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Konzert in Öhringen
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Umjubeltes Konzert von Konstantin Wecker in Öhringen

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Dem zeitlosen bayrischen Liedermacher Konstantin Wecker glückt in der Öhringer Kultura in einem umjubelten Konzert die Balance zwischen Persönlichem und Politik

Konstantin Wecker sang sich in Öhringen, frei nach einem seiner Lieder, "in die Seele des Volkes hinein".
Konstantin Wecker sang sich in Öhringen, frei nach einem seiner Lieder, "in die Seele des Volkes hinein".  Foto: Kunz, Christiana

Als Konstantin Wecker nach drei Stunden „Graçias a la vida – Danke dir, Leben!“ intoniert, singen in der ausverkauften Öhringer Kultura viele der 600 Besucher stehend mit. Das Lied, mit dem der Münchner in den 80ern mit Mercedes Sosa und Joan Baez große Hallen füllte, hört sich wie ein Fazit an. Ein Fazit auf das bewegte Leben des wohl größten Liedermachers deutscher Zunge, eines Lebemenschen und Menschenfreundes, der mit seinen 77 Jahren auf Höhen und Tiefen zurückblicken kann, was er bei seinem dreistündigen Gastspiel gerne tut – voller Dankbarkeit, mit viel Mut und mit weniger Wut als früher.

Konstantin Wecker (Mitte) mit Fanny Kammerlander am Cello und Jo Barnikel am Flügel.
Konstantin Wecker (Mitte) mit Fanny Kammerlander am Cello und Jo Barnikel am Flügel.  Foto: Kunz, Christiana

„Ich hab nun mal ein Herz für Träumer und Versager“

Von 600 Liedern, die er in 60 Jahren geschrieben hat, habe er heute jene ausgewählt, die ihn „persönlich weitergebracht“ hätten. Dabei seien „meine Lieder immer klüger gewesen als ich, sie sind mir zugefallen, passiert“, sagt Wecker und kokettiert mit seiner Macho-Vergangenheit, mit seiner Sturm- und Drang-Zeit. „Ich hab nun mal ein Herz für Träumer und Versager.“ Erst mit 50, nach der Geburt seines Sohnes Valentin, sei er erwachsen geworden. Dann stimmt der warmherzige Bayer zauberhafte Kinderlieder an, leitet zur eigenen Kindheit über. „Ich habe viel Glück gehabt, schon im Elternhaus.“ Der antiautoritäre Vater, ein Tenor und Kunstmaler, zog ihn mit italienischem Belcanto groß, die Mutter mit klassischen Gedichten. Er dankt es den Eltern mit Liebesliedern, in der Jugend allerdings mit Aus- und Einbrüchen, die ihn früh ins Gefängnis bringen. „Konstantin, ich hab dir immer gesagt, vom Künstler zum Verbrecher ist es nur ein kleiner Schritt“, sagt der Vater damals, „und du taugst nicht zum Verbrecher“.

Es folgen programmatische ältere Titel und Gedichte wie „Eine ganze Menge Leben“ oder „Wie du doch das Treiben satt hast“, teils neu arrangiert, begleitet von zwei kongenialen Musikern: Fanny Kammerlander am Cello und Jo Barnikel, der dem alternden Meister das Klavierspiel abnimmt.

Konstantin Wecker in der Öhringer Kultura.
Konstantin Wecker in der Öhringer Kultura.  Foto: Kunz, Christiana

Gegen die „lebensbedrohliche Seuche“ des Nationalsozialismus

Nach der Pause balanciert Wecker zwischen Persönlichem zum Politischem. „Allen Antifaschisten zugeeignet“ ist sein Filmtitel auf „Die Weiße Rose“, „auf Sophie und Hans“, dass beide im nahen Forchtenberg lebten, sagt er leider nicht. Kämpferisch erklärt der Münchner, warum es heute wieder so wichtig ist, gegen die „lebensbedrohliche Seuche“ des Nationalsozialismus einzutreten, warum er „kein Patriot“ sein kann. Dann ruft Wecker „Kein Volk, kein Staat, kein Vaterland!“ und „Sag nein!“ Fast alle im Saal erheben sich, klatschen im Takt.

Bald klagt Wecker ein „imperialistisches Europa“ an, träumt vom anarchistischen „Utopia“ spricht vom „grenzenlosen Wir“, appelliert angesichts der Flüchtlingskrise: „Denkt mit dem Herzen!“. Und: Er verbindet in Liedern wie Hannes Waders „Toter Soldat“ Politik und Spiritualität. Sein programmatisches Begrüßungslied ist tatsächlich wahr geworden: „Er sang sich in die Seele des Volkes hinein.“

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