerin Ursula Schill oder der famose Bluesgitarrist Rudy Rotta, der ihnen längst ans Herz gewachsen war. Wehmütig erinnert sich das Paar an Fans des Italieners, die eigens aus dem Ruhrgebiet ins Kaffeehaus angereist waren. Kemmer und Rotta hatten noch eine gemeinsame Tour durch Deutschland, die Wallonie und Luxemburg geplant. Es blieb beim Plan.
Manch einen Traum haben sie sich in den letzten Jahren erfüllt: Längst geben Bielefeldt und Kemmer ihr Knowhow an eine junge Generation weiter. Bald, hoffen sie, auch wieder einmal mit ihrem Ensemble Just Act auf der Bühne zu stehen, einer Theatergruppe mit jungen Darstellern mit und ohne Migrationshintergrund.
Künstlerehepaar
Cornelia Bielefeldt wurde in Travemünde geboren und studierte Gesang und Schauspiel in Lübeck und München, feste Engagements führten sie ans Ernst-Deutsch-Theater nach Hamburg und ans Staatsschauspiel Stuttgart. Nicolas Kemmer, 1951 in Luxemburg geboren, studierte an den Musikhochschulen in Metz und Köln, bis 1979 war er am Schauspielhaus in Köln engagiert, Intendant Hansgünther Heyme entführte ihn dann als musikalischen Leiter nach Stuttgart. 1983 lockte ihn Klaus Wagner an den Berliner Platz. Zusammen entwickelten sie das Stadttheater zu einem Musical-Labor weiter, viele Uraufführungen inklusive. 2001 begründeten Bielefeldt und Kemmer im Kaffeehaus Hagen Le Café-Théâtre.
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