Kabarettist und Liedermacher Lennart Schilgen zu Gast in Brackenheim
„Abwesenheitsnotizen“ heißt das aktuelle Bühnenprogramm von Lennart Schilgen. Darin verrät der Kabarettist unter anderem, wie die Musik von Pur und Reinhard Mey sein Leben veränderte. Zum Beispiel durch Post von einem Anwalt. Eindrücke vom Abend in der Kapelle im Schloss in Brackenheim.

Für Lennart Schilgen war die musikalische Sozialisation teilweise traumatisch. War unter den Kassetten, die er von den Eltern als Heranwachsender zu hören bekam, doch auch eine Kassette mit Liedern der Band Pur aus Bietigheim-Bissingen. Mit der Vorliebe für die Popgruppe geht man nicht gerne hausieren, vor allem nicht, wenn man „im Herzen ein Rock’n’Roller“ ist, wie der Kabarettist und Liedermacher sagt. Zeit also, sich der dunklen Vergangenheit zu stellen.
Aus Purs „Abenteuerland“ wird bei Lennart Schilgen im Refrain aber „Komm wir singen Lagerfeuersongs“, und damit die Aufarbeitung eines weiteren Traumas – eine Jugendfreizeit, bei der Schilgen lieber Gameboy spielen wollte, anstatt in der Gemeinschaft zu singen.
Lennart Schilgen in Brackenheim: Lieder über Beziehungen und Unzulänglichkeiten
Generell dreht sich viel um Erinnerungen, um Blicke in den Rückspiegel in „Abwesenheitsnotizen“, dem neuen Programm des gebürtigen Berliners, mit dem er am Samstagabend zu Gast in der Kapelle im Schloss in Brackenheim ist. Und dort wie immer nach bewährtem Konzept verfährt: „Ich spiel Lieder – ihr hört zu.“
Schilgen wechselt von der Akustikgitarre ans Klavier, spielt Songs über Zwischenmenschliches, Beziehungen, über „unerfreuliche Kommunikation“. Immer wieder geht es schonungslos um die eigenen Unzulänglichkeiten: das Schleifenlassen von Freundschaften in „Ich melde mich nicht“ oder den Drang beziehungsweise den Zwang ein People Pleaser zu.
Beginnend mit dem Einser-Zeugnis in der Grundschule bis hin zum unterwürfigen Verhalten in der Beziehung. Überschrieben mit Sätzen wie „Alles, was ich will, ist Erwartungen erfüllen“, oder als Statement der musikalischen Konformität: „Ihr wollt Kontroversen? Haut ab und hört Bob Dylan“.

Schilgen changiert während des zweieinhalbstündigen Abends zwischen Gedichten und Liedern. Der Humor des 37-Jährigen ist feingeistig, hintersinnig, eine Pointe braucht es nicht zwangsläufig. Dann geht es auch mal um eine flüchtige, nächtliche Begegnung an einer Bushaltestelle, möglich gemacht durch die Unzuverlässigkeit der Berliner Verkehrsbetriebe. Das Happy End bleibt aus, Gedanken an eine mögliche große Liebe, an zwei Menschen, die das Schicksal zusammengeführt hat, verfliegen so schnell wie der Alkoholrausch.
Lennart Schilgen in Brackenheim: Post vom Anwalt von Reinhard Mey
Schilgen ist auf der Bühne angenehm zurückhaltend und doch äußerst präsent, fast schüchtern haucht er ein Dankeschön ins Mikrofon. Highlights an einem gelungenen Abend sind das „Entschlossenheitslied“ („Wahrer Mut ist Wankelmut!“) und eine augenzwinkernde Hommage an Kult-Liedermacher Reinhard Mey.
Der hatte dem Berliner Kabarettisten mit einem Anwaltsschreiben untersagt, einen seiner Songs, obwohl Schilgen ihn umgetextet hatte, weiter zu spielen. Ein Song weniger im Repertoire, doch Schilgen kontert mit der Eigenkomposition „Der Tag, an dem ich Post von Reinhard Meys Anwalt bekam“ und einer herrlich-treffenden Imitation des Chansonsängers. Bravo!