Eröffnet wird die „Rebellion des gemeinen Mannes. 500 Jahre Bauernaufstand“ am Samstag, 11.30 Uhr, in der Kunsthalle Vogelmann (bis 25. Mai). 45 Arbeiten von Künstlern und Künstlerinnen aus dem 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart verhandeln das Thema aus historischer und zeitgenössischer Perspektive. Begleitprogramm unter www.museen.heilbronn.de. Die Dokumentation erscheint voraussichtlich im April.
Freiheit, Gerechtigkeit und ein gutes Leben
Wie die Ausstellung „Rebellion des gemeinen Mannes. 500 Jahre Bauernaufstand“ in der Kunsthalle Vogelmann Heilbronn auf eine Massenbewegung blickt, die blutig niedergeschlagen wurde, und wie zeitgenössische Künstler das Thema verhandeln.

Was sich vor 500 Jahren im deutschsprachigen Raum ereignet, gilt als größte Massenbewegung Europas vor der Französischen Revolution. Ob als Bauernkrieg, Bauernaufstand oder Rebellion des gemeinen Mannes bezeichnet: Das Phänomen bildet neben der Reformation die Schwelle zur Neuzeit. Die Ereignisse von 1525 stehen im Kontext antifeudaler Protestbewegungen. Und sind auch Teil der freiheitlichen Bestrebungen der Region Heilbronn.
Die Kunsthalle Vogelmann erinnert nun an die Bewegung und zieht Parallelen. Geht es doch damals wie heute um dieselben Bedürfnisse: um Freiheit, Gerechtigkeit und ein gutes Leben. Anders als die Reformatoren konnten die Protagonisten des Bauernkrieges ihre Forderungen nicht durchsetzen. Ihre Revolte wurde niedergeschlagen. Die Schau „Rebellion des gemeinen Mannes. 500 Jahre Bauernaufstand“ in der Kunsthalle blickt aus drei Perspektiven auf die historischen Ereignisse. Der Barbara-Altar des Malers Jerg Ratgeb bildet den Ausgangspunkt. Entstanden 1509/10 im Auftrag der Familie Graf Neipperg, ist der Altar eine Leihgabe der Evangelischen Kirchengemeinde Schwaigern.
Ziel der Schau: aus heutiger Perspektive ins Gespräch kommen
Wie das 20. Jahrhundert diese Freiheitsbewegung rezipiert, zeigen die Grafikserien und Bilderzyklen von Käthe Kollwitz, Alfred Hrdlicka oder Lea Grundig. So wie jede künstlerische Äußerung Selbstinszenierung ist, diente und dient der Bauernaufstand sozialpolitischer Instrumentalisierung und ist bereits den Zeitgenossen ein Medienereignis. Für die Heilbronner Ausstellung konzipiert und von einer Jury unter dem Vorsitz von Museumschef Marc Gundel ausgewählt, interpretieren vier Arbeiten zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler diese Rebellion. Ziel der Schau: auch aus heutiger Perspektive ins Gespräch kommen.
Im Erdgeschoss verhandelt Jerg Ratgebs für die Schwaigener Johanneskirche gefertigter Barbara-Altar die Legende um die im 15. Jahrhundert beliebte Heilige und Schutzpatronin des Feuers und der Bergleute. Die äußeren Tafeln zeigen die zwölf Apostel nachgerade revolutionär emotional und menschlich. Modern muten zudem der stofflich-plastische Ausdruck der Gewänder der Heiligen an, die Bewegung der Figuren, die Detailfreude von Ratgebs Frühwerk an der Wende zur Neuzeit: ein vormodernes Wimmelbild. Zu betonen, dass Ratgeb nicht revolutionär gesinnt war, ist Marc Gundel ein Anliegen. Vielmehr war er ein Maler, der Religiosität mit Humanität verbindet. Dass Ratgeb 1528 hingerichtet wurde, darf man als Ironie der Geschichte verstehen.
„Fendt End“-Traktor als monumentale Plastik
Im ersten Stock wirken Alfred Hrdlickas expressive Radierungen, die die Gewalterfahrungen des Zweiten Weltkriegs spiegeln in ihrem sehr männlichen Blick auf die Bauernaufstände. HAP Grieshaber in seiner reduzierten Holzschnitttechnik stellt in einem Triptychon Ratgebs Vierteilung, einen Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg sowie den Conte de Mélac gegenüber, dessen Truppen während des Pfälzer Erbfolgekriegs Ende des 17. Jahrhunderts große Teile der Kurpfalz und Städte in Württemberg und Baden verwüsteten.
Mit einer raumgreifenden Plastik „Fendt End“, einem überdimensionierten, gevierteilten Traktor aus dem Dämmstoff Styrodur, thematisiert der 1957 in Heilbronn geborene Andreas Mayer-Brennenstuhl die Bauernproteste vom Januar 2023. Hinter einer Trennwand, auf die man hätte verzichten sollen, stoppt sie doch die Wirkung von „Fendt End“ aus, fällt der Blick auf eine Wandzeichnung von Bettina van Haaren und Wolfgang Folmer aus zig Einzelepisoden. Zwar nehmen sie Bezug auf Ratgebs Altarbilder, ins Auge aber fallen Gewalterfahrungen der Gegenwart. In ihrer reduzierten, comicartigen Zeichensprache in Schwarz-Weiß platzieren sie Schlüsselszenen der jüngeren Geschichte in eine Trümmerlandschaft, über der ein queerer Jesus thront.
Spießrutenlauf mit Hase
Wie Künstlerinnen auf den Bauernaufstand blicken, wird im zweiten Obergeschoss greifbar. Neben Käthe Kollwitz’ sozialkritischem Zyklus „Bauernkrieg“ beeindruckt das Ölbild „Hommage für den Ratgeb Altar“ von Luisa Richter. 1928 in Besigheim geboren, gestorben 2015 in Caracas, vertrat Richter ihre Wahlheimat Venezuela auf der Biennale in Venedig. Ihre „Hommage“ aus dem Jahr 1970 zeigt eine Kreuzigungsszene in expressiv pastosem Farbauftrag. Tatjana Stürmer, Jahrgang 1993, erinnert in der Plastik „Große Margarete“ an die Rolle der Frauen im Bauernkrieg. Hannah Cooke, Jahrgang 1986, hat zwölf Spießköpfe aus Aluminiumblech geschaffen mit niedlich anmutenden Hasen. Von denen sich schon mal einer traut, mit dem Bogen auf einen Cybertruck von Tesla zu schießen.



Stimme.de