Interview zu 65 Jahre WKO Heilbronn: „Die Qualität steht über allem“
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Im Jahr 1960 wurde das Württembergische Kammerorchester Heilbronn von Jörg Faerber gegründet. Zum 65-jährigen Bestehen blicken WKO-Intendantin Katrin Kirsch und Orchestermitglied Georg Oyen auf Hochzeiten und Herausforderungen.
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Das Württembergische Kammerorchester Heilbronn wird in diesem Jahr 65 und ist damit genau so alt wie Sie, Herr Oyen. Was macht diese Zahl mit Ihnen?
Georg Oyen: Da geht man ja normalerweise in Rente (lacht). Grundsätzlich ist 65 Jahre aber für ein Orchester kein Alter. In gewisser Weise befindet man sich zwischen zwei Ären. Beide verbindet unser Jubiläumskonzert vergangene Woche: Pianist Rudolf Buchbinder, der eng und lange mit dem WKO in Kontakt steht und an die alten Zeiten anknüpft, und unser Chefdirigent Risto Joost, der die neue Ära vertritt. Bisher hat man bei Jubiläen den Blick zurück gewandt, darauf geschaut, wie schön damals doch alles war. Dann hieß es, man muss an die Zukunft denken. Inzwischen hält sich beides die Waage.
Katrin Kirsch: 65 ist kein klassisches Jubiläum, aber auf jeden Fall ein Grund zum Feiern. Ich bin jetzt seit einem Jahr hier und habe seitdem viele tolle Geschichten gehört, besonders über die Glanzzeiten mit Jörg Faerber, der das WKO 42 Jahre geleitet hat. Für mich als Intendantin war es interessant, die historischen Aspekte aufzunehmen und daraus Schlüsse für die zukünftige Ausrichtung zu ziehen. Wir können viel aus der Erfolgsgeschichte des WKO – vor allem in den 80er und 90er Jahren – lernen.
Intendantin Katrin Kirsch und Cellist Georg Oyen, der seit dem Jahr 1988 beim WKO ist.
Foto: Mario Berger
Das WKO war früher, viel mehr als heute, ein Reiseorchester, hatte Hunderte Auftritte im Jahr in Konzertstätten auf der ganzen Welt.
Oyen: Wir waren, ohne angeben zu wollen, in den 80er und 90er Jahren Weltmarktführer. Ich denke, kein anderes Kammerorchester hatte so viele Konzerte in so vielen Sälen mit so vielen Solisten. Doch das Musikleben hat sich gewandelt. Nach dem Mauerfall holten sich viele Veranstalter die billige Orchester-Konkurrenz aus dem Osten, bis auch die mehr Geld genommen hat. Solisten sind auch nicht mehr daran interessiert, riesige Tourneen mit zwanzig, dreißig Konzerten zu machen.
Kirsch: Heute werden von einem Orchester auch andere Dinge erwartet. Man muss sich breiter aufstellen, muss Bildungsarbeit machen, Angebote für junge Menschen schaffen, ein anderes Publikum anziehen. Die Frage ist, wie wir es schaffen, die Erfolgsideen der Vergangenheit mit den Konzepten der Zukunft zu verbinden.
Herr Oyen, Sie sind bereits seit 1988 beim WKO Heilbronn. Wie hat sich das Orchesterleben über die Jahrzehnte verändert?
Oyen: Das Durchschnittsalter ist heute deutlich höher als früher. Als ich kam, war das WKO eine Art Studentenorchester, alles war ein großes Abenteuer. Und es herrschte früher eine größere Fluktuation. Kammerorchester wie das WKO waren ein Sprungbrett auf dem Weg zum großen Sinfonieorchester, heute sind sie für Musiker deutlich attraktiver, weil auch die Bezahlung stimmt. Der Zusammenhalt im Orchester war stärker, weil man deutlich mehr und länger zusammen auf Tournee war. Ich sehe mich aber auch in der Gefahr, das alles in der Retrospektive zu beschönigen (lacht).
Wie würden Sie diesen Klangkörper beschreiben? Wie eine große Familie oder als eine Art Wirtschaftsunternehmen?
Oyen: Wir sind beides, eigentlich ein Familienunternehmen, mit allen Vor- und Nachteilen.
Kirsch: Wir sind nicht nur ein überschaubares Orchester mit 20 Mitgliedern, sondern auch ein sehr kleines Team. Man arbeitet sehr eng zusammen, da muss man sich sehr gut verstehen.
Sie haben alle vier Chefdirigenten des WKO miterlebt, Herr Oyen. Was waren das für Charaktere?
Oyen: Jörg Faerber war der Orchestergründer. Er hatte eine Vision. Privat war er ein Draufgänger, war bei Festivitäten immer einer der Letzten. Er musste nicht schlafen, war ein schwäbisches Arbeitstier – Geschäftsführer und Chefdirigent in Personalunion. Mit Ruben Gazarian kam dann ein junger, quirliger Dirigent, der andere Impulse und Repertoire reinbrachte. Er war ein Stück weit egoman, musizierte nach dem Lustprinzip. Ob sich etwas wirtschaftlich rentiert, hat ihn nicht interessiert. Case Scaglione hat als Dirigent eine stupende Schlagtechnik, von ihm konnte das Orchester viel lernen. Und Risto Joost ist ein würdiger Nachfolger.
Kirsch: Faerber und Gazarian haben fast alle Heilbronner Abo-Konzerte dirigiert, das hat sich mit Case Scaglione geändert, jetzt sind es 50 Prozent. Das ist übrigens auch bei anderen Orchestern so üblich, Gastdirigenten sind gut für das Orchester, bringen neue Impulse von außen. Und das Orchester spielt auch viele Projekte ohne Dirigent, dann leitet der Konzertmeister vom 1. Pult aus.
Die Zuschauerzahlen in Klassikkonzerten nehmen nicht zu, Corona war auch ein großer Einschnitt.
Kirsch: Das Publikum ist heute weniger bereit, sich für das große Abo (zehn beziehungsweise zehn plus eins Konzerte) zu verpflichten. Wir haben noch einen guten Abonnentenstamm, der weniger wird durch altersbedingte Kündigungen. Neukunden kaufen eher das Flex-Abo (fünf Wahltermine), gehen kurzentschlossener in Konzerte. Natürlich ist da die Sorge vor Publikumsschwund. Aber wir unternehmen vieles, um unsere Konzerte attraktiv zu machen und auch ein junges Publikum zu erreichen.
Fördergelder sind für Orchester überlebenswichtig. Hat man Angst vor Kürzungen in absehbarer Zeit?
Kirsch: Wir sind in Heilbronn in der glücklichen Lage, dass wir eine gute finanzielle Unterstützung von Stadt und Land haben. Deshalb mache ich mir keine Sorgen, auch wenn es in den kommenden Jahren schwierig werden wird, Erhöhungen zu bekommen. Wie sich das alles entwickelt, weiß man nicht, deshalb ist es mein Bestreben, dass wir uns bei der Finanzierung breiter aufstellen. Wir müssen über Fundraising zusätzliche Gelder generieren, durch Stiftungen und Sponsoren, aber auch durch engagierte Privatpersonen. Dafür gibt es ab sofort den WKO Club.
Ein Thema, das die Jahrzehnte überdauert, ist die Harmonie als Spielstätte des WKO. Beklagt wird immer mal wieder die schlechte Akustik. Wie beurteilt das die Intendantin, wie der Musiker?
Oyen: Man sollte froh sein über so eine große Halle, andere Kammerorchester haben so etwas nicht. Aber logisch ist die Halle zu groß für ein zwanzigköpfiges Streichorchester, und die Bühne ist ein wenig zu hoch. Trotzdem ist die Harmonie ein repräsentativer Konzertort.
Kirsch: Natürlich sind wir manchmal neidisch, wenn wir in anderen, schönen Konzertsälen zu Gast sind. Die Atmosphäre in der Harmonie ist nicht besonders gemütlich, das gebe ich zu. Dazu kommt, dass das Parkett komplett eben ist, hinten wird der Blick auf die Bühne schlechter. Sagen wir mal, wir haben uns mit dem Saal arrangiert, auch wenn er nicht optimal ist.
Intendantin und Musiker
Katrin Kirsch, Jahrgang 1977, wurde in München geboren, studierte Musikwissenschaften, Französisch, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften. Sie begann ihre berufliche Laufbahn beim Kurt Weill Fest in Dessau. Katrin Kirsch arbeitete in Ludwigsburg, Stuttgart und in Augsburg.
Georg Oyen wurde 1960 in Köln geboren. Seit 1988 ist er Mitglied des WKO. 1991 wurde auf seine Initiative die Kammermusikreihe „Unter der Glaspyramide“ in Zusammenarbeit mit der Kreissparkasse Heilbronn gegründet.
Wie stellt man ein Orchester für die Zukunft auf?
Kirsch: Ich würde an der Grundstruktur des WKO nichts ändern, das ist eine gute Größe für ein Kammerorchester. Es braucht weiterhin eine stabile Finanzierung von Stadt und Land – davon bezahlen wir die Gehälter. Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen ist enorm wichtig, das Publikum muss ja irgendwo herkommen. Und ich möchte auch immer wieder Dinge ausprobieren, die über den typischen Klassik-Kanon hinausgehen. Aber natürlich ist die Essenz unserer Arbeit, das Kerngeschäft sozusagen, die Zusammenarbeit mit hervorragenden Solistinnen und Solisten, etablierten Stars und mit den Stars von morgen.
Oyen: Und die Qualität steht über allem, das Streben nach Exzellenz.
Verändern wird sich das Orchester aber.
Kirsch: Es wird einen Generationenwandel geben. Die Hälfte des Orchesters wird in den nächsten zehn Jahren das Rentenalter erreichen, wir werden also viele Probespiele haben. Neue Orchestermitglieder bringen immer neue Energie mit, die sich dann auch auf die langjährigen Mitglieder überträgt und sich mit deren Erfahrung mischt. Das ist ein herausfordernder Prozess, und es bleibt spannend zu beobachten, wie sich unser WKO in den nächsten Jahren entwickeln wird.
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