Warum Chris Talls Programm "Laugh Stories" trotz ausverkaufter Harmonie Heilbronn nicht funktioniert
Mit dem Programm "Laugh Stories" ist der bekannte Comedian am Samstag zu Gast in Heilbronn. Es wird ein schwacher Comedy-Abend, der aus mehreren Gründen nicht funktioniert – und mit emotionalen Worten von Chris Tall zu Ende geht.

Mit dem Ausdruck "Darf er das?" hat sich Chris Tall vor knapp zehn Jahren eine Art Markenkern geschaffen, die gezielte Grenzüberschreitung in einer leitmotivischen Frage zusammengefasst und sich damit vorgenommen, gegen wirklich alles und jeden auszuteilen. Das heißt auch: Witze gegen Minderheiten sind erlaubt, solange man auf Augenhöhe bleibt. 2024 ist der Comedian mit seinem fünften Bühnenprogramm "Laugh Stories" auf den Bühnen der Republik unterwegs. Am Samstagabend auch in der ausverkauften Harmonie.
Chris Tall hat es verstanden, sich in geschickter Weise zu vermarkten, als Komiker und als jemand, der regelmäßig durch die TV-Formate diverser Privatsender geschleust wird, ob als Gast oder Moderator. Der 33-Jährige, sympathisch und authentisch, kommt gut an beim Publikum. Auch bei den 2000 Fans in Heilbronn hat Tall leichtes Spiel, sie fressen ihm aus der Hand, völlig egal, was er sagt. Und doch müsste Talls Frage inzwischen lauten: "Muss er das auch (noch)?" Denn von den Grenzüberschreitungen ist fast nichts mehr übrig geblieben.
Kein roter Faden und wenig Gehaltvolles: So war der Auftritt von Chris Tall in der Harmonie Heilbronn
Vor allem fehlt es dem Comedy-Abend mit Chris Tall an drei Dingen: Substanz, Tiefgang und Originalität. Mit nach hinten gedrehtem Käppischirm und jeder Menge Energie fegt der Hamburger über die Bühne, geht offensiv auf sein Publikum zu, verwickelt gleich mehrere Leute in Gespräche. Viel Humor- oder Gehaltvolles kommt dabei aber nicht heraus.
Drei Damen in der ersten Reihe tragen Hüte in Form von Burgern auf dem Kopf. Viel kann Tall damit nicht anfangen, "ja, warum denn nicht". Ein Pärchen feiert seinen Hochzeitstag. Was? Sie hat ihm den Antrag gemacht und nicht andersherum? Wie peinlich.
Einen roten Faden hat das Programm nicht. Immer wieder schweift Tall von Themen ab. Die Hochzeit seines Adoptivbruders Martin bildet nur einen groben Rahmen – und ist Ausgangspunkt für einige Geschichten. Das beginnt beim Junggesellenabschied auf Ibiza, den Tall nicht nur organisiert, sondern auch humoristisch gestaltet.

Ein heimlich eingepackter Vibrator im Koffer des Bruders sorgt dafür, dass dieser vor dem Sicherheitspersonal am Flughafen bloßgestellt wird. Die Spanischkenntnisse sorgen vor Ort für zahlreiche Missverständnisse, oder wie Tall "lustig" übersetzt: "El Missverständnisso". Weiter geht es ins "asoziale Hotel", in dem man den Zimmermitbewohner dank einer Milchglasscheibe in der Badtür bei den großen Geschäften nicht nur hören, sondern auch sehen kann.
Klischees über Männer und Frauen: Das thematisiert Chris Tall in seinem Programm "Laugh Stories" in Heilbronn
Wie selbstverständlich biegt Tall zu den Themen ab, zu den Klischees, die schon zahllose Comedy-Kollegen vor ihm beackert haben, die aber wohl nach wie vor funktionieren. Und die mit Sätzen wie "Jeder kennt das" oder "Jeder hat so jemanden im Freundeskreis" eingeleitet werden. Gern gewählt: das Verhalten von Männern und Frauen. Klar geben Männer beim Junggesellenabschied immer wieder "Bumsen" und "Koks und Nutten" von sich, und logisch zicken sich Frauen hinterrücks an, wenn man sich nicht über die passende Kleidergröße der JGA-Shirts einigen kann.
Und sonst? Bietet Tall zwei Stunden flache Witze am Fließband. Vergebens sucht man nach einer zweiten Ebene, nach Gags, die sich erst mit ein wenig Nachdenken erschließen - und manchmal sogar nach Pointen. Mit Seitenhieben gegen Veganer ("Deren Kinder heißen Sprösslinge") und Klimakleber heimst man bei der Masse sichere Lacher ein. Ebenso mit Witzen über die eigene Pfundigkeit. Ja, haha, in der ersten Reihe sitzt ein weiterer dicker Mensch, "wir haben Blutgruppe Nutella". Dazwischen ist Zeit für schlechte Wortspiele: "Timing ist keine Stadt in China." Oder: "Meine Tante heißt Sentimen Tall." Auweia.
Emotionale Worte von Chris Tall als Zugabe
Immer wieder wird die Show unterbrochen, weil Fans an die Bühne treten und nach Autogrammen oder Fotos fragen. So nett es ist, darauf einzugehen: Der Fluss des Abends gerät dadurch zunehmend ins Stocken. Gegen Ende verkommt die Show dann zur Ballermann-Party, wenn Tall seinen "Hochzeits-Mix" abspielt und zum Ausrasten auffordert – zu der Musik von Matthias Reim, Michael Wendler und Wolfgang Petry oder zum umstrittenen "Layla".
In seiner Zugabe spricht der Comedian dann ernst über schwierige Zeiten, über Angst auf der Bühne, darüber, dass er sein Leben aufgeräumt hat, um glücklicher zu werden. Emotionale Worte nach einem schwachen Soloprogramm.