Stimme+
Stuttgart
Lesezeichen setzen Merken

16 gegen einen: Klaus singt alle an die Wand

   | 
Lesezeit  2 Min
Erfolgreich kopiert!

Rund 12.000 Zuschauer feiern die Scorpions in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle.

Von unserem Redakteur Andreas Gugau

 

Kurz vorm Karriereende und nach der offenbar beliebig verlängerbaren Abschieds-Tournee darf’s auch mal anders sein. Ohne E-Gitarre, ohne Bühnenshow, dafür mit Barhocker, ein bisschen griechischem Amphi-Theater auf der Bühne und so ganz ohne Langeweile haben die Scorpions am Sonntagabend in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle gespielt. Und wer gut aufgepasst hat, weiß seitdem auch, dass das wohl wieder nicht der letzte Auftritt der Hannoveraner in Stuttgart war.

Zum Ende des zweieinhalbstündigen Konzerts sagt Sänger Klaus Meine zwischen Zugabe vier und fünf „Vielleicht sehen wir uns bald mal wieder“. Und so unwahrscheinlich ist das nicht, angesichts des Abends. Denn bis dahin sind die rund 12.000 Zuschauer zu Hochform aufgelaufen, der Jubel so laut, wie man ihn auch bei anderen großen Konzerten bisher selten in der Schleyer-Halle gehört hat. Übrigens nicht ohne Grund, denn was die Scorpions bis dahin geboten haben, war hörenswert.

Große Besetzung

Und es ist eben nicht nur ein Abklatsch von „Wind of Change“ und ein paar Balladen, sondern ein begeisternder, wenn auch ganz unaufgeregter Abend. Ein bisschen ungewöhnlich mit moderater Lautstärke, einer ganzen Armada von Gastmusikern – 17 Köpfe werden auf der Bühne gezählt, die beiden Gastsänger Cäthe und Johannes Örding nicht mitgerechnet. Nur einer fehlt: Schlagzeuger James Kottak, der offenbar (genau weiß man das nicht) in Dubai inhaftiert ist. Er wird vom Schweden Johann Franzon ersetzt und gar nicht vermisst.

 

 

 

Am 27. Oktober 1977 spielten die Scorpions in Neckarsulm. Einen Nachbericht gab es damals in der Heilbronner Stimme keinen, aber zumindest zwei Tage vorher eine Ankündigung.

 

Am 27. Oktober 1977 spielten die Scorpions in Neckarsulm. Einen Nachbericht gab es damals in der Heilbronner Stimme keinen, aber zumindest zwei Tage vorher eine Ankündigung. 

 

Ohnehin konzentriert sich an dem Abend alles auf Klaus Meine, inzwischen 65 Jahre alt, aber nach wie vor mit einer präzisen, kraftvollen Stimme ausgestattet. Meine dominiert das  Konzert, lässt die Armada der Instrumentalisten mitunter zur bloßen Begleitmusik werden und auch Johannes Örding sieht kaum Land gegen den Scorpions-Frontman. Es ist eben so, dass Meine nicht nur gut pfeifen kann.

Was den Abend so kurzweilig macht, sind die kraftvollen Arrangements. 39 Jahre nach seiner Entstehung hat „In Trance“ nichts von seiner Kraft verloren, Cäthe kann Klaus Meine mit ihrer tiefen, starken Stimme ein wenig Paroli bieten und wenn die beiden singen „I take too much in the Saturday night“ („Ich nehme Samstagnacht zu viel“) dann kann man sich schon denken, dass es die Musiker früher ordentlich haben krachen lassen. Überhaupt ist das Konzert ein bisschen was für Nostalgiker. „In Trance“ dürften die Scorpions schon bei ihrem Auftritt am 27. Oktober 1977 im Paulussaal in Neckarsulm gespielt haben, „Speedy’s coming“ ist ganze 40 Jahre alt und war damals wohl auch auf der Setlist. 

Bilanz

Klaus Meine hat bei den vielen Instrumenten-Wechseln seiner Bandkollegen Zeit zu plaudern, er erzählt vom Lieferwagen, mit dem sie früher unterwegs waren, vom Irrflug auf dem Weg nach Novosibirsk, bei dem einige so voll waren, dass sie nicht einmal mehr bemerkt haben, dass das Flugzeug wieder zum Startflughafen zurückgekehrt ist. Zum kleinen Babyboom 1985/86 in Frankreich: „Das ist so lange her, man weiß heute nicht mehr so genau, wer von der Band alles daran beteiligt war.“ 

Nebensächliche Erkenntnis des Abends: Rudolf Schenker ist Gitarrist und das ist gut so. Bitte keine Gesangseinlagen mehr.

 

  Nach oben