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Screening und Filmgespräch in den Arthaus Kinos
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Kinofilm „Holy Meat“ wurde größtenteils in der Region Heilbronn gedreht

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Fleischliches aus der schwäbischen Provinz: „Holy Meat“ ist eine düstere Komödie über die katholische Kirche und dörfliches Leben. Vor der Baden-Württemberg-Premiere am Donnerstag, 11. Dezember, in Heilbronn sprach Regisseurin Alison Kuhn über ihr Spielfilmdebüt.

Und führe uns nicht in Versuchung: Jens Albinus spielt Pater Oskar Iversen in der düsteren Komödie „Holy Meat“.
Und führe uns nicht in Versuchung: Jens Albinus spielt Pater Oskar Iversen in der düsteren Komödie „Holy Meat“.  Foto: Matthias Reisser

„Glaube ist etwas Wunderbares. Das Problem sind die organisierten Strukturen der katholischen Kirche, die frauenfeindliche Positionen bezieht und Missbrauchsfälle nicht aufdeckt“, sagt Alison Kuhn. Die Regisseurin, Jahrgang 1995, ist gerade auf Promo-Tour mit ihrem fiktionalen Langfilmdebüt: „Holy Meat“ handelt von einer dörflichen Laieninszenierung der Passion Christi, die zu einem blasphemischen Rave ausartet. Am Donnerstagabend, 11. Dezember, hat die düstere Komödie Baden-Württemberg-Premiere im Arthaus Kino Heilbronn mit anschließendem Filmgespräch, auch Kuhn hat sich dazu angekündigt.

In „Holy Meat“ lässt sich Pater Oskar Iversen aus zunächst unklaren Gründen von seiner dänischen Insel ins schwäbische Winteringen versetzen. Dabei steht die Pfarrei dort kurz vor der Auflösung. Oskar will das Ruder herumreißen: Eine spektakuläre Inszenierung der Passionsgeschichte soll den theaterbegeisterten Erzbischof vom Erhalt der Gemeinde überzeugen. Doch Oskar hat seine Rechnung ohne Regisseur Roberto, der von der Berliner Theaterszene gecancelt wurde, und die unfreiwillig zurückgekehrte Metzgerin Mia gemacht.

Der Pastor, der Regisseur, die Metzgerin: Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt

Ob es schon Reaktionen seitens der katholischen Kirche gab, weil in einer (Theater-)Szene ein Schwein im Käfig den Erlöser darstellen soll? Alison Kuhn, die auch das Drehbuch zu „Holy Meat“ geschrieben hat, verneint. „Aber auf jeden Fall spannende Gespräche, die wir nach Screenings auf Festivals hatten.“ Generell wichtig zu betonen ist der Regisseurin, dass die Kernaussage nicht in der Blasphemie liegt und der Film ohnehin aus mehr besteht als das gotteslästerliche Theaterstück, das die Figuren aufführen, um zu provozieren. „Der Film vertritt grundchristliche Werte: Nächstenliebe, Empathie, Perspektivwechsel“, sagt Kuhn im Telefoninterview auf dem Weg von Berlin nach Münster, das ebenfalls Station ist auf ihrer Tour.

Von einer dreifaltigen Struktur der Dramaturgie, einem Triptychon, spricht Alison Kuhn, weil die Ereignisse in „Holy Meat“ im Wechsel aus der Sicht Oskars, Robertos und Mias beleuchtet werden. „Die Prämisse des Films ist, dass man eine Situation auch mal aus den Augen seines Gegenübers anschauen sollte, das man vielleicht verteufelt. Und dann sehen die Dinge vielleicht ganz anders aus“, so die 30-Jährige.

Als Deutsch-Vietnamesin in einem katholischen Dorf im Saarland aufgewachsen, hat es Kuhn gereizt, eine Geschichte im dörflichen Kontext zu entwickeln. „Heutzutage spielen einfach wahnsinnig viele Filme in Großstädten“, sagt die Regisseurin und erzählt von Missbrauchfällen, die an ihrer Klosterschule aufgedeckt wurden, als sie dort gerade die Oberstufe besuchte. „Das hat schon einen Denkprozess bei mir angestoßen, ich dachte aber, da wäre es jetzt naheliegend, etwas Dramatisches oder einen Dokumentarfilm zu machen.“ Warum sie sich stattdessen für eine Komödie entschieden hat? „Gerade wenn man solche Themen anspricht, holt man mit Humor mehr Menschen ab“, ist Alison Kuhn überzeugt.

Über Regisseurin, Autorin und Schauspielerin Alison Kuhn

Alison Kuhn, 1995 in Saarbrücken geboren, studierte an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Währenddessen realisierte sie zwei Kurzfilme und einen Dokumentarfilm, für den die deutsch-vietnamesische Regisseurin, Autorin und Schauspielerin mit dem Deutschen Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet wurde. „Holy Meat“ ist Alison Kuhns erster Kinospielfilm. Seit Oktober ist auch die von ihr mitinszenierte Thriller-Serie „Schattenseite“ in der ARD-Mediathek verfügbar. Kuhn lebt in Berlin.

„Ich habe mich in die Gegend um Heilbronn verliebt", sagt Alison Kuhn, die bei "Holy Meat" Regie geführt und auch das Drehbuch dazu geschrieben hat.
„Ich habe mich in die Gegend um Heilbronn verliebt", sagt Alison Kuhn, die bei "Holy Meat" Regie geführt und auch das Drehbuch dazu geschrieben hat.  Foto: URBAN RUTHS BERLIN

Warum der Dreh für Alison Kuhn ein wilder Ritt war

Innerhalb von 22,5 Tagen wurde der Dreh gestemmt. „Wir hatten produktionell alles, was man bei einem Debüt eigentlich vermeiden sollte: Wir hatten Tiere und Kinder am Set, wir hatten einen Nachtdreh, wir hatten Intimszenen und Stunts“, blickt Kuhn auf ihr ambitioniertes Projekt zurück. „Dieses Dorf, das wir zeigen, existiert nicht, wir haben das zusammengestückelt aus vielen verschiedenen Orten, die alle woanders sind“, erklärt die Filmemacherin. Gedreht wurde zwischen Oktober 2023 und Februar 2024 – und zwar hauptsächlich bei und in Heilbronn, aber auch in Stuttgart und Kopenhagen. „Ich habe mich in die Gegend um Heilbronn verliebt und fand das toll, dass es dort diese Weiten hat und filmisch alles noch nicht so abgegrast ist wie viele andere Orte“, sagt Kuhn.

Geschockte Gottesmänner: Pater Oskar Iversen (Jens Albinus, rechts) und der Erzbischof (Andreas von Studnitz, links) können ihren Augen kaum trauen, als eine Inszenierung der Passion Christi zum blasphemischen Rave ausartet.
Geschockte Gottesmänner: Pater Oskar Iversen (Jens Albinus, rechts) und der Erzbischof (Andreas von Studnitz, links) können ihren Augen kaum trauen, als eine Inszenierung der Passion Christi zum blasphemischen Rave ausartet.  Foto: Matthias Reisser

Mit Schauspieler Jens Albinus in der Rolle des Paters konnte die Produktion ein bekanntes Gesicht aus Dänemark gewinnen. „Das kann ich bis heute nicht fassen“, freut sich Kuhn noch immer über die Zusage des Schauspielers, der viel mit Regisseur Lars von Trier gearbeitet hat und in der Krimiserie „Der Adler“ zu sehen war. In einer Minirolle als Erzbischof ebenfalls dabei ist Andreas von Studnitz, der in Heilbronn kein Unbekannter ist. Mit seinem Solo „Event“ und dem „Zerbrochnen Krug“ als KI-Performance war der Schauspieler und langjährige Intendant des Ulmer Theaters auf dem Theaterschiff zu erleben.

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