Stimme+
Foto- und Videoaufnahmen
Lesezeichen setzen Merken

Smartphones auf Konzerten: Was Musiker aus dem Raum Heilbronn zur Verbotsdebatte sagen

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Immer mehr Bands und Künstler verbieten auf ihren Konzerten das Fotografieren und Filmen mit dem Smartphone. Wie Künstler aus dem Landkreis Heilbronn zu der Diskussion um handyfreie Konzerte stehen und warum der Mensch den Drang verspürt Momente festzuhalten. 


Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

Es ist zur Normalität geworden, dass hunderte oder sogar tausende Smartphones, während eines Konzerts in die Höhe gehalten werden – um ein Foto zu schießen oder ein kurzes Video aufzunehmen. Doch möchte niemand wirklich auf ein Handydisplay von anderen Fans schauen, das einem möglicherweise die Sicht auf die Bühne versperrt. Aber ist die Handynutzung auf Konzerten wirklich so schlimm?

Handyverbot bei Konzerten: Rapper Rin und Schmyt bei „No Phones Allowed“-Tour

Einige Künstler haben jedenfalls genug davon. Bei Auftritten von Altmeister Bob Dylan gilt beispielsweise ein Handyverbot, was bedeutet, dass Besucher ihre Smartphones in speziellen, verschließbaren Taschen verstauen müssen, die sie erst nach dem Konzert wieder öffnen können. Die Rapper Rin und Schmyt waren in diesem Jahr auf „No Phones Allowed“-Tour, bei der das Filmen und Fotografieren mit Handys untersagt war, die Handykameras wurden beim Einlass abgeklebt.

Auch andere Bands fordern zu handyfreien Shows auf, um die Konzerterfahrung zu verbessern: etwa die schwedische Band Ghost, die US-Gruppe Tool und bekannte Künstler wie Jack White oder Macklemore. Es gehe um das ungefilterte (Live-)Erlebnis ohne Ablenkung, um Förderung von Gemeinschaft. Oder ist es, wie es manche Fans mit Blick auf hohe Konzertticketpreise sehen, nur fair, sich eine digitale Erinnerung in Form von Videos oder Fotos zu schaffen?

Handys in die Höhe: Viele Fans schaffen sich auf Konzerten mit Fotos und Videos eine digitale Erinnerung.
Handys in die Höhe: Viele Fans schaffen sich auf Konzerten mit Fotos und Videos eine digitale Erinnerung.  Foto: ChiccoDodiFC/stock.adobe.com

Musiker aus dem Raum Heilbronn: „Mir sind Smartphones bislang noch nicht störend aufgefallen.“

Wie sehen Musiker und Bands aus der Region die Diskussion rund um ein Smartphoneverbot auf Konzerten? Singer-Songwriter Benedikt Ruchay aus Oedheim, der unter dem Namen Benne zahlreiche Gigs spielt, sagt: „Mir sind Smartphones bislang noch nicht störend aufgefallen. Ich habe das Gefühl, dass die meisten Leute doch aufmerksam sind und zuhören“, sagt der Musiker, der in Berlin lebt und feststellt, dass Fans ihr Handy in bestimmten Momenten oder verstärkt bei bestimmten Songs zücken. Dass ein Fan einen kompletten Auftritt mitfilme, habe er bislang noch nicht erlebt. Wenn Ruchay selbst Konzerte besucht, sucht er sich gerne einen Moment raus, um ein Erinnerungsbild oder Video zu machen. „Ansonsten bin ich froh, wenn das Handy im Flugmodus ist“, so der 35-Jährige.

Felix Seyboth ist Sänger der Band Neeve aus Weinsberg, die regelmäßig durch Deutschland und im Ausland tourt. Er sagt: „Wir haben mit Handys auf Konzerten bislang keine Problem gehabt, weil es nichts am Grundgefühl einer Show verschlechtert hat.“ Auch er hat festgestellt, dass manche Zuschauer mehr filmen oder fotografieren als andere. Aber: „Besonders für kleinere Künstler und Bands sind Videos und Bilder im Internet auch Werbung, die Reichweite mit sich bringen.“ Vor Kurzem haben Neeve ein Konzert im chinesischen Shanghai gespielt. „Da ist es noch viel krasser, fast alles wird bei einem Auftritt mitgefilmt. Da haben Fans teilweise sogar Powerbanks in den Hosentaschen, damit ihre Smartphones dauerhaft geladen sind.“

Professor zu möglichen Smartphone-Verboten: „Die Diskussionen halte ich für absolut notwendig“

Wieso hat der Mensch einen (großen) Drang, Momente in Videos und Bildern festzuhalten? Peter Vorderer ist Medienpsychologe und Professor an der Universität in Mannheim. Er erforscht die Nutzung und Wirkung von Medien. „Ich glaube, der Mensch ist von den technologischen Entwicklungen überwältigt, von den Möglichkeiten, die sich in den letzten zehn, 15 Jahren aufgetan haben.“ Vorderer spricht vom ständigen Zugriff auf das Internet und von Smartphones, die zu „Allzweckgeräten“ geworden sind.

„Früher musste man für die Funktionen ein jeweils eigenes Gerät dabei haben.“ Der Mensch suche ständig nach Möglichkeiten, sich zu entlasten, so der Medienpsychologe. „Das kann ich, indem ich mit den Geräten meine Verarbeitungskapazitäten scheinbar verbreitere und vergrößere.“ Und weiter: „Es ist eine Hilfestellung fürs Gehirn, das ökonomisch denkt und versucht Energie zu sparen. Ähnlich ist es bei einem Navigationssystem im Auto, das mir sagt, wo ich hinfahren soll.“

Professor über Konzert-Aufnahmen: „Großteil der Bilder und Videos werden danach nicht mehr angeschaut“

Vorderer sieht Fotos und Videos auf Konzerten als Bestätigung eines besonderen Moments, bei dem das Körperliche, das Gemeinschaftsgefühl aber auf der Strecke bleibt. „Der Großteil der Bilder und Videos werden danach nicht mehr angeschaut.“ Den Live-Moment könne man nicht einfangen, „viel an dem Erleben eines solchen Moments liegt in der Einzigartigkeit. Wenn ich darauf jederzeit auf meinem Smartphone zugreifen kann, verliert er auch ein wenig an Wert und Bedeutung“, so Vorderer.

Geht es in gewisser Weise auch um die Angst, keinen Beweis des Erlebten für Social Media zu haben? „Ich würde das nicht ausschließen. Es werden ja häufig nicht nur Bilder vom Künstler gemacht, sondern auch von sich selbst. Das hat schon mit Selbstpräsentation zu tun und mit Selbstbestätigung.“ Peter Vorderer findet ein Smartphone-Verbot bei Konzerten durchaus sinnvoll. „Es erhöht in jedem Fall die Wahrscheinlichkeit, dass sich mehr Leute auf das Erlebnis einlassen.“ Oder genereller: „Die Diskussionen, wann, wo und welche Geräte in spezifischen Situationen zugelassen werden, halte ich für absolut notwendig.“

  Nach oben