„Für Polina“ live in Stuttgart: Autor Takis Würger und Pianist Florian Christl im Interview
|
3 Min
Anhören
x
Erfolgreich kopiert!
Mit seinem Roman „Für Polina“ gelang Autor Takis Würger ein Bestseller. Am 6. November liest Würger in Stuttgart daraus, Pianist Florian Christl spielt dazu eigene Kompositionen. Über die Konzert-Lesung und über Sehnsucht sprechen die beiden im Interview.
Bringen den Roman „Für Polina“ auf die Bühne: Autor Takis Würger (rechts) und Pianist Florian Christl.
Foto: Sascha M. Nagel
Herr Würger, Herr Christl, Musik spielt im Roman „Für Polina“ eine zentrale Rolle. Wann hat Sie zuletzt ein Lied verzaubert?
Takis Würger: Als wir für das Lese-Konzert geprobt haben. Florian hat ein Lied gespielt, das „Focus“ heißt. Das war ein Moment, da hat es mich umgehauen – ich habe die Energie des Stückes gespürt
Florian Christl: Ich beschäftige mich ja jeden Tag mit Musik, da passiert das immer wieder. Auch beim Komponieren, wenn man am Klavier sitzt und eine neue Idee hat, die einen total einfängt.
Warum löst gerade das Klavier bei Menschen so viel aus?
Christl: Das Klavier ist ein universelles Instrument, es gibt keine Grenzen, was Genres oder den Klang betrifft. Der Klang von einem großen Konzertflügel hat etwas sehr Natürliches und gleichzeitig Kraftvolles. Es berührt jeden, so genau erklären kann man das nicht.
Würger: Faszinierend, dass sogar eine Katze auf einem Klavier einen sauberen Ton tapsen könnte. Und doch ist da eine Ehrfurcht vor dem Instrument, weil es viel Übung, Talent und Mühe braucht, um etwa Beethovens 5. Klavierkonzert zu spielen. Jeder Mensch kann auf dem Klavier eine Taste drücken – beim Cello oder Saxofon bekommt man anfangs keinen Ton raus.
Wie eng stehen Sprache und Musik in Verbindung?
Würger: Eine schöne Frage für eine Doktorarbeit (lacht). Ich glaube, im besten Fall berühren uns Musik und Literatur direkt im Herzen. Musik kann das aber viel schneller, und ich hoffe, dass sich das bei unseren Lesungen schön verbindet.
Protagonist Hannes sagt im Roman sinngemäß: Die Schönheit der Musik liegt nicht nur in den Noten, die zu Schallwellen werden, sondern auch im Nachhall im Inneren, der bei jedem anders ausklingen darf.
Würger: Wenn man einen Text oder ein Lied verfasst, macht man das mit einer bestimmten Absicht. Egal um welche Kunst es geht: Menschen sollen sie nach der Veröffentlichung zu ihrer eigenen machen, sie dürfen eigene Gefühle reinlegen, sie mit eigenen Gedanken verknüpfen. Es entsteht ein Resonanzraum zwischen Rezipienten und Werk. Das kann anders sein, als es Komponist und Autor ursprünglich gemeint haben. Als Künstler sollte man das aber nicht als Enttäuschung, sondern als Chance begreifen.
Christl: Kunst ist etwas sehr Individuelles, kann aber gleichzeitig eine Verbindung mit anderen Menschen erschaffen. Das ist auch das Ziel unserer Live-Auftritte, dass die Individuen eins werden durch Musik und Sprache.
Herr Christl, Sie haben zum Roman eigene Stücke am Klavier komponiert. Wie haben Sie sich der Geschichte genähert?
Christl: Ich habe zunächst mal die Geschichte auf mich wirken lassen und es dann am Klavier verarbeitet, passende Melodien gesucht. Meine Musik wird oft der Neo-Klassik zugeordnet, das finde ich gar nicht so passend. Ich fände Neo-Romantik passender. In meiner Musik geht es um Emotionen, um den leidenschaftlichen Ausdruck.
Handlung von „Für Polina“
„Für Polina“ von Takis Würger (Diogenes Verlag, 304 Seiten, 26 Euro) erzählt die Geschichte des musikalischen Wunderkinds Hannes, der sich in seine Kindheitsfreundin Polina verliebt. Die beiden verlieren sich im Laufe des Lebens aus den Augen, nach dem tragischen Tod von seiner Mutter macht sich Hannes aber auf die Suche nach ihr – auch mit Hilfe der Klaviermusik.
Liebeserzählung, psychologische Studie, Coming-Of-Age-Geschichte? (Modernes) Märchen? Fabel über Schicksal und Verlorensein? Was ist Ihr Roman geworden, Herr Würger?
Würger: Es ist eine Geschichte nicht nur über die Liebe. Es geht auch darum, wie viel stärker wir sind, wenn wir zusammenhalten. Und um die Wichtigkeit von Gemeinschaft, von Freundschaft und dem Gefühl von Geborgenheit.
Und es geht um Sehnsucht.
Würger: Richtig, sie ist das verbindende Element zwischen den Figuren. Wir alle haben eine. Die spannendste Frage, die man einem fremden Menschen stellen kann, ist doch: Was ist deine geheime Sehnsucht? Wenn ich auf Lesereise bin, ist meine größte Sehnsucht, nach Hause zu kommen.
Christl: Sehnsucht ist auch in der Musik ein zentraler Begriff, der immer mitschwingt. Mir ging es bei der Vertonung darum, das Gesamtgefühl des Buches dramaturgisch zu verpacken – und klar, geht es da auch um Sehnsucht.
Herr Würger, Sie haben im Vorfeld viel zu Musikern, Instrumentenbau und Klaviertransporten recherchiert. Was lernt man dabei?
Würger: Für alle gilt, dass es dann schön ist, wenn genug Hingabe vorhanden ist. Wenn ein Pianist am Flügel auf der Bühne sitzt, sieht man nicht das Leid, die vielen tausenden Stunden, die notwendig waren, dass jemand so spielen kann. Auch die Arbeit eines Klavierträgers wird selten von jemandem gesehen, da klatscht auch niemand am Ende.
Ihr Buch wirkt sehr entschleunigt. Ein bewusstes Entgegensteuern in hektischen Zeiten?
Würger: In Teilen. Wir wissen als Menschen ziemlich genau, was uns gut tut: eine Zeitung auf Papier lesen, ein Buch in die Hand nehmen, ins Konzert gehen, uns ans Klavier setzen, das Handy ausschalten, Social Media löschen, Freunde treffen, gutes Essen. Trotzdem füllen wir unser Leben mit Oberflächlichkeiten und Dingen, die wir nicht brauchen. Ich mache das genauso. Der Roman ist ein Fluchtpunkt in Zeiten, in denen man frustriert sein könnte über die politische Landschaft und die Weltlage im Allgemeinen. Ich wollte einen Gegenpol schaffen, der ruhig, echt und langsam ist. Denn im Stillhalten entstehen die schönsten Momente.
Konzert-Lesung in Stuttgart
Donnerstag, 6. November, Liederhalle, 20 Uhr, Tickets gibt es ab 36 Euro unter www.eventim.de.
Traurig, aber keine Sorge: Sie können natürlich trotzdem weiterlesen.
Schließen Sie einfach diese Meldung und sichern Sie sich das andere exklusive Angebot auf der Seite. Bei Fragen hilft Ihnen unser Kundenservice unter 07131/615-615 gerne weiter.