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Ein bisschen Moral für harte Zeiten: Gustav Rueb inszeniert „Romulus der Große“ am Theater Heilbronn
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Lange war Friedrich Dürrenmatts „ungeschichtliche historische Komödie“ von den Theaterspielplänen verschwunden. Nun hat das Stück wieder Konjunktur. Regisseur Gustav Rueb hat eine Idee, warum das so ist.
Verspricht einen opulenten Abend: Regisseur Gustav Rueb bringt seinen dritten Dürrenmatt auf die Bühne.
Foto: Bihr, Lina
Natürlich denkt Gustav Rueb nicht täglich ans Römische Reich. „Aber ich finde schon, dass es eine merkwürdige Präsenz hat, die über das Historische hinausgeht“, bemerkt der Regisseur in Anlehnung an einen Trend, der vor einiger Zeit in den Sozialen Medien die Runde machte: Vor laufender Kamera räumten unzählige Männer auf Nachfrage ihrer Frauen ein, dass ihnen das antike Rom erstaunlich oft durch den Kopf gehe. Den Theatermacher, Jahrgang 1975, treibt diese vergangene Epoche um, als eine Zeit, in der Heldenverehrung möglich war. „Es wird zwar ständig behauptet, wir leben im postheroischen Zeitalter, aber in der Popkultur ist Heldinnen- und Heldenverehrung an jeder Ecke zu finden.“
Einen römischen Antihelden hat Friedrich Dürrenmatt zur Titelfigur seines Stückes gemacht: „Romulus der Große“ in der Inszenierung von Gustav Rueb hat heute Abend Premiere im Großen Haus und erzählt recht frei vom letzten Kaiser des Weströmischen Reichs, der in Italien herrschte. „Eine ungeschichtliche historische Komödie“, der offizielle Untertitel, ist für den gebürtigen Schweizer Rueb ein Hinweis auf das Spiel seines Landsmanns mit dem Genre und darauf, alles nicht zu ernst zu nehmen. „Wenn Dürrenmatt schon von Anfang an sagt, das soll eh alles historisch nicht so genau sein, gibt mir das als Regisseur die Freiheit, dieses Spiel mit historischen Assoziationen noch weiter zu treiben.“
Die Germanen kommen und der römische Kaiser züchtet lieber Hühner
Dass das 1949 in Basel uraufgeführte Drama eine Offenheit besitzt, weil es selten gespielt wurde, gefällt Rueb, der sich dem Heilbronner Publikum erstmals in der Spielzeit 2022/23 mit Karsten Dusses „Achtsam morden“ vorgestellt hat. „‚Romulus der Große‘ ist noch nicht in so einem Klassikerstatus verhaftet wie die anderen Stücke Dürrenmatts“, sagt der Regisseur mit Blick auf „Die Physiker“ und „Der Besuch der alten Dame“, die er auch schon auf die Bühne gebracht hat.
Der menschenfreundliche Blick des Autors auf seine Figuren ist, was Rueb an Dürrenmatt so interessiert. „Mir ist der Romulus grundsätzlich relativ sympathisch, das ist ein kluger Typ. Ich finde den auch gar nicht so zynisch. Die Welt, die uns umgibt, ist in Wahrheit zehnmal zynischer als alles, was Dürrenmatt da beschreibt.“ Dabei treibt der Kaiser in diesem Vierakter seinen Hofstaat durch Faulheit und Desinteresse in die Verzweiflung. Denn das Römische Reich droht zusammenzubrechen, weil die germanischen Truppen unter dem Feldherrn Odokar immer weiter vorwärtsdringen. Doch Romulus will sich beim Frühstück von schlechten Nachrichten nicht stören lassen und geht überhaupt viel lieber seiner Leidenschaft, der Hühnerzucht, nach.
Zur Person: Gustav Rueb
Gustav Rueb, geboren 1975 in Zürich, zieht im Alter von 20 Jahren nach Berlin, wo er Kunstgeschichte und Philosophie an der Humboldt-Universität und an der FU Berlin studiert. Er arbeitet als Theaterassistent und beginnt 2000 als fester Regieassistent am Düsseldorfer Schauspielhaus. Seit 2003 ist Rueb freier Regisseur für Sprech- und Musiktheater. Rueb lebt in Berlin.
„Romulus der Große“ ist Dürrenmatts wohl politischstes Stück
Was vordergründig satirisch harmlos daherkommt, ist laut Gustav Rueb hellsichtig geschrieben. „Es kann auch etwas Positives darin stecken, dass man nicht so genau weiß, wie es weitergeht, oder dass man etwas neu anfangen kann“, begreift er Fatalismus nicht unbedingt als etwas Schlechtes. Auch sieht der Regisseur einen der Gründe, warum „Romulus der Große“ gerade wieder Konjunktur hat, in der Weltuntergangsfantasie, die Dürrenmatt in seinem wohl politischsten Stück verhandelt. „Zumindest wir im Westen haben lange in einer Welt gelebt, in der man dachte, es geht uns immer besser, es wird immer friedlicher, es wird immer schöner. Jetzt erleben wir an uns selbst das Gefühl, dass wir vielleicht ans Ende einer Entwicklung kommen.“
„Mir ist der Romulus grundsätzlich relativ sympathisch.“
Gustav Rueb
Wenn Dürrenmatts Humor hier und da ins Moralische kippt, findet Rueb das nicht schlimm. „Wir leben in wirklich harten Zeiten gerade.“ Da tut ein bisschen Moral gut. Dagegen gestrichen, so der Regisseur, wurden betuliche Witze und 50er-Jahre-hafte Formulierungen. „Diese Stücke haben ja die Tendenz, sehr viel zu schwätzen. Es ist nicht mehr der Stil der heutigen Zeit, immer alles über Dialog zu lösen“, verspricht Gustav Rueb einen opulenten Abend mit viel Musik und vielen Figuren in schönen Kostümen und einem großen Bühnenbild.
„Romulus der Große“
Eine ungeschichtliche historische Komödie von Friedrich Dürrenmatt
Premiere: heute, 19.30 Uhr, Großes Haus des Theaters Heilbronn.
Regie: Gustav Rueb
Mit Oliver Firit, Sarah Finkel, Sophie Maria Scherrieble und anderen.
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