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Haftbefehl in Netflix-Doku: Heilbronner HNO-Arzt über Nasenschäden durch Kokain

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Netflix hat eine Doku über Haftbefehl veröffentlicht, in der der schwer gezeichnete Rapper teilweise kaum wiederzuerkennen ist. Professor Dr. Burkard Lippert, Klinikdirektor der HNO-Klinik am Gesundbrunnen Heilbronn, spricht über die eingefallene Nase des 39-Jährigen.


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Die von Netflix veröffentlichte Doku „Babo - Die Haftbefehl-Story“ schlägt hohe Wellen. Auch weil sie schonungslos vom Drogen-Absturz des Rappers aus Offenbach erzählt, der mit bürgerlichem Namen Aykut Anhan heißt. Für Fans kaum wiederzuerkennen ist der 39-Jährige mit kurdischen Wurzeln etwa in Aufnahmen, die ihn schwer gezeichnet zeigen. Insbesondere die eingefallene Nase Haftbefehls sticht dabei ins Auge. Stimme hat nachgefragt bei Professor Dr. Burkard Lippert, Klinikdirektor der HNO-Klinik am Gesundbrunnen Heilbronn.

Herr Professor Lippert, was ist mit Haftbefehls Nase offenbar passiert?

Burkard M. Lippert: Der obere, knöcherne Teil, der mehr zwischen den Augen liegt, ist noch in Ordnung. Aber das knorpelige Skelett, das die Nase aufrecht erhält, ist zerstört. Stellen Sie sich das vor wie bei einem Zelt. Da steht in der Mitte eine Stange, und links und rechts hängt der Stoff herunter. Der Pfeiler ist die knorpelige Nasenscheidewand, und die ist kaputt. Deswegen fällt die vordere Nase wie plattgedrückt herunter.

"Der Pfeiler ist die knorpelige Nasenscheidewand, und die ist kaputt. Deswegen fällt die vordere Nase wie plattgedrückt herunter": Professor Burkard M. Lippert, Klinikdirektor der HNO-Klinik am Gesundbrunnen Heilbronn, über Haftbefehls Nase.
"Der Pfeiler ist die knorpelige Nasenscheidewand, und die ist kaputt. Deswegen fällt die vordere Nase wie plattgedrückt herunter": Professor Burkard M. Lippert, Klinikdirektor der HNO-Klinik am Gesundbrunnen Heilbronn, über Haftbefehls Nase.  Foto: SLK-Kliniken Heilbronn GmbH

Ist Ihnen schon mal ein Fall untergekommen, bei dem die Nase durch Kokain zerstört war?

Lippert: Seltener, aber schon, ja. Ich war früher in zwei anderen größeren Städten tätig, in Kiel und in Mainz, und da sieht man das häufiger. In Heilbronn hatte ich so einen Fall auch, aber ich weiß den Zusammenhang wirklich nicht mehr. Wir haben hier keine entsprechende Drogenszene, sodass wir nicht wöchentlich Patienten mit Nasen sehen, die durch Kokainkonsum zerstört sind.

Wie häufig muss man koksen, bis die Nase geschädigt ist?

Lippert: Man kann nicht sagen, nach zehn oder zwanzig Mal tritt das ein. Was man pauschal sagen kann: Bei einem regelmäßigen und über eine lange Zeit bestehenden Kokainkonsum, bei dem ich die Droge über die Nase hochziehe, ist die Gefahr groß, dass diese geschädigt wird. Bei Boxern, die ganz viele Schläge auf die Nase bekommen haben, kann sie übrigens ähnlich aussehen. Oder bei bestimmten Erkrankungen kommt es vor, dass der knorpelige Teil der Nase zerstört wird.

Wie sich eine zerstörte Nase operativ richten lässt

Zum Beispiel?

Lippert: Typischerweise bei der Granulomatose mit Polyangiitis (früher: Wegenerschen Granulomatose). Das ist eine Autoimmunerkrankung. Der Mechanismus ist immer gleich: Der Knorpel wird nicht mehr richtig ernährt, die Schleimhaut ist trocken, verborkt. Man kratzt daran, es kommt zu Blutungen und letzlich zu Löchern, die im Verlauf größer werden. Dann bricht der Knorpel irgendwann zusammen und verliert seine Stützfunktion. Auftreten kann das auch bei einer bakteriellen Entzündung im Knorpel oder nach Traumen und extrem selten auch als Komplikation einer Nasenscheidenwandoperation.

Stichwort: Operation. Wie lässt sich eine kaputte Nase wie diejenige von Haftbefehl richten?

Lippert: Kleinere Löcher in der Nasenscheidewand kann man decken, indem man weiter hinten liegenden Knorpel, der noch nicht beschädigt ist, nach vorne bringt, die Schleimhaut verschiebt und dergleichen. Wenn große Defekte vorliegen wie hier, muss man Knorpel woanders hernehmen. Da gibt es im Wesentlichen zwei Spenderstellen: Rippenknorpel oder Ohrmuschelknorpel. Mit den beiden kann man dann im Zelt wieder die Stange einsetzen - um sich das bildlich vorzustellen.

Haftbefehl (bürgerlich: Aykut Anhan) und seine Frau Nina Anhan bei einer Sonderaufführung der Dokumentation "Babo - Die Haftbefehl-Story" in der Astor Film Lounge in Berlin.
Haftbefehl (bürgerlich: Aykut Anhan) und seine Frau Nina Anhan bei einer Sonderaufführung der Dokumentation "Babo - Die Haftbefehl-Story" in der Astor Film Lounge in Berlin.  Foto: Christophe Gateau

Zahlt so ein Eingriff die Kasse oder muss man das privat zahlen?

Lippert: Das ist eine schwierige Diskussion. Bei einem Patienten, der eine Entzündung, ein Trauma oder eine Autoimmunerkrankung hat, zahlt das mit Sicherheit die Krankenkasse. Wenn die Nase platt liegt, bekommt derjenige ja keine Luft. Dann ist ein Eingriff schon medizinisch indiziert. Aber auch bei einem selbst verschuldeten Problem bleibt es eine medizin-ethische Frage, die man im Einzelfall diskutieren muss. Anders ist die Situation, wenn ein Patient gut Luft bekommt, dann allerdings sagt: „Da ist ein kleines Höckerchen, das mag ich nicht“, oder: „Können Sie an der Nasenspitze noch etwas machen?“, dann sind das ästhetische Wünsche, die die Krankenkasse zurecht nicht bezahlt.

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