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Kunsthalle Vogelmann
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Die Künstlerin Hal Busse: Aus dem Leben eines lange verkannten Genies

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Zwischen Jagstfeld, Stuttgart, Paris, Hamburg und Heilbronn:  Die Ausstellung „Kosmos Busse“ fragt nach der Bedeutung der Avantgardistin mit Bodenhaftung in der Kunsthalle Vogelmann Heilbronn.

„Rot war immer schon da“, kommentierte Hal Busse einmal die Farbe. „Seit meiner Kindheit.“ Mit einem Nagelrelief in eben dieser Farbe, die „zu allem passt“,  ist sie 1958 in der Ausstellung „Das rote Bild“ vertreten, zu der Zero-Künstler Otto Piene neben Yves Klein und anderen nach Düsseldorf einlud, was Rang und Namen hatte in der Kunstszene.

Hannelore Busse, 1926 in Jagstfeld geboren, war als eine der ersten Künstlerinnen Mitglied im Deutschen Künstlerbund, ihre „Streifenbilder“ kamen in die engere Auswahl für die Documenta. In ihrer Auseinandersetzung mit der Kunst der späten 50er und 60er Jahre hat Hal Busse eine Bildsprache entwickelt mit avantgardistischem Potenzial, sie erhielt Stipendien im In- und Ausland  – und fand doch lange kaum Erwähnung in der Fachliteratur. Ein Widerspruch zu ihrem vitalen Werk und den vielen Begegnungen mit Gleichgesinnten in jenen Jahren  – und bezeichnend für eine weibliche Bescheidenheit.


Bilder zwischen Kraft und Poesie, Abstraktion und Figürlichkeit

„Durchsetzen ist nicht mein Ding“, meinte Hal Busse einmal im persönlichen Gespräch ganz lapidar. Was nicht heißt, dass sie nicht wusste, was sie wollte. Von Bad Friedrichshall in die Welt und zurück: Leben und Werk von Hal Busse sind faszinierend in ihrem künstlerischen Ausdruck zwischen Kraft und Poesie. Bereits vor ihrem Tod im März 2018 blüht die Rezeption ihres Werks auf. Jetzt widmet die Kunsthalle Vogelmann Hal Busse eine Werkschau mit dem programmatischen Titel „Kosmos Busse“. Im kommenden Jahr wäre die Künstlerin 100 Jahre alt geworden. Schon zu ihrem 80. hatten die Städtischen Museen Heilbronn der Vielseitigen eine Ausstellung im Deutschhof eingerichtet sowie 2016 eine Präsentation ihrer Papierarbeiten.

Malerin Hal Busse wird 90
Malerin Hal Busse wird 90  Foto: Veigel

Wirklich aufmerksam wird das offizielle Heilbronn, als „Die Zeit“ 2015 Hal Busse zu den „verkannten Genies“ zählte, der die Wochenzeitung eine Titelstory widmete. Dieses verkannte Genie, ihr wacher Blick auf die Welt, ihre technische Versiertheit, Busses Souveränität, ausgehend von der Natur auf Linie und Form zu reduzieren, zu fokussieren, zu abstrahieren, werden wiederentdeckt. „Kosmos Busse“: Das ist ein künstlerisches Universum, aber auch die Welt im Großen und im Kleinen, ist ihre Herkunft aus einem Künstlerhaushalt – der Vater ist der Maler Hermann Busse –, ist die Provinz, die keine ist, der Raum, den Hal Busse sich zu eigen macht.

Hal Busses wacher Blich auf die Welt

Und so durchmisst die Ausstellung in der Kunsthalle auf drei Ebenen diesen Kosmos. Als Kind war sie mit dem Vater, der der deutsche Monet genannt wurde, in der Natur unterwegs, um zu zeichnen und zu malen. Im Erdgeschoss sieht man Bilder von Vater und Tochter, aber auch von Busses späterem Ehemann Klaus Bendixen. Hal Busse studierte an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei Manfred Henninger und Willi Baumeister. Frühe Arbeiten markieren diese Zeit, in der Hal Busse Beobachtungen aus ihrer unmittelbaren Umgebung verdichtet. Die großformatige „Obsternte“ etwa aus dem Jahr 1952 oder die Beschäftigung mit dem Thema Badende. Im Grunde ein Leben lang bündelt Busse ihr unmittelbares, proaktives Sehen, ob an Jagst und Kocher, im Stuttgarter Leuze Bad oder am Lido in Venedig.

Spagat zwischen Künstlerin und Familienmutter

Kurze Zeit lebt sie in Paris, 1956 heiratet Busse den Malerkollegen Klaus Bendixen, zieht mit ihm 1961 von Stuttgart nach Hamburg, wo er eine Professur erhält. Hal Busse unternimmt den Spagat Familienmutter und Künstlerin. In den 80er Jahren zieht sie nach Heilbronn und pflegt die Mutter. In den letzten Jahren entstehen Gartenimpressionen und Aquarelle, Gegenstand und Landschaft sind wieder Bildinhalte.

1926 in Jagstfeld geboren, studiert Hal Busse an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, lebt kurz in Paris, hat Kontakt zu Künstlern der Nachkriegsavantgarde. 1961 folgt sie ihrem Mann, dem Maler Klaus Bendixen, nach Hamburg. Ab 1980 bis zum Tod 2018 lebt Busse in Heilbronn. Die Schau „Kosmos Busse“ wird heute, 19 Uhr, eröffnet. Bis 29. März 2026 täglich außer Montag, 11 - 17 Uhr, Donnerstag bis 19 Uhr. 

Abstraktion und Figuration, Rasterbilder und Natur sind für Hal Busse kein Widerspruch. Dass die Mutter „über die Jahre vielfältiger war als der Papa“, hat Tochter Katarina Bendixen, ebenfalls Künstlerin, einmal erwähnt. Von diesem Reichtum zeugt „Kosmos Busse“, die von Museumschef Marc Gundel kuratierte Ausstellung ist in Kooperation mit dem Hal Busse Archiv und Johanna Bendixen entstanden sowie mit Unterstützung von Katarina Bendixen und der Galerie Volker Diehl Berlin.

Das Zwischengeschoss konzentriert sich auf Arbeiten der 70er Jahre, Bilder von Paaren, die in ihrer Flächigkeit und Proportion an den Plastiker Constantin Brâncusi gemahnen. Auch wenn Busse Op-Art und Pop-Art nur streifte, die Paarbilder und ein „Soldat“ zeigen, wie Hal Busse Zeitgeschichte reflektiert.

Sinnliche Farb-Tiefenräume

Die vibrierend-pulsierenden Bilder im zweiten Obergeschoss stehen für den Höhepunkt in Busses Schaffen: Arenen- und Nagelbilder, die seit Ende der 50er und in den 60ern entstehen und worauf sich Fachwelt und Kunstmarkt heute konzentrieren. Bildtafeln voll konzentrierter Sinnlichkeit erzeugen Tiefenräume wie ein Mark Rothko – auf diese eigene, besondere Art von Hal Busse, das Menschenbild zu abstrahieren. Im Spannungsfeld zwischen Form, Fläche und Farbe.

Hal Busse: Nagelbild rot, Nägel und Kaseinfarbe und Lack auf Spanplatte
Hal Busse: Nagelbild rot, Nägel und Kaseinfarbe und Lack auf Spanplatte  Foto: Mario Berger
Hal Busse: "Obsternte", um 1953
Hal Busse: "Obsternte", um 1953  Foto: Mario Berger
Die vibrierend-pulsierenden Bilder und Farbflächen stehen für den Höhepunkt in Hal Busses Schaffen.
Die vibrierend-pulsierenden Bilder und Farbflächen stehen für den Höhepunkt in Hal Busses Schaffen.  Foto: Berger, Mario
Raumobjekte, Raster- und Nagelbilder machen Hal Busse zur Avantgardistin.
Raumobjekte, Raster- und Nagelbilder machen Hal Busse zur Avantgardistin.  Foto: Mario Berger
Wirkt durch souveräne Sachlichkeit: Das „Glas Wasser“ aus dem Jahr 1972.
Wirkt durch souveräne Sachlichkeit: Das „Glas Wasser“ aus dem Jahr 1972.  Foto: Mario Berger
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