Kirrer Mann, mysteriöse Frau: „Achterbahn“ von Eric Assous auf dem Theaterschiff Heilbronn
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Älterer Mann schleppt junge Frau ab, die seine Tochter sein könnte: Was nach einem ausgetretenen Motiv klingt, dem weiß der französische Autor Eric Assous in „Achterbahn“ einige unerwartete Momente abzugewinnen. In der Regie von Andreas von Studnitz überzeugt die witzig-wendungsreiche Komödie auf dem Heilbronner Theaterschiff.
Wen hat er sich da eigentlich ins Haus geholt? Pierre (Heiko Dietz) hofft auf ein amouröses Abenteuer mit Juliette (Conny Krause).
Foto: Seidel, Ralf
Freiheit, doziert er, bedeute, nichts zu besitzen und dabei über die Mittel zu verfügen, sich alles leisten zu können. „Klingt nach Geiz“, kontert sie knapp. Nach ein paar Drinks in einer Bar ist man bei ihm zu Hause gelandet, und plötzlich ist doch nicht mehr klar, worauf der Abend hinauslaufen wird. Weil das Anbändeln anders läuft als erwartet und sie alles andere ist als ein naives Ding.
Älterer Mann schleppt junge Frau ab, die seine Tochter sein könnte: Was nach einem ausgetretenen Motiv klingt, dem weiß der französische Starautor Eric Assous in seiner Erfolgskomödie „Achterbahn“ einige unerwartete Momente abzugewinnen. 2004 in Paris mit Alain Delon und Astrid Veillon uraufgeführt, wird das Zwei-Personen-Stück nun auf dem Theaterschiff Heilbronn gezeigt in einer Inszenierung von Andreas von Studnitz mit Heiko Dietz und Conny Krause in den Hauptrollen.
Ein Abend, der anders läuft als erwartet
Und die erste Überraschung lässt nicht lange auf sich warten an diesem Abend. In der Wohnung von Pierre stößt die attraktive Juliette auf ein Foto und bohrt hartnäckig nach. „Ich bin ein Ehemann, der noch im Amt ist“, rückt der Mitfünfziger schließlich mit der Wahrheit heraus, Frau und Sohn, die gerade im Skiurlaub sind, verschwiegen zu haben.
Dass die 32-Jährige daraufhin versichert, die Finger von verheirateten Typen zu lassen, tut Pierre als moralinsaure Phrase ab und fühlt sich umso mehr herausgefordert: „Ich mag keine Blitzsiege.“ Bis er sich fragen muss, wen er sich da eigentlich ins Haus geholt hat, als Juliette plötzlich die Maske fallen lässt, ihn lüstern anbaggert und wissen will: „Wie fanden Sie mich als anständige Frau?“
Regie und Ausstattung arbeiten mit minimalen Mitteln
So folgt eine Wendung auf die andere, geht es für den Abschlepper und seine Eroberung auf und ab in „Achterbahn“, das Regisseur Andreas von Studnitz ohne viel Beiwerk auf die Bühne gebracht hat. Für ein bisschen Atmosphäre werden hier und da ein paar Songs eingespielt. Ausstatter Heinz Konrad deutet mit minimalen Mitteln ein Pariser Appartement an.
Mehr braucht es auch nicht. Von Studnitz, ehemaliger Intendant des Theaters Ulm und derzeit noch mit seiner KI-Performance von Kleists „Der zerbrochne Krug“ auf dem Theaterschiff zu erleben, kann sich bei diesem Kammerspiel auf Assous’ clever-witzige Dialoge und die Darsteller verlassen.
Zum Autor
1956 in Tunis geboren, zieht Eric Assous 1974 nach Frankreich, um an der Kunstakademie in Paris zu studieren. Doch schon bald wendet er sich dem Schreiben zu: Krimis, Hörspiele, Sketche, Feuilletons. Er arbeitet auch fürs Fernsehen und verfasst Theaterstücke. Zweimal gewinnt Assous den Prix Molière als zeitgenössischer Gegenwartsautor. 2014 zeichnet ihn die Académie Française für sein dramatisches Gesamtwerk aus. 2020 stirbt Eric Assous in Paris. Die Komödie „Achterbahn“ (französisch: „Les Montagnes Russes“) wurde 2004 im Théâtre de Paris uraufgeführt, deutsche Erstaufführung war 2009 in der Komödie im Marquardt in Stuttgart.
Abschlepper Pierre gibt kein gutes Bild ab
Heiko Dietz’ Pierre ist kein skrupelloser Verführungskünstler und galanter Haudegen wie man sich hierzulande noch immer Giacomo Casanova vorstellt, der diesen Mittwoch seinen 300. Geburtstag gefeiert hätte. „Ich bin ein einfacher Typ, Durchschnitt“, sagt dieser Normalo über sich selbst. Die Führungsposition bei einem Linsenhersteller für Fotoapparate? Entpuppt sich als Job irgendwo auf mittlerer Ebene. Der BMW? Ist de facto ein Peugeot.
Und so gibt Pierre, den nach 16 Jahren Ehe die Aussicht auf ein amouröses Abenteuer reizt, keine gute Figur ab und legt Assous dessen verlogenen Umgang mit Ehe und Sex schonungslos offen. Seine Eitelkeit, Dummheit, Selbstzweifel treten zutage, je weiter der Alkoholpegel des Raubvogels steigt und Juliette ihn ins Verhör nimmt. Conny Krause schlüpft in dieser Rolle in immer neue Persönlichkeiten. „Es ist nicht schwer, einen Mann kirre zu machen“, weiß sie als mysteriöse Unbekannte, um deren wahre Identität und Motivation „Achterbahn“ kreist.
Das Rätsel des Stücks: Wer ist diese Juliette?
Regie und Ensemble gelingt es, über eindreiviertel kurzweilige Stunden inklusive Pause die Spannung zu halten in diesem intelligent konstruierten Rätselraten, das ebenso leisen, melancholischen Augenblicken Raum gibt und bei dem sich nicht nur Pierre, sondern auch der Zuschauer fragt, welches Spiel hier eigentlich gespielt wird.
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