Feuer-Spektakel auf dem Cannstatter Wasen: Rammstein live in Stuttgart
Die Berliner Band spielt am Freitag und Samstag zwei Konzerte vor je 50.000 Fans. Rammstein liefern eine spektakuläre Bühnenshow mit großen Gesten, beeindruckenden Pyro-Effekten und einigen Provokationen. So lief der Auftritt am Freitagabend.
Die gigantische Stahlkonstruktion mit riesigem Turm und Hunderten Scheinwerfern ist nicht zu übersehen. In metallenen Braun- und Grautönen überragt die großflächige Bühne im Industrie- Look den Cannstatter Wasen - und ist damit die perfekte Kulisse für die beiden Konzerte von Rammstein am Freitag und Samstag, zu denen jeweils 50 000 Fans nach Stuttgart kommen.
Auch 28 Jahre nach ihrer Gründung hat die Berliner Band nichts an Strahlkraft verloren. Mit ihrer ganz eigenen Mischung aus Hardrock mit brachialen Riffs und Anleihen aus Metal und Industrial ist sie auch international schon länger die populärste deutsche Band. Und bietet live eine Show, bei der alles an Konzerttechnik aufgefahren wird, was der Markt hergibt.
Der Auftritt erinnert an ein morbides Theaterstück
Ein Auftritt von Rammstein ist geprägt von großen Gesten, nichts geschieht aus Zufall, alles ist durchchoreographiert. Manchmal erinnert das an ein morbides Theaterstück. Getragen wird dieses von Sänger Till Lindemann, der - grau-weiß-geschminkt - im Mittelpunkt steht und eine fast schon makaber-besinnliche Romantik verkörpert. Die Texte drehen sich um Sex, Gewalt und Grausamkeiten. Der Rest der Band liefert dazu stoisch den brachialen Soundtrack. Allein Keyboarder Christian "Flake" Lorenz turnt während der Lieder im goldenen Pailletten-Anzug auf einem Laufband.
Gewohnt wortkarg ist Lindemann auch am Freitag, außer einem "Stuttgart" und einem "Vielen Dank" gibt es keine wirkliche Ansprache ans Publikum. Egal, wichtiger ist bei Rammstein die Musik, die von einer ausgefeilten Lichtshow, von Konfettiregen, Feuersäulen, Rauch und anderen Pyro-Effekten begleitet wird. Besonders beeindruckend ist das beim Lied "Sonne". Denn während in Stuttgart die Sonne untergeht, lassen Feuersäulen an der Bühne und den Funktürmen den Wasen taghell erstrahlen.
Keine Videoaufnahmen und ein Flammenwerfer im Einsatz
Ein wenig kurios: Vor dem Konzert wird gebeten, keine Videoaufnahmen vom Konzert zu machen. Daran hält sich jedoch keiner, bei vielen Liedern sind Tausende Smartphones auf die Bühne gerichtet. Vier Lieder spielt die Band vom aktuellen Album "Zeit", der Rest ist ein Querschnitt durch die restlichen sieben Studioalben mit Hits wie "Du Hast", "Ich Will", "Radio", "Du riechst so gut" oder "Sehnsucht". Die Fans sind textsicher, vor der Bühne und auf den Tribünen werden die Fäuste in die Luft gereckt, Maske trägt fast niemand beim Open-Air. Das unbeschwerte Konzert-Erlebnis nach Corona - es scheint zurückgekehrt.
Rammstein sind Meister der Ambivalenz, kaum eine der Provokationen lässt sich eindeutig interpretieren. Auch live lieben die Berliner den Skandal: Zum Kannibalismus-Lied "Mein Teil" röstet Lindemann Keyboarder "Flake" mit einem Flammenwerfer in einem XXL-Kochtopf, beim Song "Puppe" wird ein überdimensional großer Kinderwagen mit selbigem Flammenwerfer in Brand gesetzt. Während des Lieds "Pussy" setzt sich Lindemann auf eine riesige, phallusartige Kanone und spritzt Schaum ins Publikum. Zwischendurch gibt Gitarrist Richard Kruspe den Techno-DJ und leitet mit stampfenden Klängen den Song "Deutschland" ein, seine Bandkollegen zeigen dazu eine Tanz-Choreographie mit leuchtenden Anzügen.
Spekulationen über ein Ende von Rammstein
Auch für politische Statements ist in der Show Platz. Vor "Ausländer" gibt es einen unkommentierten Beitrag zur Flüchtlingsthematik: Die Band wird vom Publikum in Schlauchbooten auf Händen Richtung Bühne getragen, Till Lindemann empfängt sie mit einem großen "Willkommen"-Schild. Nach knapp zweieinhalb Stunden verabschiedet sich die Band mit einem Kniefall, mit dem Lied "Adieu" und - wie sollte es anders sein - mit einem großen Feuerwerk.
Viel wurde von Fans und Presse gemunkelt, ob sich die Band mit dem im April veröffentlichten Album "Zeit" in den Ruhestand begibt. Schließlich dreht sich darauf vieles um Abschied und Vergänglichkeit. Ist Rammstein also aktuell auf der letzten Tournee? Die Musiker haben sich dazu bislang noch nicht geäußert. Doch vielleicht gehört auch das zu dem großen Mysterium, das die Band nach wie vor umgibt.


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