Gayle Tufts, 1960 in Brockton, Massachusetts, geboren, schreibt und produziert Shows mit Musik und Stand-up-Comedy auf Englisch und Deutsch, die sie zu dem für sie charakteristischen Denglisch mischt. Studium am New York University’s Experimental Theatre Wing. 1984 kommt Tufts erstmals nach Berlin, tourte als Backgroundsängerin für Max Goldt und Foyer des Arts. Sie arbeitete bei der Tanzfabrik Berlin als Performerin, Regisseurin und Lehrerin. Seit 1991 lebt Gayle Tufts in Berlin.
Gayle Tufts: „Wir müssen nur die Stimme erheben“
Wie die Entertainerin Gayle Tufts aus Berlin den Deutschen Amerika erklärt und dabei radikale Optimistin bleibt: Ein Gespräch vor dem Auftritt in Heilbronn.

Gayle Tufts kommt gerade von ihrer Yogastunde, setzt sich ins Auto, perfekt zentriert, um ihr wöchentliches politisches Feuilleton für den Deutschlandfunk zu schreiben. Bevor sie losfährt, nimmt sie sich Zeit für das Telefoninterview. Ein Gespräch über deutsch-amerikanische Befindlichkeiten, den Trumpismus, Frauen und warum Germany’s best-known American, als die sie der „Stern“ bezeichnet hat, optimistisch bleibt. Am Mittwoch ist das Energiebündel Gayle Tufts im Komödienhaus Heilbronn zu erleben.
Gayle Tufts, als Sie heute Morgen aufgewacht sind, in welcher Sprache haben Sie zu denken angefangen?
Gayle Tufts: Auf Denglisch, nach all den Jahren mische ich das wild durcheinander. Auch träume ich auf Denglisch, je nachdem, wer in meinen Träumen vorkommt, kann das variieren. Die Sprachen mischen sich, wie vieles in meinem Leben.
Wie Sie als transatlantische Brückenbauerin die transatlantischen Beziehungen sehen, darauf kommen wir gleich. Klären wir zuerst, was ist denn typisch deutsch, was amerikanisch?
Tufts: Das Amerikanische kennzeichnet eine gewisse Leichtigkeit, diese Spontanität des let’s do it, just do it. Während die Deutschen grundsätzlich nachdenklicher sind, erst eine Nacht darüber schlafen müssen. Im Moment sollten aber auch die Amerikaner mehr nachdenken über die Konsequenzen ihres Tuns. Und die Deutschen weniger reden, sondern handeln.
Seit bald 35 Jahren leben Sie in Berlin mit diesen zwei Seelen in einer Brust. Bitte, erklären Sie dem liberalen Durchschnittsdeutschen das Phänomen Donald Trump.
Tufts: Ich wünschte, ich könnte das. Die Liberalen in Amerika hätten auch gerne eine Erklärung. Vielleicht greift folgender Ansatz. Ich sage immer, there is no business like showbusiness. Donald Trump war von 2004 bis 2015, bevor er in die Politik ging, ein Reality-TV-Star und Moderator der ersten 14 Staffeln der Show „The Apprentice“, in der er jede Woche einen Kandidaten feuerte, ein bisschen wie The Voice für Wirtschaftsleute.
Das erklärt den Trumpismus?
Tufts: Viele Durchschnittsamerikaner, die heute Maga-Anhänger sind, Make America Great Again, sie haben diese Show gesehen und Trump vertraut. Er war in ihren Wohnzimmern, sie finden ihn witzig, ein Typ out of the box, der sich von niemandem etwas sagen lässt. Das war und ist seine Rolle.
Der Trumpismus als Antwort auf das Misstrauen in herrschende Eliten?
Tufts: Sagen wir es so: Da gibt es inzwischen zwei Generationen nach dem Vietnamkrieg, nach Watergate, der Iran-Contra-Affäre, nach Reagan, Aids und so weiter, die, wie auch ich, nur anders, kein Vertrauen mehr in die Regierungen haben. Und da wünschen sich nicht wenige einen starken Mann, der in diesen Stau in Washington mit dem Vorschlaghammer reinhaut.
Erlösung durch Disruption.
Tufts: Gepaart mit diesem Christian Nationalism, Religion spielt da auch ein ganz große Rolle.
Die unheilige Allianz aus religiösen Nationalisten und Techmilliardären: Wie passt das zusammen?
Tufts: Ich weiß es nicht. Es muss etwas mit dem amerikanischen Kult ums Geld zu tun haben. Die Milliardäre und populistischen Religiösen, sie haben die Antwort. Wer viel Geld besitzt und weiß, wie man wenig Steuern zahlt, steht vermeintlich auf der richtigen Seite, das gilt als geil.
Was meint Gayle Tufts? Übersteht die US-Demokratie diesen Stresstest?
Tufts: Ich bin radikal optimistisch. Das müssen wir bleiben, ich lasse mir die Hoffnung nicht nehmen. Ob wir da heil durchkommen, weiß ich nicht. Amerika ist tief gespalten. Halb Amerika besitzt Waffen. Amerikaner und Waffen, das ist wie die Deutschen und das Tempolimit. Deutschen kannst du ihr Auto auch nicht nehmen, sie verwechseln das mit Freiheit, wie die Amerikaner.
In den USA vertiefen sich zudem weitere Gräben. Nehmen wir den Rollback im Frauenbild, die neue Trennung Männlichkeit/Weiblichkeit. Auch bei westlichen Populisten ist das Bild der traditionellen Hausfrau wieder auf dem Vormarsch.
Tufts: Ist das nicht absurd? Man möchte es nicht glauben. Gerade hatte ich Besuch von meinem 18-jährigen Patenkind. Ein schlaues Mädchen, deren Wunsch es ist, einen reichen Mann zu heiraten. Aber es gibt auch viele kluge junge Frau. Ich verliere nicht die Zuversicht. Wir müssen nur die Stimme erheben, das ist Teil meines aktuellen Programms „Please don’t stop the Music“.
Ein programmatischer Titel.
Tufts: Ich bin jetzt 65 Jahre alt. Klingt surreal, ist aber in Ordnung – und besser, als nicht mehr hier zu sein wie andere aus dem Bekanntenkreis. Ich mache den Job, den ich noch immer liebe – die offene Kommunikation auf der Bühne. Wir hören nicht auf, zu tanzen, hat mir jemand nach der Show neulich geschrieben. Wenn wir aufhören, zu tanzen, werden wir alt.
„Amerikaner und Waffen, das ist wie die Deutschen und Tempolimit.“
Im Moment touren Sie durch die Republik, im November treten Sie mehrere Abende en suite in der Berliner Bar Jeder Vernunft auf – und jetzt im Komödienhaus Heilbronn. Wovon erzählt „Please don’t stop the Music“.
Tufts: Ich erzähle gemeinsam mit Bühnenpartner Marian Lux, der ganz fantastische Musik schreibt, von den sieben Nächten, die mein Leben verändert haben. Ein Rückblick auf wechselvolle Jahrzehnte – und ich in meinem siebten bin mittendrin in dieser interessanten, auch wahnsinnigen Zeit. New York, Berlin, der rebellische, punkige Rock, New Wave, der Mauerfall, die Gegenwart, das ist in meiner DNA.
Die längste Zeit Ihres Lebens leben Sie in Berlin.
Tufts: Ich bin damals wegen Ronald Reagan und George W. Bush gegangen. Ich hatte keinen Plan, Freunde besuchen, habe bei verschiedenen Produktion in Berlin mitgearbeitet. Und dann ist aus zwei Jahren eine kleine Ewigkeit geworden. Meine erste eigene in Berlin produzierte Show habe ich in Kreuzberg bei den Friends of the Italian Opera gezeigt. Einem englischsprachigen Theater, mitgegründet von Günther Grosser aus Lauffen, das ist bei Euch. Tiny world, ist das nicht schön.
Auftritt in Heilbronn
Mittwoch, 20 Uhr, Komödienhaus